Als weiterer Anpassungseffekt an langfristiges Krafttraining sinkt der Ruhepuls als Zeichen einer ökonomischeren Herzarbeit geringfügig ab (ca. 10%). Das Herz verbraucht dadurch weniger Energie und Sauerstoff und wird durch eine verlängerte Erschlaffungsphase besser durchblutet [46]. Ausdauersport lässt den Ruhepuls allerdings wesentlich stärker absinken. Vergleicht man z.B. das Herzvolumen von 18 unterschiedlichen Sportarten, so schneiden Gewichtheber sehr schlecht ab und belegen mit leichtathletischen Werfern (Kugel, Diskus, Speer) und Sportschützen die letzten Plätze. Langstreckenläufer, Radrennfahrer, Skilangläufer oder auch Bundesligafußballer sind hingegen auf den obersten Rängen zu finden [136].
Der Blutdruck steigt während Kraftübungen deutlich an, da die Gefäße durch die Muskelkontraktion komprimiert werden. Hierbei ist entscheidend, wie groß die eingesetzte Muskelmasse, wie hoch die relative Ausbelastung des Trainierenden durch Last und Übungsdauer ist und ob eine Pressatmung (Valsalva-Manöver) stattfindet oder nicht. Bei hochintensivem, beidbeinigem Beinpressen mit Pressatmung wurden bei Bodybuildern Durchschnittswerte von 320/250 mm Hg gemessen. Beim einarmigen Bizepscurl lagen die Werte immerhin noch bei 255/190 mm Hg [138]. Zum Vergleich: Ein normaler Blutdruck in Ruhe beträgt durchschnittlich 120/80 mm Hg. Die höchsten Blutdruckanstiege finden sich in einem Intensitätsbereich, in dem Lasten von 70–95% der Maximalkraft über mehrere Wiederholungen bis zur Erschöpfung der Muskulatur bewegt werden [17].
Trotz der hohen Blutdruckwerte, die während eines Trainings auftreten können, führt Krafttraining langfristig zu einer Senkung des Blutdrucks. Dieser Effekt liegt normalerweise im Bereich von 3–4% [229]. Nach 4 Monaten intensivem und umfangreichem Krafttraining fanden Cauza und Mitarbeiter allerdings eine Blutdrucksenkung von 138 auf 119 mm/Hg (systolisch) bzw. 84 auf 76 mm/Hg (diastolisch), was einer 13,8%igen bzw. 9,5%igen Absenkung entspricht [38]. Das frühere Vorurteil, Krafttraining könnte zu Bluthochdruck führen, ist mittlerweile klar widerlegt [212]. Eine kräftige Muskulatur verringert zudem den Blutdruckanstieg (und somit die Herzbelastung) bei Alltagstätigkeiten mit Kraftbeanspruchung, wie z.B. Treppe steigen [17].
Ein weiterer positiver Effekt für das Gefäßsystem, der durch langfristiges Krafttraining nachweisbar ist, ist die günstige Beeinflussung des Cholesterinspiegels: Gesamtcholesterin und (das schädliche) LDL-Cholesterin sinken ab. Dies führt zu einer Verringerung des Risikos einer Arteriosklerose [38, 75, 80].
Abschließend kann man also sagen, dass Krafttraining keinesfalls schädlich für das Herz-Kreislauf-System ist, dass sogar einige gesundheitlich sehr positive Effekte durch langfristiges Training zu erreichen sind. Dennoch wirkt sich ein Ausdauertraining auf einige wichtige, gesundheitsrelevante Herz-Kreislauf-Funktionen stärker aus als Krafttraining, so dass es ergänzend betrieben werden sollte. Der ambitionierte Kraftsportler profitiert von einer guten, aeroben Grundlagenausdauer auch dadurch, dass er längere Trainingseinheiten besser durchsteht, sich schneller vom Training erholt und durch eine Verbesserung des Immunsystems seltener Trainingsausfälle aufgrund von Erkrankungen hinnehmen muss [222].
Somit empfiehlt sich aus gesundheitlicher wie aus leistungsphysiologischer Sicht ein ergänzendes Ausdauertraining für den Kraftsportler.
Krafttraining hat mittlerweile auch einen hohen Stellenwert in der Rehabilitation von Herzpatienten, was in Kap. 9.1 ausführlicher dargestellt wird.
2.4Die Wirkung auf das Gehirn
Sport und moderates Krafttraining wirken sich günstig auf die Gehirnleistungsfähigkeit aus [124]. Bei dynamischer Muskelaktivität steigt die Gehirndurchblutung deutlich an: bei einer Fahrradergometrie von 25 Watt um 20%, bei 100 Watt bereits um 30% [98]. Diese Wattleistungen werden auch beim normalen Fitnesskrafttraining von Männern und Frauen erreicht, wenn größere Muskelgruppen beim Beinpressen, Rudern oder Latissimusziehen im Einsatz sind, sofern die Lastintensitäten im mittleren Bereich angesiedelt sind. Bei isometrischer Belastung, also Muskelaktivität ohne Bewegung, fehlt allerdings eine gesteigerte Gehirndurchblutung [97]. Beim Bewegen extrem hoher Lasten mit Valsalva-Atemmanöver (Pressatmung) ist die Gehirndurchblutung sogar herabgesetzt.
Neben einer verbesserten Blutversorgung des Gehirns durch moderate Muskelaktivität spielen in der Beziehung zwischen Sport und Gehirnleistungsfähigkeit auch positive Effekte auf das Wachstum von Nervenzellen und deren Verschaltung untereinander eine Rolle [4, 29, 98]. Hierbei haben erhöhte koordinative Anforderungen offenbar eine stimulierende Wirkung. Durch Muskelaktivität und Bewegung wird auch der Nervenwachstumsfaktor BDNF ausgeschüttet, der den Aufbau neuer Nervenzellen im Gehirn fördert. Dies soll im Alter einer Demenz und einer Alzheimer-Erkrankung entgegenwirken [H 11].
Generell ist der positive Effekt von Training auf die Gehirnleistungsfähigkeit insbesondere im höheren Alter konkret nachweisbar [4, 40]. In einer Studie mit älteren Menschen stellte man fest, dass von verschiedenen Bewegungsaktivitäten die Kombination von Ausdauer- und Krafttraining die besten Ergebnisse auf die Verbesserung der Gehirnleistungen erzielte [40]. Die erhöhte Leistungsfähigkeit zeigt sich vor allem in so genannten »exekutiven Fähigkeiten«, d.h. beim Koordinieren und Planen von Handlungen, beim Multitasking und bei Gedächtnisleistungen [4, 29].
Für ein »Gehirntraining« durch kräftigende Übungen empfehlen sich insbesondere mittlere Intensitäten ohne Ausbelastung, z.B. ein Kraftausdauertraining im Sinne eines »sanften Krafttrainings« (Kap. 8.4.1), sowie das Einbeziehen mehrgelenkiger, koordinativ anspruchsvoller Kraftübungen, das regelmäßige Ändern von Trainingsplänen und das Erlernen neuer Übungen und Bewegungstechniken.
2.5Die Wirkung auf die Beweglichkeit
Dass Krafttraining unbeweglich mache, ist ein altes Vorurteil. Ein einseitiges, fehlerhaft durchgeführtes Krafttraining kann durchaus die Beweglichkeit herabsetzen. Ein starkes Muskelwachstum vermehrt die parallel geschalteten Titinfilamente und andere elastische Komponenten, die einer Muskeldehnung Widerstand entgegensetzen. Zudem begrenzt die so genannte Weichteilhemmung ab einem gewissen Grad der Muskeldicke bestimmte Gelenkbewegungen, z.B. die Bein- und Armbeugung oder den Griff zwischen die Schulterblätter. Wer nicht den vollen Bewegungsumfang einer Übung durchführt, sondern nur im angenäherten Winkelbereich trainiert (z.B. isometrisches Training, Endkontraktionen oder Spitzenkontraktionsprinzip) beeinflusst negativ die funktionelle und strukturelle Länge der Muskulatur, die sich an die Erfordernisse ihrer Hauptarbeitslänge anzupassen versucht [185]. Hingegen führt ein ausgewogenes Krafttraining über den vollen Bewegungsumfang eines Gelenks in keinem Fall zu einer alltagsrelevanten, physiologisch ungünstigen Unbeweglichkeit. Dies beweisen eindrucksvoll Leistungsturner, die trotz großer Muskelmasse eine imposante Beweglichkeit zeigen (und benötigen). Auch Gewichtheber müssen im Schultergürtel, Hüftgelenk, Lenden- und Brustwirbelbereich sowie im Sprunggelenk sehr beweglich sein, um die anspruchsvolle Bewegungstechnik ihres Sports bewältigen zu können. Bei unsportlichen Menschen führt ein Krafttraining sogar in der Regel zu einer Beweglichkeitssteigerung, da viele Übungen Gelenkwinkelstellungen erfordern, die im Alltag nicht (oder selten) vorkommen, was immer zu einem Beweglichkeitsgewinn führt. Zudem erleichtert eine kräftige Muskulatur die Überwindung elastischer Dehnungswiderstände der Gewebe, so dass eine größere Bewegungsamplitude erreicht wird. Ein Krafttraining kann also für jede Sportart, die nicht auf eine extreme Muskelmasse angewiesen ist, so durchgeführt werden, dass die Beweglichkeit nicht negativ beeinflusst wird.
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