Jan van Ruysbroeck
Das Buch von der höchsten Wahrheit
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Jan van Ruysbroeck Das Buch von der höchsten Wahrheit Dieses ebook wurde erstellt bei
Das Buch von der höchsten Wahrheit.
VORREDE
Vom glänzenden Stein
Von fünf Arten von Sündern.
Von der Verklärung Christi auf dem Berg Tabor.
Wie wir Gottes geniessen sollen.
Von dem allgemeinen Leben, das aus dem Schauen und Genießen Gottes kommt.
DAS GOTT-BEGEHRENDE LEBEN
DAS GOTTSCHAUENDE LEBEN
VORREDE •
DIE DREI VORAUSSETZUNGEN UM ZU SEHEN
«DER BRÄUTIGAM KOMMT»
B. DIE ZWEITE, TÄGLICHE ANKUNFT IN DER SEELE
C. VON DER DRITTEN ANKUNFT UNSERES HERRN ZUM GERICHT
«GEHT HINAUS » TUGENDHAFTIGKEIT IN LIEBE UND GERECHTIGKEIT AUS DER GRUNDHALTUNG DER DEMUT HERAUS
DIE DEMUT ALS GRUNDLAGE UND MUTTER DER TUGENDEN
GERECHTIGKEIT ALS WAFFE BEI DER AUSÜBUNG DER TUGENDEN
DAS ZU ERSTREBENDE IDEAL:« DIE SEELE ALS REICH UNTER DER KRONE DER LIEBE »
«UM IHM ZU BEGEGNEN» VON DER GEISTIGEN BEGEGNUNG ZWISCHEN GOTT UND UNS
DER ÜBERGANG VOM TÄTIGEN ZUM GOTT-BEGEHRENDEN LEBEN
DAS GOTT-BEGEHRENDE LEBEN« DAS ZWEITE LEBEN »
DER EINFALLSORT DER ERLEUCHTUNG
DIE ERLEUCHTUNG IN DER HÖCHSTEN EINHEIT
«DER BRÄUTIGAM KOMMT, GEHT HINAUS »
DAS ERSTE KOMMEN, IM HERZEN, IN VIER VERSCHIEDENEN WEISEN
Das folgende handelt vom Honigtau, der die geistige Frucht verdirbt
KOMMEN IN DEN HÖCHSTEN KRÄFTEN, VERGLEICHBAR EINER QUELLE MIT DREI FLÜSSEN
< Über den minniglichen Streit zwischen dem Geist Gottes und unserem Geist >
DIE GRUNDLAGE ZU JEDER ART VON VEREINIGUNG MIT GOTT
DIE VEREINIGUNG OHNE MITTEL GESCHIEHT INDREI UNTERSCHIEDLICHEN WEISEN
DAS GOTTSCHAUENDE LEBEN
«DER BRÄUTIGAM KOMMT»DIE ERLEUCHTUNG UND IHRE WIRKUNG
« DAS ERREICHEN UNSERES URBILDS UND UNSER SCHAUENDES, GENIESSENDES INNEBLEIBEN UND AUSSTRÖMEN MIT GOTT »
«UM IHM ZU BEGEGNEN»
Impressum neobooks
Das Buch von der höchsten Wahrheit.
In den vorliegenden Schriften des Mystikers Jan van Ruysbroeck, doctor ecstaticus, excellentissimus contempla torzubenannt, wird ein Kreis von sinnigen Lesern die in den Rahmen des Christentums gefassten Wahrheiten finden, die, so alt wie die Wahrheit selbst, ein unzerstörbares Leben besitzen, die in den verschiedensten Zeiten und Orten, aus geheimnisvollen Quellen strömend, immer wieder zur Geltung kommen und, im Gegensatz zu wissenschaftlichen Schulmeinungen nicht veralten, sondern kraftvoll und jugendfrisch bleiben, herrlich wie am ersten Tag. Jahrhunderte lang können sie vergessen scheinen, Reihen von Generationen können vergehen, die kaum Einen hervorgebracht, der ihnen hätte Beachtung schenken mögen, etwas zu fassen vermocht hätte von dem, was sie kündet.
Sie kehren immer wieder, machen sich geltend, und finden Widerhall in Menschenherzen, die, des sterilen, selbstgefälligen Herumtreibens in gelehrten Hypothesen und in Philosophemen müde geworden, gerne glauben möchten, - glauben wie das Kind den Worten der Mutter glaubt, - die den Wahrheitsbeweis in dem finden, was im vertrocknenden Herzen wie ein erfrischender Regen, im zweifelnden Verstand wie ein neugeborenes Licht gefühlt und erkannt wird.
Es werden aber auch Enttäuschungen diesen Suchenden nicht erspart bleiben, wenn ihre Erkenntnis noch nicht zur Kraft geworden, ihre Sicherheit nicht genügend erstarkt, oder ihre Aufnahmefähigkeit nicht genügend entwi¬ckelt ist, gegenüber dem, was ihnen als Wahrheit entgegentritt.
So vieles treibt sich in Wort und Schrift belehren wollend herum, was nur einen Schein von Wahrheit hat, in Wirklichkeit aber Irrlicht ist.
Nicht jeder sollte sich unterstehen, ein Lehrer zu sein und als Wahrheit auszugeben, was nur seine persönliche Meinung, nur sein individuelles Empfinden ist, - das, was bei den ersten Schritten auf dem Wege vielleicht in ihm wach geworden, als neues Evangelium seinen Mitmenschen zu verkünden, wenn auch in bester Absicht und in der Überzeugung, es stamme aus lauterer Quelle.
Es kann nicht genug vor solchen Frühgeburten gewarnt werden
und vor dem kritiklosen Annehmen aus den Händen solcher Autoritäten.
Mancher bedarf der Kindermilch, der starke Speisen noch nicht verdauen kann; unverdaulich zu sein für Kinder und Erwachsene ist aber das charakteristische Merkmal so vieler s.g. theosophischer Schriften, die gerade jetzt wie Pilze hervorschießen.
Hell dagegen leuchtet die Wahrheit aus manchen heiligen Büchern des Ostens, und wenn ich von diesen nur die Bhagavad-Gita und das Tao-te-King nenne, so thue ich es, weil Übersetzer gerade in diesen beiden Schriften so viel christliche Gedanken vorfanden, dass sie glaubten, die Entstehungszeit in eine nachchristliche Epoche versetzen zu müssen, in der Voraussetzung, dass es ein vorchristliches Christentum nicht geben könne. Wahrheit war zu allen Zeiten Wahrheit, und ein erlösendes Prinzip, ein Christusprinzip war zu allen Zeiten, wenn es auch erst durch den Mensch gewordenen Gott Allen zugänglich gemacht wurde.
Was Christus lehrte, ist nicht deshalb wahr, weil er es lehrte, sondern er lehrte es, weil es die Wahrheit ist, andern¬falls hätte die ewige Wahrheit einen zeitlichen Anfang.
Man tut aber nicht recht, wenn man, wie dies jetzt so oft geschieht, über dem, was aus dem Osten kommt, das vernachlässigt, was auf heimischem Boden erwuchs. Wer nicht nur mit dem Verstande zu lesen vermag, wird durch einen Gang zu unseren deutschen Mystikern des 14. Jahrhunderts herrlich belohnt werden. Es ist die schöne zarte Blume der mittelalterlichen Gottesminne, die sich da erschließt, und der Leser wird finden, dass darin, um mit J.V. Scheffel zu reden, „Von der Finsternis, die bekanntlich über dem ganzen Mittelalter lastete, im Einzelnen nichts wahrzunehmen ist“.
Das Mittelalter selber gewinnt aber auch erst unser Verständnis durch das, was es hervorgebracht, und seinen Geist vermag nur der zu verstehen, der den absolut mystischen Zug mittelalterlicher Kunst und Literatur erfasst hat.
Dort, im 14. Jahrhundert, lebte Ruysbroeck, und was er schrieb, steht in harmonischem Einklang mit dem was die Besten seiner Zeit auf künstlerischem Gebiet hervorbrachten, und ergänzt sich mit diesem zu einem lebendig er¬freulichen Bilde des Zeitalters, das man gedankenlos oder böswillig, jedenfalls mit Unrecht, ein dunkles nennt. An die Spitze seiner zahlreichen Schriften ist unbedingt
„Die Zierde der geistlichen Hochzeit“ zu stellen, die kunstreichste mystische Schrift der germanischen Mystik des Mittelalters, ein wahrhaft architektonisches Ge¬bäude.
„Siehe, der Bräutigam kommt, gehet aus, ihm entgegen!“ Dieser beliebte Text der Mystiker, über den auch Tauler seine berühmte Predigt gehalten, ist der Text dieser Schrift, in der jedes dieser vier Worte nach den Ständen des mystischen Lebens ausgelegt wird.
Das erste ist das Wort „Siehe“, worin Ruysbroeck die Bedingung der Mystik von Seiten des Subjektes in‘s Auge fasst, während er im zweiten Worte „Der Bräutigam kommt“ das Objekt hinstellt, den Gegenstand oder Vorwurf, wie er dem sehenden, sich hingebenden Subjekt entgegenkommt. „Gehe aus“ ist das dritte Wort, das die Tätigkeit des Subjektes in Bezug auf das Objekt besonders betrachtet, wie das vierte Wort „ihm entgegen“ das Objekt in seinem Zusammentreffen mit dem Subjekt. - Diese vier Momente betrachtet er nun im wirkenden (1. Buch), im innerlichen (2. Buch) und im schauenden Leben (3. Buch), so dass das Werk in diese drei Hauptteile, und jeder Hauptteil in die vier Unterabteilungen zerfällt. –
Читать дальше