Die Länge der Periode, die bei der Ermittlung der Betriebsmittelrücklage zu Grunde zu legen ist, ist nicht eindeutig geklärt. Die Finanzverwaltung stellt prinzipiell auf die Verhältnisse eines jeden Einzelfalles ab, wobei die Zeitspanne aber höchstens ein Geschäftsjahr umfassen können soll. 508 Ein längerer Zeitraum als ein Jahr sollte deshalb nicht für die Bildung der Betriebsmittelrücklage zu Grunde gelegt werden, es sei denn, in einem besonderen Einzelfall könnten überzeugende Gründe für eine längere Frist geltend gemacht werden. Solche Gründe dürften, wenn überhaupt, nur selten vorliegen.
Nach Buchna/Leichinger/Seeger/Brox 509 kann keine allgemeingültige Zeitperiode, beispielsweise »der Mittelbedarf für ein, zwei oder ggf. bis zu 12 Monaten« für die Berechnung der (noch zulässigen) Höhe einer Rücklage dieser Art angegeben werden. Eine steuerbegünstigte Körperschaft muss sich stets an den Verhältnissen ihres Einzelfalls orientieren und darauf abstellen, in welchem Maß bzw. in welcher Höhe sie mit regelmäßigen Einnahmen rechnen kann und in welchem Umfang sie nach den bestehenden Erfahrungen tatsächlich mit einer Gefährdung der Einnahmen rechnen muss.
Anhaltspunkte dafür können u. a. auch die tatsächlichen eingetretenen Forderungsausfälle in den abgelaufenen Veranlagungszeiträumen geben. Dabei ist die Zeitperiode umso weiter zu fassen, je »unsicherer« die Einnahmen sind. Werden fast ausschließlich »sichere« Einnahmen erzielt, kann nach dieser Auffassung allenfalls der Betriebsmittelbedarf für einen Monat in eine Betriebsmittelrücklage eingestellt werden. Finanziert die Körperschaft den laufenden Betrieb neben »sicheren« Einnahmen auch mit sonstigen Einnahmen wie Zuschüssen, Spenden etc., ist je nach Einzelfall von einem 2- oder 3-monatigen Mittelbedarf auszugehen. Nur dann, wenn überwiegend »unsichere« Einnahmen vorliegen, kann über die vorgenannte Größenordnung hinausgegangen werden.
Für Krankenhäuser könnte diese Auffassung bedeuten, dass seitens der Finanzbehörden eine Betriebsmittelrücklage, deren Bestand den Mittelbedarf für mehr als einen Monat – gemessen an den ausgabewirksamen Aufwendungen des Vorjahres – abdeckt, als in ihrer Höhe unzulässig, da nicht mehr angemessen, beurteilt wird.
Angesichts der derzeitigen Unwägbarkeiten im Finanzierungssystem der Krankenhäuser – nicht nur in der Psychiatrie – dürfte eine derart restriktive Beurteilung nicht sachgerecht sein. Die praktisch gegebenen Vorfinanzierungsnotwendigkeiten im Krankenhausbereich (über einen Zeitraum von einem Monat deutlich hinaus) lassen es geboten, wenn nicht sogar notwendig, erscheinen, eine Betriebsmittelrücklage in Höhe eines Mittelbedarfes von drei Monaten im Krankenhausbereich zu bilden.
Ist zunächst (zulässigerweise) eine Rücklage i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO gebildet worden, der Grund für die Rücklagenbildung aber im Nachhinein weggefallen oder hat die Körperschaft ihr ursprüngliches Vorhaben aufgegeben, muss sie gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 AO die Rücklage unverzüglich auflösen, d. h. die frei werdenden Mittel unverzüglich für satzungsmäßige Zwecke verwenden oder eine (zulässige) neue Rücklage (für ein neues Vorhaben) i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO bilden. Ansonsten droht der Verlust der Gemeinnützigkeit.
Zweckgebundene Rücklagen i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO dürfen im Übrigen auch dann gebildet werden, wenn eine steuerbegünstigte Körperschaft über für eine konkrete Investition ausreichend hohe sog. »freie Rücklagen« i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO verfügen sollte. 510
Die Betriebsmittelrücklage ist nach h. M. als Rücklage i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO 511 als solche auszuweisen bzw. zu dokumentieren.
Im Rahmen der Mittelverwendungsrechnung wird in der Praxis die Betriebsmittelrücklage gelegentlich als » Sammelbecken« für solche nicht zeitnah verwendeten Mittel genutzt, die auch im nächsten Jahr nicht zur Verausgabung anstehen. Diese Vorgehensweise ist so lange unschädlich, als die Mittel, die auf diese Weise letztlich dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung jedenfalls zunächst entzogen werden, einen Mittelbedarf abdecken, der die im Anwendungserlass zur Abgabenordnung angesprochene »angemessene Zeitperiode« nicht überschreitet.
Mit Hilfe der Betriebsmittelrücklage ist es den meisten steuerbegünstigten Körperschaften möglich, im Rahmen der Mittelverwendungsrechnung zu dokumentieren, dass keine Verstöße gegen das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung vorliegen.
Reicht die Betriebsmittelrücklage im Einzelfall ausnahmsweise nicht aus, um eine zeitnahe Mittelverwendung (buchmäßig) sicherzustellen, ist eine alsbaldige (unverzügliche) Verwendung zu satzungsmäßigen Zwecken erforderlich. Dies kann eine aus betriebswirtschaftlichen Gründen unsinnige Verausgabung von Mitteln zur Folge haben.
Vor diesem Hintergrund sollte in derartigen Fällen untersucht werden, ob eine darlehensweise Überlassung derartiger Mittel an andere steuerbegünstigte Körperschaften erfolgen kann (die Zulässigkeit derartiger Darlehensgewährungen wird im folgenden Kapital diskutiert).
Die aktuell nicht für eigene satzungsmäßige Zwecke verwendbaren Mittel könnten dann – entsprechend der Handhabung bei der Betriebsmittelrücklage – vorübergehend »geparkt« werden, allerdings nur in den nachfolgend noch darzustellenden relativ engen Grenzen der zulässigen Darlehensgewährungen.
Scheitert im Einzelfall auch die »Darlehensgewährungsgestaltung«, kann zur Sicherstellung des eigenen Gemeinnützigkeitsstatus noch eine (endgültige) Weitergabe von Mitteln an andere steuerbegünstigte Körperschaften erfolgen.
Derartige »Zuwendungen« (Spenden) einer steuerbegünstigten Körperschaft an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft sind nach § 58 Nr. 1 AO (in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.2020) zulässig.
Eine weitere gemeinnützigkeitsrechtliche Rücklagenbildung ist in § 62 Abs. 1 Nr. 2 AO vorgesehen, und zwar die sog. » Rücklage für Wiederbeschaffung« oder » Wiederbeschaffungsrücklage«.
Steuerbegünstigte Körperschaften können hiernach ihre Mittel einer Rücklage für die beabsichtigte Wiederbeschaffung von Wirtschaftsgütern zuführen, die zur Verwirklichung der steuerbegünstigten, satzungsmäßigen Zwecke erforderlich sind. Die Höhe der Zuführung bemisst sich dabei – anders als bei den zweckgebundenen Projektrücklagen i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO – grundsätzlich nach der Höhe der regulären Absetzungen für Abnutzung eines zu ersetzenden Wirtschaftsguts, § 62 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 AO. Eine höhere Rücklagendotierung wird im Übrigen durch das Gesetz ausdrücklich zugelassen; dann sind aber die Voraussetzungen für eine höhere Zuführung nachzuweisen, § 62 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 AO.
Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung behandelt die Anwendungsmöglichkeiten dieser Rücklage für Wiederbeschaffung eher restriktiv:
Eine Wiederbeschaffungsrücklage für Fahrzeuge und andere Wirtschaftsgüter, für deren Anschaffung die laufenden Einnahmen nicht ausreichen, wird zwar für generell zulässig erklärt, wenn eine Wiederbeschaffungsabsicht vorliegt, wenn also tatsächlich eine Neuanschaffung des einzelnen Wirtschaftsguts geplant und in einem angemessenen Zeitraum möglich ist. Dabei ist als Nachweis für die Wiederbeschaffungsabsicht »im Regelfall« ausreichend, dass die Rücklage gebildet wurde.
Diese Nachweiserleichterung soll aber nicht für Immobilien gelten. 512
Eine derartige differenzierte Behandlung von beweglichen Wirtschaftsgütern und Immobilien sieht das Gesetz allerdings nicht vor; die unterscheidende Handhabung der Finanzbehörden hat demgemäß keine Rechtsgrundlage und ist abzulehnen. Für alle Wirtschaftsgüter müssen dieselben Vorgaben gelten.
Im Übrigen hat die OFD Frankfurt in einer Verfügung vom 13.02.2014 513 weitere, gesetzlich nicht vorgegebene bzw. vorgesehene Beschränkungen (nicht nur für Immobilien) bezüglich der Rücklage für Wiederbeschaffung formuliert: Eine Einstellung von Mitteln in Höhe der Abschreibungen in die Rücklage soll danach nicht gerechtfertigt sein, wenn ein Fuhrpark verkleinert oder ein Gebäude während unabsehbar langer Zeit nicht durch einen Neubau ersetzt werden soll. Auch soll die Zuführung dann überhöht sein, wenn die steuerlich zulässigen (Sonder-) Abschreibungen nicht mit dem tatsächlichen Wertverlust übereinstimmen.
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