Neben den Aspekten von Gesundheit und körperlicher Attraktivität kann eine aufrechte Körperhaltung in der Außenwirkung auch Selbstbewusstsein, Gesundheit und positive Lebensenergie vermitteln.
Natürlich ist die Ausgewogenheit des Krafttrainings eine entscheidende Voraussetzung für eine günstige Wirkung auf die Körperhaltung. Es gibt Kraftsportler, die fast nur beim Bankdrücken (Brustmuskeltraining) zu sehen sind. Ein solches einseitiges Training fördert die Entstehung muskulärer Ungleichgewichte und kann Fehlhaltungen begünstigen.
2.8Krafttraining und Psyche
Sport und Bewegung, und somit auch Krafttraining, haben Einfluss auf das psychische Befinden des Menschen. Zahlreiche Untersuchungen bestätigen z.B., dass Sport, Ausdauertraining und Krafttraining (letztere besonders in der Kombination) wirksam in der Therapie depressiver Erkrankungen sind [6; H 13]. Auch Angststörungen sind durch Krafttraining (und Ausdauertraining) positiv beeinflussbar. Allerdings scheint diesbezüglich vor allem ein moderates Krafttraining ohne Ausbelastung effektiv zu sein [124]. Doch auch beim Gesunden gelten Sport und Training als ein wichtiger Einflussfaktor für Wohlbefinden und eine positive Stimmung [97]. Es werden verschiedene Ursachen für den Zusammenhang von Sport und Psyche diskutiert: Die vermehrte Ausschüttung von Botenstoffen wie Serotonin, Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin könnte durch deren Wirkung im Gehirn die Psyche günstig beeinflussen [98], ebenso vom Körper produzierte Endorphine und Cannabinoide, die neben einer Schmerzhemmung die Stimmung heben sollen und die bei intensiver Belastung ebenfalls ansteigen [H 2]. Die Thermoregulationshypothese besagt, dass die Durchblutungs- und Stoffwechselsteigerung in Verbindung mit einem Anstieg der Körpertemperatur das Wohlbefinden erhöht [H 7]. Dies kennt der Kraftsportler in Form des angenehmen Gefühls »aufgepumpt« zu sein. Die Hypofrontalitätstheorie erklärt das gesteigerte Wohlgefühl hingegen über eine Veränderung der Hirnaktivität. Stress und Sorgen werden durch die gesteigerte Aktivität motorischer Hirnareale verdrängt [H 7]. Andere Ursachen könnten eine Steigerung des Selbstwertgefühls und Stärkung des Selbstkonzepts sein [124; H 7], die auf sportlichen Erfolgserlebnissen, einem gestiegenen Körpergefühl, einer verbesserten Haltung sowie einer erhöhten Körperkraft und Attraktivität basieren [75]. Andererseits können sportliche Misserfolge und sportinduzierter Stress (z.B. hoher Leistungsdruck) auch negative psychische Effekte haben. Häufig zeigen sich auch Essstörungen (z.B. Magersucht) bei exzessiver Sportausübung (H 7).
2.9Krafttraining in der Therapie körperlicher Erkrankungen
Krafttraining wird in einigen Fachbereichen der modernen Medizin als ein therapeutisches Mittel eingesetzt, um Schmerzen, Funktionseinschränkungen und andere negative Krankheitsfolgen zu lindern oder zu beseitigen. Im Falle von Bewegungsmangelerkrankungen, wie Diabetes Typ II, Adipositas (Fettleibigkeit), Herz- und Gefäßerkrankungen, Osteoporose, Rückenschmerzen und Muskel- und Gelenkbeschwerden kann Krafttraining an den wesentlichen Ursachen der Entstehung ansetzen und dadurch den Gesundungsprozess maßgeblich beeinflussen und sogar eine präventive Funktion erfüllen. Eine besonders hohe Bedeutung in der Linderung der Krankheitsfolgen und Beeinflussung der Symptome kommt dem Krafttraining im orthopädisch-traumatologischen Bereich zu, da die hier auftretenden Erkrankungen, meist direkt mit einer (zumindest zeitweiligen) Einschränkung von Bewegung und Belastung einhergehen und damit zu einem Funktionsverlust der Muskulatur führen. Krafttraining ist daher mittlerweile ein fester Bestandteil in der Therapie chronischer Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen sowie im Aufbautraining nach Verletzungen und Operationen. Dies gilt für jedes Alter und nahezu jeden Körperstatus. Der enorme Kraftverlust, der nach akuten Verletzungen oder Operationen durch die notwendige Ruhigstellung von Gelenken eintritt (z.T. über 50% nach 4 Wochen vollständiger Schonung), sollte durch ein gezieltes Krafttraining möglichst bald behoben werden, da hierdurch ein schnellerer Wiedereinstieg ins Alltagsleben inklusive beruflicher Tätigkeit ermöglicht und Folgeproblemen am Bewegungsapparat vorgebeugt wird.
Chronische Wirbelsäulenleiden können durch ein gezieltes Krafttraining bereits nach 8–12 Wochen bzw. 12–24 Trainingseinheiten deutlich gelindert bzw. bis zur Schmerzfreiheit therapiert werden [47, 114, 165]. Die Optimierung der Muskelfunktion (Koordination und Kraft) sowie die gezielte Stoffwechselsteigerung im Beschwerdebereich, die durch ein Krafttraining bewirkt werden, sind therapeutisch relevante, physiologische Komponenten einer erfolgreichen Therapie. Daneben stärkt ein Krafttraining auch das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit, was das Krankheitserleben von Patienten mit chronischen Schmerzen positiv beeinflusst, Bewegungsängste abbaut und dadurch mehr Lebensqualität und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Bei einer Arthrose, d.h. einem Knorpelverschleiß, der insbesondere an Hüft- und Kniegelenken im fortgeschrittenen Lebensalter auftritt und häufig mit erheblichen Schmerzen und Funktionseinschränkungen einhergeht, kann Krafttraining durch eine gezielte Anregung des Gelenk- und Knorpelstoffwechsels und durch den Aufbau einer leistungsfähigen Muskulatur die Schmerzsymptome und Funktionseinschränkungen vermindern [57]. Eine leistungsstarke Muskulatur kann eine günstigere Verteilung von Beanspruchungen im Gelenk herstellen und Belastungsspitzen reduzieren. Sie wirkt in zahlreichen Bewegungssituationen des Alltags als »Stoßdämpfer«. Wie bei anderen chronisch-degenerativen Erkrankungen am Bewegungsapparat kann Krafttraining eine Arthrose nicht heilen, aber die negativen Folgen für den Patienten deutlich lindern.
Neben dem orthopädischen Bereich hat sich Krafttraining mittlerweile auch in anderen Fachbereichen der Medizin etabliert: Seine die Blutgefäße trainierende Wirkung wird neben dem Kraft- und Leistungsaufbau im Training mit Herzpatienten (kardiologische Rehabilitation) genutzt (Kap. 9.1). In der Diabetes-Therapie erhöht Krafttraining die Sensivität der Muskelzelle für Insulin und hilft Folgeerkrankungen präventiv entgegenzuwirken (Kap. 9.4). Jüngst hat auch die Krebstherapie das Krafttraining entdeckt. Studien mit Brustkrebspatientinnen zeigen, dass sich Krafttraining positiv auf die körperliche Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität auswirkt [51]. Aber auch bei der Behandlung anderer Krebsarten sind bewegungstherapeutische Maßnahmen und Muskeltraining auf dem Vormarsch [9, H 3, H 16].
So verbreitet Krafttraining als Therapieform oder Therapieergänzung mittlerweile auch ist – es gehört immer in die Hände medizinisch geschulter Trainer, damit die gewünschten Effekte erzielt und schädigende Einflüsse vermieden werden können. Medizinisches Krafttraining wird üblicherweise in Rehabilitationseinrichtungen, Arzt- und Physiotherapiepraxen und von speziell anerkannten Trainingsinstituten durchgeführt.
2.10Myokine
Ein noch relativ junges Forschungsfeld zur gesundheitlichen Wirkung von Bewegung, Sport und Krafttraining ist das so genannte Myokin-Konzept, das vor allem durch Publikationen der dänischen Professorin Bente Pedersen und ihres Teams bekannt geworden ist.
Myokine sind hormonähnliche Botenstoffe, die bei körperlicher Aktivität vom (trainierenden) Muskel produziert werden und die zahlreiche Stoffwechselvorgänge im Organismus beeinflussen. Es sind erst wenige dieser Myokine in ihrer Wirkung und Wechselwirkung erforscht worden, aber sie sollen vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes-Typ II, Darm- und Brustkrebs sowie vor chronischen Entzündungen schützen und den Energie- und Baustoffwechsel des Körpers positiv beeinflussen.
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