Die Struktur der NS-Frauenschaft und des Deutschen Frauenwerks wurde der Einteilung der Partei entsprechend in Gau-, Kreis- Block-, Zellen- und Ortsgruppenleiterinnen vorgenommen. Anfänglich hatten die NSF-Führerinnen noch eine sehr schwache Stellung und keine eigenen Befehlsrechte. Disziplinär waren sie ihren männlichen Vorgesetzten unterstellt. Nach massiven Protesten stärkte Reichsorganisationsleiter Gregor Strasser dann aber doch ihre Kompetenzen. Die Gaufrauenschaftsleiterinnen waren nunmehr Mitglieder der Gauleitung und gehörten – zuerst im Rang von Gaufachberaterinnen, dann als Hauptabteilungsleiterinnen – dem Stab des Gauleiters an. Dadurch kam ihnen auch das Recht zu, den ihnen unterstellten NSF-Frauen Anordnungen zu erteilen und in Absprache mit dem Kreisleiter über die Ein- oder Absetzung von Kreisfrauenschaftsleiterinnen zu bestimmen. Die Bedeutungszunahme zeigte sich auch äußerlich. So erhielten alle Frauenschaftsleiterinnen im August 1934, da sie „sinngemäß die Tätigkeit eines Politischen Leiters“ ausübten, einen „allgemeinen Politischen-Leiter-Ausweis – eine Tatsache, die sie nach 1945 vehement abstritten“. 34Sie verfügten spätestens ab 1937 über ein Rangabzeichen und Dienstkostüme. Die Gaufrauenschaftsleiterinnen bezogen ein Gehalt, das je nach Dienstzugehörigkeit zwischen 500 und 745 Reichsmark betrug; dazu kamen Aufwandsentschädigungen von rund 150 bis 200 RM. Damit waren sie hohen Ministerialbeamten oder Landräten finanziell gleichgestellt. Unterhalb der Kreisebene arbeiteten ungefähr 90 Prozent der Frauen aber ehrenamtlich.

Offizielle Abzeichen der NS-Frauenschaft aus dem Organisationsbuch der NSDAP.
Gertrud Scholtz-Klink 35 Die Reichsfrauenführerin
Gertrud Treusch 36wurde am 9. Februar 1902 in Adelsheim (im Norden Baden-Württembergs) in eine evangelisch-kleinbürgerliche Familie geboren. Nachdem ihr Vater 1910 verstorben war, zog die Mutter mit ihrer Tochter und ihren beiden Söhnen in das benachbarte Moosbach, wo Gertrud Treusch das Gymnasium bis zur mittleren Reife besuchte. Im Alter von 19 Jahren heiratete sie den Lehrer Eugen Klink, mit dem sie insgesamt fünf Kinder – zwei Töchter und drei Söhne – haben sollte. 37Eugen Klink engagierte sich bereits vor der Machtergreifung für die nationalsozialistische Bewegung, war Mitglied der SA, Kreisredner der NSDAP und kommissarischer NSDAP-Leiter für den Kreis Offenburg. Ab 1930 waren beide Parteimitglieder, im selben Jahr im März starb Eugen Klink auf einer Parteiveranstaltung an einem Herzinfarkt. Der Tod ihres Mannes war ein entscheidender Wendepunkt im Leben von Getrud Klink.
Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink (2.v.r.) bei einem Besuch in Salzburg 1939.
Ab sofort widmete sie sich ganz ihrer Karriere in der NSDAP und wurde im Oktober 1930 Gauleiterin des Deutschen Frauenordens in Baden. 38Als es ein Jahr später zur Schaffung der NS-Frauenschaft kam, konnte sie ihre Stellung halten und wurde Gaufrauenschaftsleiterin für Baden und Hessen. Fortan baute sie ihre Tätigkeiten für die NS-Frauenarbeit kontinuierlich aus. Im August 1932 heiratete sie den Landarzt Günther Scholtz – ebenfalls aktives Mitglied der NSDAP. Er unterstützte zwar die Karriere seiner Frau, als sie aber nach Berlin versetzt wurde, ließ sich das Ehepaar 1937 scheiden. Gertrud Scholtz-Klink heiratete 1940 schließlich ein drittes Mal, und zwar den SS-Obergruppenführer August Heißmeyer, der selbst sechs Kinder in die Ehe mitbrachte und mit dem sie 1944 noch einen Sohn bekam. 39Im Jahr 1944 bestand die Patchwork-Familie Scholtz-Klink-Heißmeyer damit aus Gertrud, August und ihren elf Kindern. Gertrud Scholtz-Klink behielt aber ihren Nachnamen, mit dem sie nun bereits als Reichsfrauenführerin bekannt war.
Die blond-bezopfte, „deutsch“ aussehende Gertrud Scholtz-Klink zeichnete sich nach Ansicht ihrer männlichen Parteigenossen durch einige vorteilhafte Züge wie Anpassungsfähigkeit und Konfliktvermeidung aus – darüber hinaus konnte sie sich der Unterstützung ihrer „Vorzeigefamilie“ sicher sein, die ihr einen Aufstieg in der Frauenschaft ermöglichte. Ihr Ruf einer umgänglichen Frau ohne politischen Ehrgeiz war ein wichtiges Kriterium dafür, dass sie sich als NSF-Leiterin durchsetzen konnte. 40Mit ihrer Ernennung zur Reichsfrauenführerin durch Adolf Hitler im November 1934 war sie die ranghöchste Frau im „Dritten Reich“ und hatte die formelle Stellung eines Reichsleiters inne. Die Reichsleiter wurden von Hitler persönlich ernannt und waren ihm direkt unterstellt – es handelte sich um eine kleine, auserwählte Gruppe. In der Praxis fungierte Gertrud Scholtz-Klink aber mehr als Aushängeschild und blieb Hitler, Reichsminister Rudolf Heß, DAF-Leiter Robert Ley und NSV-Leiter Erich Hilgenfeldt untergeordnet. Sie war der Partei als Propagandafigur dienlich, machte aber keinen politischen Einfluss geltend. Damit entsprach sie ganz jenem nationalsozialistisch propagierten Frauenbild, in dem die Frau die Vorherrschaft des Mannes nicht anzweifelte und ihm Führung in politischen Belangen überließ. Dass dieses Urteil nicht der Komplexität einer ganzen Lebensgeschichte gerecht werden kann, zeigt sich bereits an einer politischen Auseinandersetzung im Jahr 1937: Während Scholtz-Klink die Führerinnen in den Zellen und Blocks als „Leiterinnen“ bezeichnen wollte, sprach ihnen Ley nur ein „Walterinnen“ zu, um die Autorität der männlichen Leiter nicht zu untergraben. Als schließlich Heß die Umbenennung in „Leiterinnen“ vornahm, ohne dies mit Ley abzusprechen, beschwerte dieser sich bei Hitler und warf Scholtz-Klink „gefährliche Emanzipationsbestrebungen“ 41vor. Die Reichsfrauenführerin verteidigte sich erfolgreich mit einer achtseitigen Replik. Doch vor allem mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und den wachsenden Anforderungen an die Frauen und die Frauenschaft verlor die Reichsfrauenführerin an Macht und Einfluss. Nichtsdestotrotz blieb sie für viele weiterhin eine schillernde Figur und Vorzeigefrau, die sich bei zahlreichen Veranstaltungen und offiziellen Empfängen in Szene setzte.
Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink bei ihrer Ankunft am 11. Mai 1939 in Salzburg. Begleitet wird sie von der Salzburger Gaufrauenschaftsleiterin Maria Vogl (hinter Scholtz-Klink) und von Martha Warnecke, Hauptabteilungsleiterin in der Reichsfrauenführung.
Am 11. Mai 1939 stattete Gertrud Scholtz-Klink auch der Gauhauptstadt Salzburg einen offiziellen Besuch ab. Nach ihrer Ankunft im Österreichischen Hof (heute Hotel Sacher) besuchte sie die Burg Hohenwerfen und wandte sich, ebenso wie Gauleiter Friedrich Rainer, mit einer Eröffnungsrede an die Salzburger Frauen und die Frauenschaftsleiterinnen. Am Nachmittag unternahm sie eine Fahrt ins Salzkammergut, wo sie in Begleitung des Gauleiters, der Gaufrauenschaftsleiterin Maria Vogl [Biografie S. 94] und anderen Salzburger Führungspersonen in St. Gilgen am Wolfgangsee von den ortsansässigen „Pimpfen“ der Hitlerjugend mit Fanfarengrüßen in Empfang genommen wurde. Abschließend weilte Scholtz-Klink im Weißen Rössl. Ein solch hoher Besuch wurde natürlich medienwirksam inszeniert.
Obwohl Gertrud Scholtz-Klink aufgrund von Krankheiten und Fehlgeburten immer seltener ihren Aufgaben nachgehen konnte und immer mehr ins Abseits gedrängt wurde, hielt sie eisern an ihrer Stellung fest. Ihr Einfluss war aber merklich geschwunden: Führende Männer der Partei wie Ley und Goebbels lehnten sie mit der Zeit zunehmend ab. Von Hitler wurde sie zwar geschätzt, aber nicht mehr direkt zu Frauenbelangen befragt. Ihr Versuch, die NSF und das DFW vollständig zu vereinigen, wurde vereitelt.
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