Geist und Leben 4/2015

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Nicht nur der Abschluss des «Jahres der Orden» gibt Anlass für Artikel von Autor(inn)en aus unterschiedlichen monastischen Familien: So macht sich Edith Kürpick FMJ «Gedanken zur Keuschheit», Mirjam Schambeck sf schreibt über «Ordensleben zwischen Sesshaftigkeit und Ausschauhalten» und Frère Richard reflektiert 75 Jahre nach deren Gründung über die Gemeinschaft von Taizé und einen Ausspruch ihres Gründers Roger Schutz. Ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod begibt sich Ursula Baatz auf die Spuren des Jesuiten und Zen-Lehrers Hugo M. Enomiya-Lassalle und Dominik Terstriep SJ lädt zur Wieder(entdeckung) des Mystikers Ägid van Broeckhoven SJ ein. Dass Orden längst auch virtuell tätig sind, zeigt die Umschau von Thomas Neulinger SJ zu «Ignatianischer Spiritualität im Web».
Merkmale anglikanischer Spiritualität stellt Annegret Lingenberg anhand einer Biographie des «Book of Common Prayer» vor. Alexander Jaklitsch erzählt in der Jungen Theologie Witze und zeigt, wie Humor zur postmodernen Mystagogie werden kann.
Im Gedenken an dessen Ermordung vor 70 Jahren untersucht Gunter Prüller-Jagenteufel «Die Brautbriefe Dietrich Bonhoeffers». Vom Abschiednehmen handelt auch das Buch «Gott braucht dich nicht» der jungen Autorin Esther Maria Magnis, das Joachim Negel ausführlich vorstellt.
Josef Thorer SJ berichtet über das 2. Symposium Kontemplation, das im Mai diesen Jahres in Wien stattgefunden hat. Christoph Böhr stellt einen Essay des italienischen Philosophen Giorgio Agamben vor.
Zum nahenden Weihnachtsfest erhellt Josef Pichler die historischen Hintergründe der lukanischen Geburtserzählung. In der Lektüre bringen wir diesmal eine erstmals von Thomas Fries ins Deutsche übersetzte Predigt des seliggesprochenen Erzbischofs Oscar Romero von Weihnachten 1979.

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Inhalt

Heft 4 | Oktober–Dezember 2015

Jahrgang 88 | Nr. 477

Notiz Notiz N Bernhard Körner | Graz geb. 1949, Priester, Professor für Dogmatik an der Universität Graz, Beiratsmitglied von GEIST & LEBEN bernhard.koerner@uni-graz.at

Mitten im Leben

Bernhard Körner

Nachfolge

Heimliches Feuer unter der Asche. Gedanken zur Keuschheit

Edith Kürpick FMJ

Von Siedlern und Suchern. Ordensleben zwischen Sesshaftigkeit und Ausschauhalten

Mirjam Schambeck sf

Gott alles in allem. Der Mystiker Ägid van Broeckhoven

Dominik Terstriep SJ

Nachfolge | Kirche

Anglikanische Spiritualität. Annäherung anhand einer Biographie des „Book of Common Prayer“

Annegret Lingenberg

Kein Geheimnis von Taizé

Frère Richard

Nachfolge | Junge Theologie

Heiterer Aufbruch des Geistes. Humor als postmoderne Mystagogie

Alexander Jaklitsch

Reflexion

Die Brautbriefe Dietrich Bonhoeffers. Zeugnis einer Spiritualität in Liebe und Abschied

Gunter Prüller-Jagenteufel

Friede als Weihnachtsgabe. Die Geburtserzählung im Lukasevangelium

Josef Pichler

Nicht nur Meditationsschemel. Das Erbe des Jesuiten und Zen-Lehrers Hugo M. Enomiya-Lassalle

Ursula Baatz

Bild und Bildlosigkeit. 2. Symposium Kontemplation

Josef Thorer SJ

Lektüre

Versehrender Segen. Zu Esther Maria Magnis’ Buch „Gott braucht dich nicht“

Joachim Negel

„Endlich ist die Stunde da“. Predigt zur Weihnachtsvigil am 24. Dezember 1979

Oscar Romero

Ende der Zeiten - Zeit des Endes. Giorgio Agamben über das „Mysterium iniquitatis“

Christoph Böhr

Ignatianische Spiritualität im Web. Eine Umschau

Thomas Neulinger SJ

Buchbesprechungen

Impressum

GEIST & LEBEN – Zeitschrift für christliche Spiritualität. Begründet 1926 als Zeitschrift für Aszese und Mystik

Erscheinungsweise: vierteljährlich

ISSN 0016–5921

Herausgeber:

Deutsche Provinz der Jesuiten

Redaktion:

Christoph Benke (Chefredakteur)

Anna Albinus (Lektorats-/Redaktionsassistenz; Satz)

Redaktionsbeirat:

Bernhard Bürgler SJ/Wien, Margareta Gruber OSF/Vallendar, Stefan Kiechle SJ/München, Bernhard Körner/Graz, Simon Peng-Keller/Zürich, Klaus Vechtel SJ/Frankfurt, Saskia Wendel/Köln

Redaktionsanschrift:

Pramergasse 9, A–1090 Wien

Tel. +43–(0)1–310 38 43–111/112,

redaktion@geistundleben.de

Artikelangebote an die Redaktion sind willkommen. Informationen zur Abfassung von Beiträgen unter www.geistundleben.de. Alles Übrige, inkl. Bestellungen, geht an den Verlag. Nachdruck nur mit besonderer Erlaubnis. Werden Texte zugesandt, die bereits andernorts, insbesondere im Internet, veröffentlicht wurden, ist dies unaufgefordert mitzuteilen. Redaktionelle Kürzungen und Änderungen vorbehalten. Der Inhalt der Beiträge stimmt nicht in jedem Fall mit der Meinung der Schriftleitung überein.

Für Abonnent(inn)en steht GuL im Online-Archiv als elektronische Ressource kostenfrei zur Verfügung. Registrierung auf www.geistundleben.de.

Verlag:Echter Verlag GmbH,

Dominikanerplatz 8, D–97070 Würzburg

Tel. +49 (0)931–660 68–0, Fax +49 (0)931–660 68–23

info@echter.de, www.echter-verlag.de

Visuelle Konzeption:Atelier Renate Stockreiter

Druck und Bindung:Friedrich Pustet, Regensburg

Bezugspreis:Einzelheft € 11,80 (D) / € 12,20 (A)

Jahresabonnement € 39,00 (D) / € 40,10 (A)

Studierendenabonnement € 25,80 (D) / € 26,50 (A)

jeweils zzgl. Versandkosten

Digitales Abonnement und weitere Angebote unter www.geistundleben.de

Vertrieb:Zu beziehen durch alle Buchhandlungen oder direkt beim Verlag. Abonnementskündigungen sind nur zum Ende des jeweiligen Jahrgangs möglich.

Auslieferung:Brockhaus Kommissionsgeschäft GmbH, Kreidlerstraße 9, D–70806 Kornwestheim

Auslieferung für die Schweiz:AVA Verlagsauslieferung AG, Centralweg 16, CH–8910 Affoltern am Alibs

Auslieferung für Österreich:Buchzentrale GmbH, Kapitelplatz 6, A–5010 Salzburg

Diesem Heft liegen folgende Prospekte bei:

topos taschenbücher Verzeichnis 2015/2016, Verlag Topos plus; Zeitschrift für katholische Theologie, Echter Verlag. Wir bitten um Beachtung.

Notiz

N

Bernhard Körner |Graz

geb. 1949, Priester, Professor für Dogmatik an der Universität Graz, Beiratsmitglied von GEIST & LEBEN

bernhard.koerner@uni-graz.at

Mitten im Leben

„Gott ist mitten in unserem Leben jenseitig.“ Ein bekanntes Wort aus Widerstand und Ergebung und eine gute Gelegenheit, sich siebzig Jahre nach seiner Hinrichtung an Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) zu erinnern. Die Gedanken gehen nicht nur zurück zu einem Theologen, der seine große Zeit wohl noch vor sich gehabt hätte. Sie treffen auch auf einen, dessen gläubig theologisches Denken durch das Feuer eines unmenschlichen Regimes und eines mörderischen Krieges geläutert worden ist. Wer solches Grauen wach und wohl auch mit Angst erlebt, dem kommen keine leichtfertig hingesagten frommen Phrasen über die Lippen. Und so mag damals Gott – so die Vermutung eines Nachgeborenen – mit einer Formulierung Karl Barths gesprochen, als der „ganz andere“ erfahren worden sein.

Aber die Erfahrung und die Formulierung Bonhoeffers sind paradoxer und facettenreicher. Gott ist nicht nur der ganz andere, der anscheinend Ferne, er ist auch eine Wirklichkeit mitten in Bonhoeffers Leben – mitten in Krieg und Terror, mitten im Widerstand, im Gefängnis, unter dem Galgen. Gott ist da. Gegenwärtig durch Jesus Christus. Und zugleich ist er unfassbar. Jenseitig. Er entzieht sich dem erkennenden und verstehenden Zugriff. Mitten im Leben ist Gott keine Wirklichkeit dieses Lebens, sondern – „mitten in unserem Leben jenseitig“.

Dieser Jenseitigkeit Gottes mitten im Leben gilt es – auch 70 Jahre später – theologisch gerecht zu werden und geistlich standzuhalten. Und da lohnt es sich, ein frühes Werk von Hans Urs von Balthasar in Erinnerung zu rufen. In seinem 1956 erschienenen (und jüngst neu aufgelegten) Buch Die Gottesfrage des heutigen Menschen hat er die neuzeitliche Entwicklung nachgezeichnet, die zu einer immer ausgeprägteren Erfahrung der Jenseitigkeit Gottes geführt hat. Sie ist für Balthasar nicht in erster Linie Folge der Ablehnung Gottes (das auch), sondern Ergebnis der inneren Logik der abendländischen Geistesgeschichte, die nicht zuletzt durch das Christentum geprägt worden sei. Am Ende der Entwicklung stehe als einzige Absolutheit die „zu Gott hin offenbleibende Frage, unter die sich alle übrigen Normen und Sätze einer natürlichen Religion subsumieren lassen müssen“. Die Beziehung zu Gott ist nicht zuerst in einer definitiven Erkenntnis fassbar, sondern in der Frage nach ihm. Für die katholische Kirche mit ihrem Anspruch und ihren dezidierten Aussagen zu Glaube und Moral werde das zunehmend zur Herausforderung. Aber sie könne nicht anders, sie müsse der Einsicht entsprechen, dass Jesus Christus als der Gottmensch die genaue Verwirklichung dessen ist, „was auf Grund der Menschheitsfrage von Gottes freier Gnade und Barmherzigkeit abschließend erwartet werden durfte.“

Also auch bei Balthasar: Gottes unfassbare Nähe und seine ebenso unfassbare Jenseitigkeit. Vielleicht sind damit die beiden Koordinaten benannt, die auch für eine heutige Gotteserfahrung gelten, Orientierung geben können, zu schaffen machen und ernst genommen werden müssen. Denn beides ist möglich: Man sucht nach der Nähe Gottes und verliert sich in der Erfahrung des Unfassbaren. Und umgekehrt: Man steht im Bann der Größe Gottes und übersieht seine unfassbare Nähe. Aber beides muss zur Geltung kommen – um Gottes und des Menschen willen.

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