Who is who in diesem Lied? Bewusst legt es sich nicht fest. Das Wortlicht kommt in die universal gedachte Menschenwelt; konkret ist es jedoch Gottes Eigentumsvolk, Israel, zu dem das Wortlicht immer wieder in den Propheten und auf vielerlei Weise kam, und wo es nicht erkannt wurde. Aufnahme und Ablehnung geschehen immer konkret in der Geschichte, und letztlich im Herzen jedes einzelnen Menschen. Das Johannesevangelium wird viele Menschen zeigen, in denen dieses Drama stattfindet. Manche gehören zum Eigentumsvolk Israel, andere nicht. Die Frage, warum Gottes Volk das Fleisch gewordene Wort nicht aufgenommen hat, kann das Johannesevangelium nicht beantworten. Vielleicht war die Verstörung, der Schmerz oder auch der Zorn darüber noch zu groß. Das Evangelium will an dieser Stelle sicher keine negative Aussage über Israel als Ganzes treffen; ein letzter Verdacht von latentem Antijudaismus lässt sich dennoch nicht ausräumen. Heute muss ein/e Leser(in) umso mehr verstehen, dass „die Welt“ universal zu verstehen ist – das Wort kam zu allen Menschen – und gleichzeitig ganz konkret: Jeder Mensch ist „Eigentum“ Gottes, Ort des Kampfes um Annahme und Ablehnung des Lichts, Ort der erlösenden Begegnung mit dem Wort im (eigenen) Fleisch.
Christian Heß | Freiburg i. Br.
geb. 1975, Dr. theol., Regens des Erzbischöflichen
Priesterseminars Collegium Borromaeum der Erzdiözese
Freiburg, Mitglied der Priestergemeinschaft
Jesus-Caritas
christian.hess@cb-freiburg.de
„Ohne Christus ist Krieg“
Mystik und Politik bei Max Josef Metzger (1887–1944)
Frère Roger Schutz (1915–2005) hat mehrfach „Kampf und Kontemplation“ als die beiden Pfeiler seines Engagements bezeichnet. Wer den friedfertigen Gründer der Gemeinschaft von Taizé und dessen Lebenswerk kennt, weiß, dass dieser Kampf ohne den Einsatz von Waffen geführt wurde. Vielmehr ging es Frère Roger darum, eine Spiritualität zu leben, die Gebet (Kontemplation) und gesellschaftliches Engagement (Kampf) in eine fruchtbare Balance brachte. Mystik und Politik können sich nicht nur ergänzen. Sie sind vielmehr aufeinander verwiesen. Im Geburtsjahr Frère Rogers – mitten im I. Weltkrieg – machte sich ein anderer Geistlicher auf den Weg, um sich in einer kreativen Verbindung von Mystik und Politik in den Dienst des Friedens zu stellen. Die folgenden Überlegungen führen hinein in die ungewöhnliche Lebensgeschichte Max Josef Metzgers (1887–1944). 1
Ein Leben im Dienst des Friedens
Max Josef Metzger war Priester der Erzdiözese Freiburg, übte seinen Dienst aber überwiegend außerhalb seines Heimatbistums aus. Als katholischer Geistlicher war er Teil der kirchlichen Hierarchie und befand sich doch oft im Konflikt mit ihr. In einem Anflug patriotischer Begeisterung, der ihn mit vielen seiner Zeitgenossen verband, diente er freiwillig als Militärgeistlicher im I. WK, wandte sich aber später als überzeugter Pazifist gegen den Kriegsdienst. In einer Zeit, in der ökumenische Bemühungen innerhalb der katholischen Kirche noch alles andere als mehrheitsfähig waren, setzte er sich für die Versöhnung zwischen den christlichen Konfessionen ein. Walter Baumeister, ein Weggefährte und Mitarbeiter Metzgers, wusste um dessen weit gefächerte Arbeitsbereiche und um die damit verbundene Schwierigkeit, sein Wirken in bestimmte Kategorien einzuordnen: „Allgemein gesprochen, kennzeichnet ihn [Metzger; CH] zunächst eine geradezu phantastische Universalität in allen Dingen des Lebens und der Wissenschaft. Es war fast beängstigend, alle die Betätigungen zu erleben, die er im Laufe seiner priesterlichen Tätigkeit ausübte. Er war Lehrer, Prediger, Organist, Komponist, Schriftsteller, Verleger, Organisator und tausend anderes zu gleicher Zeit.“ 2Metzger war sich bewusst, dass die Vielfalt seiner Tätigkeiten für ihn selbst und seine Mitmenschen eine große Herausforderung darstellten. Diese Vielfalt korrespondierte mit seinem Lebenslauf, der von den Weltereignissen seiner Zeit ebenso geprägt war wie von seinen persönlichen Begabungen und Interessen.
Max Josef Metzger wurde 1887 im badischen Schopfheim geboren. Nach seinem Theologiestudium in Freiburg und im schweizerischen Fribourg sowie einer abgeschlossenen Promotion im Fach Kirchengeschichte wurde er 1911 zum Priester geweiht. 1914 meldete er sich bei Kriegsausbruch freiwillig zum Dienst als Feldgeistlicher an die Front, wurde aber bereits ein Jahr später nach einer schweren Erkrankung aus dem Militärdienst entlassen. Metzger ging noch im selben Jahr nach Graz und entfaltete dort ein reges soziales und publizistisches Engagement im Dienste des Friedens und der Völkerverständigung.
Während des I. WK gelangte Metzger zu einer Überzeugung, die prägnant zum Ausdruck bringt, auf wen er bei der Lösung der sozialen, politischen und religiösen Probleme seiner Zeit setzte: „Ohne Christus, ohne tiefstes Christentum ist Krieg.“ 3Im Ernstnehmen des Christusglaubens in allen Bereichen des Lebens sah er Befriedungs- und Heilungspotenziale für die ganze Gesellschaft.
1919 war er an der Gründung des „Friedensbundes deutscher Katholiken“ beteiligt und nahm an verschiedenen europäischen Friedenstreffen teil. Am Herz-Jesu-Fest desselben Jahres gründete er die „Missionsgesellschaft vom Weißen Kreuz“, die sich der Verkündigung des Evangeliums widmete. Metzger hatte im Einsatz als Seelsorger in den Schützengräben erlebt, wie sich Christen aus verschiedenen Nationen und Konfessionen gegenseitig umbrachten. Zur Friedensarbeit kamen so folgerichtig auch Aktivitäten im ökumenischen Bereich, mit denen er 1923 begann. 1928 verlegte er den Hauptsitz seiner inzwischen „Christkönigsgesellschaft“ genannten Gemeinschaft nach Meitingen bei Augsburg. Seine regimekritische Haltung brachte ihn ab 1933 in Konflikt mit den Nationalsozialisten. Mehrere Verhaftungen waren die Folge. 1938/39 gründete Metzger die Bruderschaft Una Sancta, die Christinnen und Christen aus dem ganzen damaligen Deutschen Reich in ökumenischen Gebeten und Gesprächsrunden zusammenführte. Ein Jahr vor seinem Tod schrieb er in einem Brief an die Schwestern seiner Christkönigsgesellschaft: „Spätere Zeiten werden mich besser verstehen; es war ja immer mein Verhängnis, daß ich der Zeit etwas voraus war und daher nicht verstanden werden konnte. Es kann aber niemand seinen Auftrag verleugnen.“ 4Für diesen Auftrag, den Metzger für sich erkannt hatte, riskierte er viel. Ein von ihm verfasstes Memorandum, in dem er die demokratische Zukunft Deutschlands in einem geeinten Europa voraussah, geriet in die Hände der Gestapo. Nachdem er wegen „Hochverrats und Feindbegünstigung“ vom Volksgerichtshof unter der Leitung des berüchtigten NS-Richters Roland Freisler zum Tode verurteilt worden war, wurde er am 17. April 1944 in Brandenburg-Görden mit dem Fallbeil hingerichtet. Seinen gewaltsamen Tod, den er schon seit längerem vorhergesehen hatte, deutete er in mehreren Schriften als Opfer „für den Frieden der Welt und die Einheit der Kirche“. 2006 wurde in seiner Heimatdiözese Freiburg der Seligsprechungsprozess eröffnet, der nach dem Abschluss auf diözesaner Ebene im Jahr 2014 nun von der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse im Vatikan fortgeführt wird.
Metzger vertrat in seinem Wirken eine konsequent christozentrische Sicht. Bereits nach dem Ende des I. WK und somit einige Jahre vor der Einführung des Christkönigsfestes (1925) stellte er die „Missionsgesellschaft vom Weißen Kreuz“ unter ein Leitwort, das sich an 1 Kor 15,25 anlehnt: „Christus muss König sein.“ Nach der Einführung des Christkönigsfestes wurde diese Gemeinschaft 1927 in „Christkönigsgesellschaft“ umbenannt. Dies war ein in Deutschland einmaliger Schritt. Metzger nahm in den 30er Jahren aktiv an den in verschiedenen europäischen Ländern stattfindenden Christkönigs-Weltkongressen teil und gab der offiziellen Zeitschrift der Gemeinschaft den Namen „Christkönigsbote“. Als sein geistliches Vermächtnis schrieb er in der Todeszelle in Brandenburg-Görden eine „Theologische Abhandlung über das Königtum Christi“.
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