„Die Arbeit am ZAP hat zum Ziel, (a) explizite vertraglich festgelegte und wechselseitig finanzierte Kooperationsprojekte mit kirchlichen Entscheidern zu realisieren, die (b) zu bestimmten Beratungen, Innovationen und Interventionen im kirchlichen ‚Betrieb’ führen und die (c) generell auf einer Verbesserung und Optimierung kirchlicher Organisation abzielen.“ 29
Das Wissenschaftskonzept des ZAP setzt sich offensiv mit den Strömungen in der praktischen Theologie auseinander, die im direkten Praxiskontakt – insbesondere mit Aggregaten des Katholischen in Gestalt von Diözesen – die Gefahr des Rückfalls in eine „Ancilla-Mentalität“ sehen und um die kritische Potenz der Volk-Gottes-Ekklesiologie gegenüber kirchlichen Institutionen fürchten. Gestützt auf den amerikanischen Pragmatismus, maßgeblich in Gestalt von Charles S. Peirce, plädiert Sellmann demgegenüber für problemlösende Interaktionen zwischen Theoretikern und Praktikern, zwischen Wissenschaft und kirchlicher (Macht-)Realität. Summarisch hält er fest:
„Der Gegenstand einer angewandten Pastoraltheologie Bochumer Prägung ist die wissenschaftlich reflektierte und initiativ getestete Frage nach den durchsetzungsstärksten Bedingungen der Möglichkeit, Christentum kulturell und strukturell antreffbar machen zu können; ihr Materialobjekt ist die ‚erfolgreiche’ Organisation des Christseins durch kirchliche Vollzüge.“ 30
Der Autor dieses Beitrags muss sich natürlich in seiner Rolle als Kunde des ZAP zunächst einmal für befangen erklären. Als in einer pastoralentwicklerischen Funktion einer Diözese tätiger Pastoraltheologe kann er jedoch seine Sympathien für diesen wissenschaftstheoretischen Ansatz nicht verhehlen. Auch wenn er es so wahrnimmt, dass die „wissenschaftliche Reflexion durch die vitale intensive und berührungsangstfreie Kooperation mit entscheidungsmächtigen Akteuren ihre Unabhängigkeit“ 31im besprochenen Projekt nicht verloren hat, möchte er das endgültige Urteil darüber doch Außenstehenden überlassen.
4. HERAUSFORDERUNGEN
Nach drei Jahren Projektstatus geht es nun um die Überführung von „Verantwortung teilen“ in die ausschließliche diözesane Zuständigkeit. Insofern gibt es eine Fülle konkreter Herausforderungen: die Gestaltung eines attraktiven bedarfsorientierten dritten Bildungsprogramms; die Intensivierung des „Kundenkontakts“, d. h. das Werben für ein Sich-Einlassen auf die Projektangebote in den pastoralen Räumen und bei relevanten Akteuren sowohl aus dem freiwilligen Engagement als auch dem beruflichen Feld; die weitere Sicherung der finanziellen Mittel zur Durchführung der Maßnahmen und vieles mehr.
Entscheidend wird jedoch sein, ob es gelingt, der Vision einer entschieden synodalen Kirche zum Durchbruch zu verhelfen; ob es gelingt, verschiedene Habitus miteinander in einen wechselseitig kritischen Dialog zu bringen; ob es gelingt, Kirche neu auszubalancieren, ohne dass sich einige nur als Verlierer fühlen. In seiner Ansprache zum 50jährigen Jubiläum der Bischofssynode im Herbst 2015 führte Papst Franziskus programmatisch zur Synodalität aus, es gebe einen Glaubenssinn der Gläubigen, der „verhindert streng, zwischen Ekklesia docens und Ekklesia discens zu unterscheiden, zumal auch die Herde über eine eigene ‚Witterung‘ verfügt, um die neuen Wege zu unterscheiden, die der Herr der Kirche auftut“ 32. Der Papst bezeichnet den Weg der Synodalität als den, der von der Kirche dieses 3. Jahrtausends verlangt wird und er betont:
„Wenn wir verstehen, dass, wie der heilige Johannes Chrysostomos sagt, ‚Kirche und Synode Synonyme sind‘ (Explicatio in Ps 149, PG 55, 493) – weil die Kirche nichts anderes ist als das ‚gemeinsame Gehen‘ der Herde Gottes auf den Wegen der Geschichte Christus dem Herrn entgegen – dann verstehen wir auch, dass in ihrem Inneren niemand über die anderen ‚erhoben‘ sein kann.“ 33
Es ist nicht sehr gewagt, die Synodalität zum Testfall der Zukunftsfähigkeit der Katholischen Kirche in unseren Breiten zu erklären. Auch die Trierer Diözesansynode scheint das so zu sehen, wenn sie als einen von vier fundamentalen „Perspektivwechseln“ in ihrem Abschlussdokument formuliert: „Das synodale Prinzip bistumsweit leben.“ 34Dazu müssen sich Viele an vielen Orten bewegen. Auf das Projekt bezogen heißt die Herausforderung, die Hermeneutiken und Praxen derer, die primär vom freiwilligen Engagement her denken und agieren und derer, die zunächst eine Verantwortung für das pastorale Personal haben, noch intensiver miteinander zu verschränken. In der Folge wären die Felder gemeinschaftlichen Lernens weiter auszuloten.
Die ganze Herausforderung wird für das Bistum Aachen nur zu bewältigen sein, wenn sie auch mit ihrer spirituellen Sprengkraft zugelassen wird. Auch für das Wegstück „Verantwortung teilen“ gilt, was zu Beginn des bis heute andauernden „Prozesses Weggemeinschaft“ der damalige Bischof Klaus Hemmerle sich und allen mit auf den Weg gegeben hat:
„Die Methode des Prozesses Weggemeinschaft ist bestimmt vom anderen Stil des Evangeliums. Nicht nur das Was, sondern auch das Wie dieses Prozesses nimmt Maß am Evangelium. Bloßes ‚Durchdrücken’ der eigenen Vorstellungen und Meinungen widerspräche diesem Ansatz. Die Torheit und Ohnmacht des Kreuzes, das ‚ Sein wie die Kinder‘ sind entscheidend für die Alternative des Evangeliums, um die es uns geht.“ 35
1Vgl. HEMMERLE, Klaus: Fastenhirtenbrief 1989, in: Kirchlicher Anzeiger für die Diözese Aachen 59 (1/ 1989), S. 1-3.
2Vgl. HILBERATH, Bernd Jochen (Hg.): Communio – Ideal oder Zerrbild von Kommunikation, Freiburg/Br. 1999. Vgl. auch FUCHS, Ottmar: Kirche, in: Herbert HASLINGER u. a. (Hg.): Handbuch Praktische Theologie, Bd. 1 Grundlegungen, Mainz 1999, S. 363-375.
3Vgl. NITSCHE, Bernhard: Die Analogie zwischen dem trinitarischen Gottesbild und der communialen Struktur von Kirche, in: HILBERATH (Hg.), Communio, S. 81-114.
4HEMMERLE, Klaus: Communio als Denk- und Lebensweise, in: Günther BIEMER u. a. (Hg.): Gemeinsam Kirche sein. Theorie und Praxis der Communio [FS für Erzbischof Dr. O. Saier], Freiburg/Br. 1992, S. 77-89, hier S. 88.
5Ebd.
6Ebd. S. 87.
7HILBERATH, Bernd-Jochen: Kontinuität oder Bruch? Für eine angemessene Hermeneutik des Zweiten Vatikanischen Konzils, in: Herder Korrespondenz spezial (2012/ 2), S. 5-9, hier S. 7.
8Vgl. POTT Martin: „Liquid church“ – und Partizipation in Kirche und Gemeinde, in: PThI 34 (2/ 2014), S. 57-68.
9Vgl. BISTUM AACHEN (Hg.): Berufen zur Verantwortung. Richtlinien zu besonderen Leitungsformen in Pfarreien und Gemeinden des Bistums Aachen, Juni 2014. Abrufbar unter: www.pastoral-entwickeln.de, Stichwort „Leiten“.
10Vgl. BISTUM AACHEN (Hg.): Leitlinien der Pastoral in den Gemeinschaften der Gemeinde des Bistums Aachen, 2011. Abrufbar unter: www.pastoralentwickeln.de[Zugriff: 26.4.2016].
11Vgl. BISTUM AACHEN (Hg.): Satzung für den Rat der Gemeinschaft der Gemeinden (GdG-Rat), 2013. Abrufbar unter: http://gemeindearbeit.kibac.de/medien/bb1be98f-a608-45c7-8f10-861d4f65bfd4/1.broschuere-satzung.web.pdf[Zugriff: 26.4.2016].
12Vgl. BAUER, Christian: Gott außerhalb der Pfarrgemeinde entdecken, in: Matthias SELLMANN (Hg.): Gemeinde ohne Zukunft? Theologische Debatte und praktische Modelle, Freiburg/Br. 2013, S. 349-371, hier S. 352; KATHOLISCHE ARBEITSSTELLE FÜR MISSIONARISCHE PASTORAL (Hg.): Nähe und Weite statt Enge und Ferne. Zu den Chancen großer pastoraler Räume für eine missionarische Pastoral, Erfurt 2015.
13MUSSINGHOFF, Heinrich: Kirche in der Welt von heute werden – Kirche am Ort sein. Vortrag bei drei Treffen mit den Priestern, Diakonen, Pastoralreferenten/-innen und Gemeindereferenten/-innen, März – Mai 2011, S. 12. S. 14-15. Abrufbar unter: http://pastoralentwicklung.kibac.de/aktuelles/[Zugriff: 26.4.2016].
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