Vor dem Hintergrund der in der Taufe grundgelegten Würde haben alle Gläubigen zunächst einmal „die Pflicht und das Recht, dazu beizutragen, dass die göttliche Heilsbotschaft immer mehr zu allen Menschen aller Zeiten auf der ganzen Welt gelangt“ 29und als Einzelne oder in einer Vereinigung am Apostolat der Kirche mitzuarbeiten. 30Ausdrücklich unterstreicht der Codex, dass dieses Recht auch den Christgläubigen zukommt, welche weder Kleriker noch Ordensleute sind oder in einer spezifischen Form „hauptamtlich“ an der Sendung der Kirche teilnehmen: „Da die Laien wie alle Gläubigen zum Apostolat von Gott durch die Taufe und die Firmung bestimmt sind, haben sie die allgemeine Pflicht und das Recht, sei es als einzelne oder in Vereinigungen, mitzuhelfen, dass die göttliche Heilsbotschaft von allen Menschen überall auf der Welt erkannt und angenommen wird, diese Verpflichtung ist um so dringlicher unter solchen Umständen, in denen die Menschen nur durch sie das Evangelium hören und Christus kennenlernen können.“ 31Auch sind sie, sofern „sie als geeignet befunden werden, … befähigt, von den geistlichen Hirten für jene kirchlichen Ämter und Aufgaben herangezogen zu werden, die sie gemäß den Rechtsvorschriften wahrzunehmen vermögen.“ 32
Schon aus diesen wenigen Hinweisen wird deutlich, dass das Kirchenrecht alle Gläubigen als Protagonisten der Sendung der Kirche betrachtet und vor aller Differenzierung, die sich aus dem je eigenen Stand der Gläubigen und den verschiedenen Lebensumständen ergibt, zunächst einmal alle Gläubigen als Subjekte des Handelns der Kirche und damit auch ihrer Pastoral betrachtet. Dies wird noch einmal unterstrichen, wenn der Codex dem Bischof einer Diözese nicht nur die Aufgabe in Erinnerung ruft, das Apostolat in seiner Diözese zu fördern und zu koordinieren, 33sondern ihn auch dazu auffordert, „die Gläubigen auf ihre Pflicht hinzuweisen, je nach ihren Lebensumständen und Fähigkeiten das Apostolat auszuüben, und sie zu ermahnen, sich an den verschiedenen Werken des Apostolates je nach den örtlichen und zeitlichen Erfordernissen zu beteiligen und sie zu unterstützen.“ 34
Ein ähnlicher Auftrag ergeht auch an die Priester und Diakone, welche nicht nur dazu verpflichtet sind, gemeinsam zum Aufbau der Kirche beizutragen und entsprechend zusammen zu arbeiten, sondern auch „die Sendung anzuerkennen und zu fördern, welche die Laien, jeder zu seinem Teil, in Kirche und Welt ausüben.“ 35Fast wortgleich wird diese Aufforderung im Hinblick auf den Pfarrer wiederholt. 36
Eine aus den kirchenrechtlichen Normen sich ergebende und ihnen zugleich zugrunde liegende ethische Maxime pastoralen Handelns liegt also darin, niemand als bloßes Objekt der Pastoral oder der Sendung der Kirche zu betrachten, sondern die je spezifische Teilhabe an dieser Sendung, sein Subjektsein, anzuerkennen und zu fördern. 37Das steht quer zu mancher Pfarr-Herren-Mentalität, die nicht nur unter Klerikern zu finden ist.
2.3 Diözese und Pfarrei: Orte verantwortlich gelebten Christseins
Vor dem Hintergrund der in der Taufe begründeten Würde der Christgläubigen und der gemeinsamen Teilhabe und Teilgabe an der Sendung der Kirche sowie der daraus sich ergebenden Tatsache, dass alle Gläubigen auf je ihre Weise Subjekte der Sendung und der Pastoral der Kirche sind, werden die Verortungen des Glaubenslebens, die Diözese und die Pfarrei jeweils ausgehend von den Personen beschrieben, die sie ausmachen, und nicht etwa ausgehend von einem eher technischen Kriterium wie der Territorialität.
So ist die Diözese zunächst und vor allem ein „Teil des Gottesvolkes ( populi Dei portio ), der dem Bischof in Zusammenarbeit mit dem Presbyterium zu weiden anvertraut wird; indem sie ihrem Hirten anhängt und von ihm durch das Evangelium und die Eucharistie im Heiligen Geist zusammengeführt wird, bildet sie eine Teilkirche, in der die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche Christi wahrhaft gegenwärtig ist und wirkt.“ 38Innerhalb der Diözese ist dann die Pfarrei „eine bestimmte Gemeinschaft von Gläubigen, die in einer Teilkirche auf Dauer errichtet ist und deren Seelsorge unter der Autorität des Diözesanbischofs einem Pfarrer als ihrem eigenen Hirten anvertraut wird.“ 39
Diözese und Pfarrei sind also – vor allen anderen Kennzeichen, die ihnen innerhalb der Kirche zukommen – zunächst einmal Gemeinschaften von Gläubigen, Orte gelebten Glaubens, an denen alle – je auf ihre Weise und in Erfüllung ihrer ganz spezifischen Aufgabe – zusammenwirken, um die Sendung der Kirche in dieser Welt zu erfüllen, eine Sendung, die sie sich genauso wenig selber gegeben haben, wie sie selber die Initiative ergriffen haben, zur Gemeinschaft des Volkes Gottes zu gehören. Die Zugehörigkeit zur Kirche (auch in ihrer konkreten Gestalt vor Ort) und die Mitarbeit an der Erfüllung ihrer Sendung in der Welt sind weder menschliches Verdienst, noch menschliche Leistung, sondern Antwort auf einen Ruf, christlich gesprochen: auf eine Berufung. Ruf und Antwort entziehen sich selbstverständlich kirchenrechtlicher Regelung, aber das Kirchenrecht schafft, auch in der Art und Weise, wie Diözese und Pfarrei beschrieben werden, den Rahmen, in dem die Antwort auf den Ruf zur Teilhabe am Volk Gottes und seiner Sendung ethisch verantwortet gemeinsam gelebt werden kann.
Selbstverständlich ist es hier nicht möglich, ausführlich auf die jeweilige Rolle und die Aufgaben des Bischofs und des Pfarrers einzugehen, denen in Diözese und Pfarrei besondere Verantwortung zukommt. Aus der Perspektive einer Ethik pastoralen Handelns mögen einige Hinweise genügen.
Dem Bischof ist es in seiner Diözese aufgetragen, die Einheit seines Bistums mit der Gesamtkirche zu wahren und dafür zu sorgen, dass die kirchlichen Gesetze eingehalten werden. 40„Er hat darauf zu achten, dass sich kein Missbrauch in die kirchliche Ordnung einschleicht, vor allem in Bezug auf den Dienst am Wort, die Feier der Sakramente und Sakramentalien, die Verehrung Gottes und der Heiligen sowie in Bezug auf die Vermögensverwaltung.“ 41Er stellt also den Rahmen sicher, innerhalb dessen Christsein verantwortlich gelebt werden kann. Zugleich und zuvor aber hat er sich „um alle Gläubigen zu kümmern, die seiner Sorge anvertraut werden, gleich welchen Alters, welchen Standes oder welcher Nation, ob sie in seinem Gebiet wohnen oder sich dort nur auf Zeit aufhalten; er hat den apostolischen Geist auch denen zuzuwenden, die wegen ihrer Lebensumstände aus der ordentlichen Seelsorge nicht hinreichend Nutzen ziehen können, wie auch jenen, die von der religiösen Praxis abständig geworden sind.“ 42
Seine besondere Fürsorge hat seinen engsten Mitarbeitern, den Priestern, zu gelten. „die er als Helfer und Ratgeber hören soll; er hat ihre Rechte zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie die ihrem Stand eigenen Verpflichtungen richtig erfüllen und dass ihnen die Mittel und Einrichtungen zur Verfügung stehen, deren sie zur Förderung des geistlichen und geistigen Lebens bedürfen; ebenso hat er für ihren angemessenen Lebensunterhalt und für die soziale Hilfe nach Maßgabe des Rechts zu sorgen.“ 43 Mutatis mutandis gilt diese Fürsorgepflicht des Bischofs auch für alle anderen hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge.
Der Bischof ist nicht nur Lehrer der Gläubigen (auch in sittlichen Fragen) 44und „vornehmlicher Ausspender der Geheimnisse Gottes“, sondern „eingedenk seiner Verpflichtung, selbst ein Beispiel der Heiligkeit zu geben in Liebe, Demut und Einfachheit des Lebens, hat der Diözesanbischof alles daranzusetzen, die Heiligkeit der Gläubigen entsprechend der je eigenen Berufung des einzelnen zu fördern… [und] ständig darauf hinzuarbeiten, dass die seiner Sorge anvertrauten Gläubigen durch die Feier der Sakramente in der Gnade wachsen und so das österliche Geheimnis erkennen und leben.“ 45
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