II.Die Institutionen der EU
99Die Organe der Union sind der Europäische Rat sowie das Europäische Parlament, der Rat, die Kommission, der Gerichtshof und der Rechnungshof. Die Organe sind identisch mit den Organen der alten Gemeinschaften. Parlament, Rat und Kommission werden vom Wirtschafts- und Sozialausschuss und vom Ausschuss der Regionen unterstützt. Mit der einheitlichen europäischen Währung wurde überdies die Europäische Zentralbank errichtet.
100Der Europäische Rat hat nach Art. 15 EUV die Funktion, für die Entwicklung der EU Impulse und allgemeinpolitische Zielvorstellungen zu geben. Er hat Entscheidungsbefugnis und ist auch Organ, er ist die politische Führungsinstitution der EU. Der Europäische Rat setzt sich aus den Staats- bzw. Regierungschefs der Mitgliedstaaten, sowie dem Präsidenten der EU-Kommission zusammen. Ihm steht ein europäischer Präsident vor. Details regelt Art. 235 f. AEUV.
2.Das Europäische Parlament
101Das Europäische Parlament findet seine konkreten Reglungen in Art. 14 EUV sowie in den Art. 223 ff. AEUV. Seine Abgeordneten werden von den Bürgern der Mitgliedstaaten gewählt. Das Parlament ist mit dem Rat Rechtsetzungsorgan und ist mit Kontrollbefugnissen gegenüber der Kommission ausgestattet.
3.Der Rat (oder Rat der Europäischen Union)
102Der Rat ist gem. Art. 16 EUV bzw. Art. 237 ff. AEUV das maßgebende Rechtsetzungsorgan. Er ist aber nicht wie ein Legislativorgan gewählt. Vielmehr besteht er aus je nach behandeltem Thema wechselnden Regierungsvertreternder Mitgliedstaaten auf Ministerebenemit entsprechendem Vorsitzwechsel.
103Die Kommission ist gem. Art. 17 EUV bzw. Art. 244 ff. AEUV das Exekutivorgan der EU. Sie setzt sich derzeit aus 28 Vertretern der Mitgliedstaaten (der Vertreter des Vereinigten Königreichs hat allerdings nach der BREXIT-Abstimmung sein Amt niedergelegt) und einem Präsidenten an der Spitze zusammen. Die Kommission hat das alleinige Initiativrecht und leitet mit ihren Vorschlägen den Rechtsetzungsprozess der EU ein. Weiterhin wacht die Kommission über die Anwendung der vertraglichen Bestimmungen. Ihre eigene Vollzugskompetenz ist jedoch beschränkt, da das Unionsrecht ganz überwiegend von den nationalen Verwaltungen vollzogen wird (Rn. 132 ff., 137 ff.).
5.Der Gerichtshof der Europäischen Union
104Dem Europäischen Gerichtshof kommt nach Art. 19 EUV bzw. Art. 251 ff. AEUV auf der Basis einer Reihe von Verfahren (Rn. 143 ff.) eine sehr bedeutsame Rolle zu. Er bewahrt die EU-Rechtsordnung und schließt durch letztverbindliche Auslegung Lücken dieser Ordnung. Ihm ist das Europäische Gericht(früher: Gericht Erster Instanz)zugeordnet.
6.Die Europäische Zentralbank
105Die Europäische Zentralbank als unabhängige Zentralbank bestimmt nach Art. 282 ff. AEUV die Geldpolitik in den Euro-Ländern. Sie legt die Leitzinssätze fest und bildet mit den nationalen Zentralbanken das Europäische System der Zentralbanken (ESZB).
106Dem Rechnungshof nach Art. 285 ff. AEUV kommt die Aufgabe der Rechnungsprüfung bezüglich der Vorgänge in der Union zu. Er prüft das Einnahme- und Ausgabeverhalten der Union.
C.Das Recht der Europäischen Union
107Das Recht der EU setzt sich zusammen aus dem Primärrecht und dem Sekundärrecht. Man kann das Primärrechtauch als das Verfassungsrecht der EU bezeichnen. Das Sekundärrechtist sozusagen das einfache Recht der EU, hier nur behandelt mit Blick auf verwaltungsrechtliche Regelungen. Veröffentlicht findet sich dieses Recht im gemeinschaftlichen Amtsblatt (ABl.).
108Unter Primärrecht versteht man zunächst die Normen der Verträge, also des EUV und des AEUV sowie der noch immer geltende Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) und die über Art. 6 I EUV aufgenommene EU-Grundrechtecharta. Hinzutreten die ungeschriebenen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts sowie das ergänzende Gewohnheitsrecht. Neben den organisationsrechtlichen Regelungen, die schon Gegenstand der bisherigen Ausführungen waren, enthalten die Verträge insbesondere noch Regelungen zur Gemeinschaftspolitik und Grundrechts- bzw. Grundfreiheitsregelungen (Rn. 118 ff.).
109Die Politikregelungen legen die Aufgaben und Kompetenzen der EU in Abgrenzung zu den Mitgliedstaaten fest. Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 EUV) darf die EU nur in den in den Verträgen genannten Politikfeldern und nur insoweit tätig werden, als sie hierzu in den Verträgen ermächtigt wird. Hierzu besteht ein in Art. 2 EUV abgestuftes Kompetenzsystem, das dem System des Grundgesetzes (Art. 70 ff. GG) ähnelt und zwischen ausschließlicher, geteilter und unterstützender Zuständigkeit unterscheidet. Die jeweils zugeordneten Politikfelder werden in den Artikeln 3 ff. AEUV beschrieben. Art. 5 EUV normiert zudem die auch auf europäischer Ebene zu beachtenden Subsidiaritätsgrundsatz und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Zu den wesentlichen Politikfeldern der EU zählen folgende Bereiche:
110 a) Warenverkehr, Landwirtschaft, Personenverkehr .Zur Politik der EU gehört nach Art. 28 ff. AEUV die Gewährleistung freien Warenverkehrs. Die Basis dafür bildet die Zollunion der Mitgliedstaaten sowie ein gemeinsamer Zolltarif. Nach Maßgabe der Art. 38 ff. AEUV besteht ferner für die Landwirtschaft einschließlich der Verarbeitung der Erzeugnisse und den Handel mit den Erzeugnissen ein gemeinsamer Agrarmarkt. Innerhalb der EU ist die Freizügigkeit des Personenverkehrs ein weiteres wichtiges Politikfeld. Nach den Art. 49 ff. AEUV sieht der Vertrag diesbezüglich Arbeitnehmerfreiheiten und nach Art. 45 ff. AEUV Niederlassungsfreiheiten vor.
111 b) Dienstleistungsverkehr, Kapital- und Zahlungsverkehr .Art. 56 ff. AEUV heben im Übrigen jede Beschränkung für das Anbieten von Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten durch Anbieter unterschiedlicher Nationalität auf.
Ferner ist für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes die Beseitigung aller Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsverkehrs vorgesehen. Art. 63 ff. AEUV treffen die entsprechenden primärrechtlichen Regelungen.
112 c) Visa, Asyl, Einwanderung .Die Art. 77 ff. AEUV beinhalten die primärrechtlichen Vorgaben zur Schaffung eines Unionsraums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Zentraler Punkt ist dabei die Abschaffung der Kontrollen beim Überschreiten der Binnengrenzen der EU. Damit einher geht eine gemeinsame Politik in den Bereichen Visa, Asyl und Einwanderung.
113 d) Gemeinsame Verkehrspolitik, Transeuropäische Netze .Zum gemeinsamen Markt gehört natürlich auch eine entsprechende Verkehrspolitik der EU. Die Regelungen dafür finden sich in den Art. 90 ff. AEUV, wobei mit Straßen-, Eisenbahnen-, Schiffs- und Luftverkehr alle Arten von Verkehr erfasst sind. Nicht nur aber besonders in diesen Zusammenhang gehören die sogenannten transeuropäischen Netze. Deren Aufbau und Ausbau soll in den Bereichen Verkehr, Kommunikation und Energie vonstattengehen.
114 e) Wettbewerb, Steuerwesen, Wirtschafts- und Währungspolitik, Beschäftigung, Handelspolitik .Um in den genannten Marktbereichen Wettbewerb zu garantieren, sieht der Vertrag Wettbewerbsregeln vor. Nach Art. 101 ff. AEUV sind Unternehmensbeschlüsse und Verhaltensweisen, die den freien Handelbeeinträchtigen bzw. den Wettbewerb verhindern, einschränken oder verfälschen, verboten. Bis auf einige Ausnahmen sind wettbewerbsverfälschende staatliche Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.
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