Er trug selbst zuweilen Mist. Freilich war er bei seiner Einfalt den Brüdern oft mehr eine Last in diesen Arbeiten, als eine Förderung; im Garten z. B., wenn er das Unkraut ausjäten wollte, riß er oft die heilsamsten Kräuter aus.“
Er scheint darin eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Bruder Juniperus, dem Gefährten des Franziskus von Assisi, gehabt zu haben.
Also fast gleichzeitig mit Tauler (1290) und Seusse (1300). Im Kloster selbst muss es ein reiches (mystisches) Leben gewesen sein unter den Bewohnern, über welche der Geist Ruysbroeck‘s sich ausgegossen hatte, der oft bis tief in die Nacht hinein „von Gott und heiligen Dingen“ sprach.
Der Ruf von Ruysbroeck‘s heiligem Leben wie seine Schriften zogen von nah und fern Doktoren und andere Geistliche, Vornehme und Edle beiderlei Geschlechts nach Grunendal: sie kamen aus Flandern, Holland, den Rheingegenden (bis von Straßburg und Basel), aus Frankreich. Unstreitig die zwei berühmtesten und einfluss¬reichsten Persönlichkeiten von allen, die zu ihm kamen, waren Gerhard Groot und Tauler. Wenn Tauler den Ru¬ysbroeck als Geistesverwandter und Ebenbürtiger besuchte, so war offenbar das Verhältnis Groot‘s ein anderes. Nicht ein Mal, sondern oft, und nicht nur für Tage, mitunter 2 bis 3 Monate, zuweilen ein halbes Jahr soll er bei ihm verweilt haben. Wir dürfen daher wohl in Groot einen Schüler Ruysbroeck‘s sehen. Siebenundachtzig Jahre hatte Ruysbroeck zurückgelegt, seine Augen dunkelten, daß er die Hostie nicht mehr erkannte, und er fühlte seine Stunde gekommen.
Als sein Tod heranrückte dessen Tag und Stunde er, wie sein Biograph berichtet, lange vorher in einer Vision erfahren hatte, ließ er sich aus der Kammer der Vorsteher in die gemeine Krankenstube der Brüder tragen. Am 15. Tage, nachdem er sich gelegt, entschlief er in Gegenwart seiner Brüder „bei gesundem Verstand, mit glänzendem Antlitz, ohne die gemeinen Zufälle der Sterbenden“, im Jahre 1381, den 2. Dezember. Mit den oberdeutschen Mystikern, die damals sehr zahlreich waren, in einer Art von Verband standen und vorzugsweise Gottesfreunde hießen (Taul er, Seusse [Suso], Nikolaus v. Basel, Merswin, Heinrich v. Nördlingen), stand Ruysbroeck in regem Verkehr. Es ist nur aus gegenseitiger Lektüre zu erklären, da sich bei Tauler, Seusse und Rnysbroeck nicht nur einzelne Ausdrücke, sondern auch ganze Sätze finden, die fast wörtlich gleichlauten, ohne daß man sagen könnte, bei wem sie nur Reminiscenz seien, bei wem ursprünglich. Damit ist aber nicht gesagt, daß einer von dem anderen abhängig gewesen sei, daß nicht ein jeder dieser Männer seine ganz besondere Eigentümlichkeit gehabt habe. Wie Seusse mehr poetisch, Tauler mehr praktisch auf das Volk wirkend, so ist Ruysbroeck kontemplativ.
Seine Kontemplation erhebt ihre Schwingen in die höchsten Sphären, wohin man ihr kaum folgen kann. Es ist aber gerade dieses eine Eigentümlichkeit Ruysbroeck‘s, daß er die Mystik bis zu ihrem letzten Stadium führte, wo das Menschenleben zu einem göttlich-menschlichen Leben wird. Dieses Gebiet wurde von anderen Mystikern nur mit einer gewissen zarten und ehrfurchtsvollen Scheu angedeutet, Huysbroeck aber müht sich ab, seinen inneren Erlebnissen in diesem höchsten, mysteriösesten Gebiet Worte zu verleihen, das Unsagbare zu sagen, und sein Bemühen gleicht da, wie Maeterlinck sagt:
„au vol convulsif d‘un aigle ivre, aveugle et ensanglanté au-dessus de cimes neigeuses.“
In dem dritten Buche der „geistlichen Hochzeit“, von dem hier die Rede ist, finden sich denn auch einige Sätze, welche der scharfen Kritik des Kanzlers der Pariser Universität, Gerson, Veranlassung zu Tadel boten. Doch ist zu bemerken, daß diesem Censor nur eine lateinische Übersetzung vorlag, welche die angegriffenen Stellen anstößi¬ger erscheinen läßt, als sie im vlämischen Texte lauten, und daß auch die Kritik keine sachlichen Verstöße fand, sondern sich nur auf die Ausdrucksweise erstreckte. Grade die Irrtümer aber, zu denen, nach Gerson‘s Ansicht, der sprachliche Ausdruck Ruysbroeck‘s hätte führen können, sind es, welche Ruysbroeck fortwährend in seinen Schriften auf das Heftigste bekämpft.
Gegen die ketzerische Mystik seiner Zeit, die zahlreiche Sekten hatte, unter denen besonders die Brüder und Schwestern vom freien Geist und die Begharden zu erwähnen sein dürften, wandte sich Ruysbroeck mit allem Ei¬fer, und es ist hauptsächlich die falsche Selbstvergötterung an Stelle der wahren mystischen Union mit Gott und der falsche Quietismus, die „natürliche Ledigkeit“, gegen welche er am eindringlichsten schreibt. So eingehend er aber die Systeme der Aftermystik darstellt, so wenig geht er dabei historisch zu Werke, so daß man nicht erfährt, welche Sekten es sind, die er meint, oder welche geschichtlichen Thatsachen seinen Ausführungen entsprechen.
Auch gegen die Ausartung einer habsüchtigen, herrschsüchtigen und schwelgerischen Weltgeistlichkeit führt er bittere Klage und geißelt mit heftigen Worten und heiligem Eifer die Lockerung der Disziplin und den Verfall der Sitten in den Klöstern. Es zeigt sich in diesen argen Missständen der dunkle Schatten in dem Leben der mittelalterlichen Religiösen, der eben auch zur Signatur seiner Zeit gehört zu dem scharf ausgesprochenen Gegensatz von Licht und Finsternis, der erst später zusammenfloss und sich in das eintönige Grau verdichtete, in welchem der Stumpfsinn neben dem Pharisäertum vegetiert.
Der Prophet Samuel beweinte den König Saul, obschon er wußte, daß Gott ihn verschmäht und verworfen hatte, ihn und die Zeit seines Königtums in Israel. Das war wegen seiner Hoffart, und weil er Gott ungehorsam war und jenem Propheten an Gottes statt.
- Man liest aber auch in den Evangelien, dass die Jünger den Herrn baten für das heidnische Weib aus Kanaan, dass er sie entließe, d. h. dass er ihr Begehren erfülle, weil sie nach ihm rief. - So möchte auch ich sagen, dass wir alle die betrogenen Menschen beweinen müssen, die sich einbilden Könige zu sein in Israel, weil es ihnen dünkt, sie seien über andere gute Menschen erhaben durch ein hohes schauendes Leben, und die dabei doch hoffärtig sind und mit Wissen und Willen Gott, dem Gesetz, der heiligen Kirche, und allen Tugenden ungehorsam sind.
Und so wie Saul den Mantel des Propheten Samuel abriss, so bemühen sie sich, die Einheit des christlichen Glaubens, aller wahrhaften Lehren und tugendhaften Lebens zu zerreißen. Verharren sie dabei, so werden sie geschieden und ausgeschlossen von dem Reich des ewigen Schauens, gerade so wie Saul vom Reiche Israel. Das demütige Weiblein von Kanaan aber, obschon sie eine Heidin und Fremde war, glaubte und hoffte auf Gott, bekannte und beichtete seine Kleinheit vor Christus und seinen Aposteln: und deshalb empfing sie Gnade, Gesundheit, und was sie begehrte. Denn den Demütigen erhebt Gott und erfüllt ihn mit allen Tugenden; und dem Hoffärtigen steht Gott entgegen, und ein solcher bleibt leer von allem Guten.
Kurze Wiederholung der höchsten Lehren.
Seht, ich habe also gesagt: daß der schauende Liebhaber Gottes mit Gott vereinigt sei durch Mittel, und auch ohne Mittel, und drittens ohne Differenz oder Unterschied. Und das finde ich in der Natur, in der Gnade, und auch in der Glorie. Ich habe ferner gesagt, dass keine Kreatur so heilig sein und werden könne, dass sie ihre Geschaffenheit verlöre und Gott würde. Auch die Seele unseres Herrn Jesus Christus wird ewig Kreatur bleiben und ein ande¬res als Gott. Nichts desto weniger müssen wir alle über uns selbst in Gott erhoben sein und ein Geist mit Gott in Minne, wenn wir selig sein sollen. Merkt euch darum meine Worte und meine Meinung und verstehet recht wohl, wie die Weise und der Zugang zu unserer ewigen Seligkeit ist.
Einigung durch Mittel.
Ich sage nun zunächst, dass alle guten Menschen mit Gott durch Mittel vereint sind. Dieses Mittel ist die Gnade Gottes und die Sakramente der heiligen Kirche, die göttlichen Tugenden, Glaube Hoffnung und Liebe, und ein tugendhaftes Leben gemäß den Geboten Gottes; dazu gehört, dass man den Sünden und der Welt absterbe, wie auch aller ungeordneten Lust der Natur. Dadurch bleiben wir der heiligen Kirche, d. i. allen guten Menschen vereint, und mit diesen sind wir Gott gehorsam und eines Willens mit ihm, gleichsam wie ein richtiges Kloster mit seinem Vorsteher vereint ist. Ohne diese Vereinigung aber kann niemand Gott wohlgefallen, noch erhalten bleiben. Wer diese Einigung durch die genannten Mittel bis zum Ende seines Lebens behält, von dem spricht Christus im Evangelium Johannis zu seinem himmlischen Vater: „Vater, das ist mein Verlangen, dass wo ich bin auch mein Diener sei, damit er sehen möge die Herrlichkeit, die du mir gegeben.“ Und an einer anderen Stelle sagt er, dass seine Diener sitzen sollen bei dem Gastmahl (d. h. im Reichtum und der Fülle der Tugenden, die sie gewirkt haben), und er werde von einem zum anderen gehen und sie bedienen mit seiner Glorie, die er errungen hat. Die Glorie wird er freiwillig allen seinen Lieben schenken und offenbaren, und jedem einzelnen besonders (mehr oder weniger, je nachdem er dessen würdig ist und es fassen kann) die Erhabenheit seiner Glorie und seiner Ehre, die er allein durch das Verdienst seines Lebens und seines Todes verdient hat.
Читать дальше