Niels Anderegg, Nina-Cathrin Strauss (Hrsg.)
Teacher Leadership – Schule gemeinschaftlich führen
Führung von und in Bildungsorganisationen
ISBN Print: 978-3-0355-1814-6
ISBN E-Book: 978-3-0355-1815-3
1. Auflage 2020
Alle Rechte vorbehalten
© 2020 hep Verlag AG, Bern
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Vorwort zur Buchreihe «Führung von und in Bildungsorganisationen»
Mit diesem ersten Band der neuen Reihe «Führung von und in Bildungsorganisationen» startet eine Serie von Büchern, die Führungspersonen im deutschsprachigen Bildungsraum hoffentlich über viele Jahre begleiten werden.
Dass die Schulführung für die Qualität von Bildungsorganisationen wichtig ist, wird heute kaum mehr bestritten. Ausgehend von Schuleffektivitätsforschungen in den 1970er-Jahren in den USA, wurde die Schulführung in den letzten gut vierzig Jahren intensiv erforscht und weiterentwickelt. Heute wissen wir viel über die Wirkung von Schulführung und die Zusammenhänge von Führung und Lernen.
Nun gilt es, dieses Wissen zu bündeln und die vielen Forschungsresultate aus dem angloamerikanischen Raum für den deutschsprachigen Raum zu übersetzen. Mit «Übersetzen» ist nicht nur eine sprachliche, sondern insbesondere auch eine kulturelle Übersetzungsarbeit gemeint. Die Reihe «Führung von und in Bildungsorganisationen» folgt diesem Anspruch. Sie bereitet theorie- und forschungsbasiert Erkenntnisse aus dem deutschsprachigen und internationalen Raum auf und setzt sie praxisrelevant miteinander in Beziehung.
Der Band «Teacher Leadership: Schule gemeinschaftlich führen» nimmt ein Thema auf, das im internationalen Diskurs seit einiger Zeit hohe Aufmerksamkeit erfährt, im deutschsprachigen Raum aber noch wenig Beachtung erhalten hat. In den verschiedenen Beiträgen werden Perspektiven und Erkenntnisse international erfahrener und renommierter Forschender zusammen mit Forschungsresultaten und Praxiserfahrungen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich diskutiert und verknüpft.
Damit nimmt der Band auch ein Anliegen auf, das mir als Rektor der Pädagogischen Hochschule Zürich besonders am Herzen liegt und Teil des Konzepts dieser Buchreihe ist: die Verbindung von Theorie und Praxis, von Wissen und Können – also der Erwerb von Kompetenzen. Die Reihe verbindet wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Praxis, damit sowohl Forschung und Praxis als auch Bildungspolitik und Bildungsverwaltung davon profitieren.
Im Sinne einer wissenschaftsbasierten Weiterbildung steht die Auseinandersetzung mit der Praxis im Fokus. Gleichzeitig greift die Reihe professionelle Praxisansätze auf, die für die Wissenschaft relevant sind. Dabei orientiert sie sich daran, wie an der Pädagogischen Hochschule Zürich in der Aus- und Weiterbildung die Professionalisierung von Führungspersonen gelebt wird.
Ich bedanke mich bei den beiden Herausgebenden, Nina-Cathrin Strauss und Niels Anderegg, für die Initiative und das Engagement und wünsche Ihnen als Leserin, als Leser interessante Anregungen, relevante Erkenntnisse und unterstützende Hinweise für Ihre Arbeit – und nicht zuletzt auch viel Vergnügen bei der Lektüre.
Heinz Rhyn
Rektor
Pädagogische Hochschule Zürich
Im Herbst 2020
Nina-Cathrin Strauss, Niels Anderegg
Für eine gute Schule spielt die Führung eine wesentliche Rolle. Oder anders herum gesagt: Schulische Führungspersonen haben einen entscheidenden Anteil daran, wie pädagogische Fachkräfte ihre Aufgaben umsetzen können und wie alle Schülerinnen und Schüler erfolgreich lernen und sich als Teil einer Schulgemeinschaft wohlfühlen.
Doch wer ist eigentlich angesprochen, wenn über Schulführung gesprochen und nachgedacht wird? Häufig werden schnell Schulleitungen oder Schulbehörden adressiert, die traditionell und klar erkennbar Schulen leiten und führen. Neuere Führungskonzepte verstehen Schulführung jedoch breiter und gehen davon aus, dass nicht allein die Schulleitung (bzw. Schulbehörde) an Führung beteiligt ist. Es müssen weitere Personen in den Blick genommen werden, um Schulführung in seiner Gesamtheit zu verstehen und dementsprechend zu gestalten. Dabei steht die Schulführung immer im Dienste der «guten Schule».
Moderne Vorstellungen von Führung in der Schule und anderen Organisationen sprechen von Führung als verteilt, geteilt, kollektiv, partizipativ oder demokratisch. Forderungen nach agilen Organisationsformen und Methoden halten Einzug ins Schulfeld.
Gleichzeitig wird der weltweite Führungsdiskurs – schulisch und nichtschulisch – insbesondere geprägt durch Beiträge aus dem nordamerikanischen und britischen Raum. In der englischsprachigen Schulführungsforschung stehen schon seit mehr als zwei Jahrzehnten Konzepte wie Distributed Leadership, Shared Leadership und Teacher Leadership im Mittelpunkt und werden intensiv beforscht und diskutiert. Der Diskurs ist kaum noch zu überblicken (Lumby 2016; Bush 2018). Während sich auf der internationalen Bühne zu Schulführung vieles um die Verteilung von Führung dreht und verschiedene Reviews den Stand der Diskussion zusammengefasst haben (Tian, Risku u. Collin 2016; Wenner u. Campbell 2017; Nguyen, Harris u. Ng 2019), wächst auch im deutschsprachigen Raum das Interesse an der Thematik.
Der internationale Forschungsstand zur Verteilung von Führung zeichnet sich durch begriffliche Vielfalt, konzeptionelle Überschneidungen und oft fehlende Abgrenzungen zwischen den einzelnen Modellen aus (Woods et al. 2004; Harris 2007). Einigkeit besteht darin, dass Führung in Schulen nicht dem «model of the single leader» (Harris 2007, 321) entspricht und die «Superman and Wonderwoman view of school leadership» (Spillane 2006, 3) nicht genügt, um Führung zu verstehen und Entwicklungsprozesse zu gestalten.
Nachdem der Fokus in der Führungsdiskussion längere Zeit auf die Führungsperson und ihr Handeln gerichtet war, geht es im Sinne einer postheroischen Kehrtwende nun also darum, Führung in Schulen, ausgehend von einer «distributed perspective», zu untersuchen und zu diskutieren. Neben diesem analytischen Fokus, der insbesondere durch die Beiträge von Peter Gronn (2002) und James P. Spillane (2006) angestoßen wurde, ist eine ganze Reihe an programmatischen Beiträgen und Sichtweisen hinzugekommen, die Distributed Leadership als das neue Führungsmodell propagieren, um Schulen effektiver oder demokratischer zu gestalten (DeWitt 2017; Eckert 2018; Harris 2008). Diese Entwicklung wird teilweise auch kritisch beurteilt (siehe Lumby in diesem Band).
Blickt man in den deutschsprachigen Raum und Schulführungsdiskurs, finden sich zunächst programmatische Beiträge zu Führungsverteilung. Unter Bezeichnungen wie «verteilte Führung» oder «konfluente Leitung» (Rolff 2007), «Distributed Leadership» als «kooperatives Organisations- und Führungssystem mit verteilten Leitungsfunktionen» (Dubs 2014) oder «verteilte Führung und konzertierte Einflussnahme» (Bonsen 2010) beschreiben die Beiträge Formen aus der deutschen Schulpraxis wie Steuergruppen oder professionelle Lerngemeinschaften und argumentieren – oft aufgrund der wachsenden Aufgaben von Schulleitungen – für die Verteilung von Führung.
Es gibt auch erste Studien, die sich mit Distributed Leadership und Schulentwicklung (Zala-Mezö et al. 2019) oder Formen wie Steuergruppen und Schulentwicklung (Feldhoff 2011) oder Co-Schulleitungen (Fuchs u. Wyss 2016; Kohlstock u. Bieri 2018) befassen. Klein, Bronnert-Härle und Schwanenberg (2019) weisen für den Stand der Forschung auf ihre Studien hin, die zeigen, dass sich Führung bereits über formalisierte Strukturen wie Steuergruppen oder erweiterte Schulleitungen verteilt. Zudem deuten Befragungen von Lehrpersonen zu ihren Netzwerken in der Schule darauf hin, dass sich Führungseinfluss breiter verteilt und auch Personen Einfluss auf die Unterrichtsentwicklung nehmen, die in formalisierten Führungspositionen nicht erscheinen. Ähnliches lässt sich in österreichischen und Schweizer Schulen beobachten. Hier existieren deutlich sichtbar formalisierte Führungsstrukturen wie Jahrgangsleitungen oder themenbezogene Kontaktpersonen. Doch es gibt noch wenig systematisches Wissen darüber, wie sich Führung darüber hinaus in Schulen verteilt.
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