Hans Berner, Rudolf Isler, Wiltrud Weidinger
Einfach gut unterrichten
ISBN Print: 978-3-0355-1348-6
ISBN E-Book: 978-3-0355-1349-3
Gestaltung Inhalt: Philippe Gertsch
Gestaltung Umschlag: hold Kommunikationsdesign
Illustrationen: Serafine Frey
2. Auflage 2018
Alle Rechte vorbehalten
© 2018 hep verlag ag, Bern
www.hep-verlag.com
Vorwort
von Andreas und Tuyet Helmke
Einleitung
1. Was gehört zu gutem Unterricht?
Zentrale Merkmale erfolgreichen Unterrichtens aus der Sicht der Unterrichtsforschung
2. Lernen durch direkte Instruktion
Die wichtigsten Formen lehrerorientierten Unterrichtens
3. Lernen durch Kooperation
Das Zusammenspiel von individuellen und sozialen Lernprozessen
4. Lernen durch Dialoge
Persönliches Lernen im Dialog mit anderen und mit der Sache
5. Lernen durch Unterrichtsorganisation
Der Wert von Wochenplanarbeit, Werkstätten, Ateliers und Epochenunterricht
6. Lernen durch Projekte
Schüler- und handlungsorientierte Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen
7. Lernen durch Spielen
Der Einsatz von Spielen im Unterricht zur Förderung von Kompetenzen
8. Lernen unterstützen und beurteilen
Funktionen und Formen lernförderlicher Leistungsbeurteilung
9. Zu gutem Unterricht gehört strukturierte Planung
Wege zu einem persönlichen theoriegestützten Planungsschema
10. Zu gutem Unterricht gehört differenzierte Reflexion
Durch Rückmeldungen und reflektierte Erfahrungen klüger werden
Schlusswort
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
von Andreas und Tuyet Helmke
«Was ist ein Praktiker ? Das ist ein Mensch, bei dem alles funktioniert, aber er weiss nicht, warum. Was ist ein Theoretiker? Dies ist ein Mensch, der zwar weiss, wie es geht, bei dem aber nichts funktioniert» (Diethelm Wahl, 2013). Die Vision einer guten Lehrperson – und einer erfolgreichen Lehrerausbildung – dagegen ist eine gelungene Koppelung wissenschaftlich fundierten, anschlussfähigen und anwendbaren Wissens und guter Praxis. Dabei können Lehrmittel eine wichtige Rolle spielen: Sie können den Kompetenzerwerb erleichtern oder auch erschweren. Das vorliegende Buch, so viel sei vorab gesagt, gehört nach unserer Einschätzung zur erstgenannten Kategorie, es ist «einfach gut». Inwiefern?
Zurück zum Eingangszitat, das wir aus Diethelm Wahls Buch Lernumgebungen erfolgreich gestalten (2013, S.7) entnommen haben. Es trägt den bezeichnenden Untertitel «Vom trägen Wissen zum kompetenten Handeln». Und genau das ist der springende Punkt: Was kann man tun, damit ein Buch über das Unterrichten nicht bloss passiv-rezeptiv konsumiert wird – mit dem Ergebnis, dass träges Wissen entsteht («inert knowledge»), das nicht nutz- und anwendbar ist? In Umkehrung des bekannten Bibelzitats «Denn sie wissen nicht, was sie tun» (Lukas 23, 34) könnte man den Sachverhalt auch so charakterisieren: «Denn sie tun nicht, was sie wissen». – Es gibt keinen Zugriff zum Wissen, weil es in einer Weise erworben wurde, die seine praktische Anwendung blockiert. Das Autorentrio zeigt in diesem Buch, wie man didaktisch vorgehen kann, um träges Wissen nach Möglichkeit zu vermeiden: durch den Einbau zahlreicher Aufgaben einer kriteriengeleiteten Selbstreflexion und Selbstbeobachtung, gekoppelt mit Aufforderung zum Austausch. Die Kapitel zu den Szenarien und Methoden des Unterrichtens sind alle so aufgebaut, dass sie die folgende gleichbleibende Struktur aufweisen: (1) knappe Einführung in die Thematik; (2) ausführliche Arbeitsaufgaben mit dem Ziel, einen Bezug zum eigenen Vorwissen und den eigenen Erfahrungen herzustellen («Das ist Ihre Aufgabe») ; (3) Vermittlung von Grundkonzepten und Ergebnissen empirischer Forschung («Das müssen Sie wissen») ; (4) Anregungen für die praktische Umsetzung («So können Sie das anwenden») und (5) ausführliche und vielfältige Aufgaben zur Übung und Vertiefung.
Die Verknüpfung von Stoffvermittlung mit vielfältigen Varianten der kognitiven Aktivierung finden wir ausgesprochen funktional, um nicht das fatale «träge Wissen» entstehen zu lassen. Es ist praktisch unmöglich, dieses Buch, ohne eigenes Nachdenken und ohne die eigene Fantasie spielen zu lassen, einfach nur «wegzulesen». Es gibt bekanntlich zahlreiche Bücher zum Thema «Guter Unterricht», «Unterrichtsqualität» usw. – von klassischen Lehrbüchern über Ratgeber und Rezeptsammlungen bis hin zur Darstellung einzelner Verfahren und Stile. Der ausführliche Reflexionsteil und Praxisbezug in diesem Buch ist aus unserer Sicht ein echtes Alleinstellungsmerkmal; das Autorenteam hat damit gewissermassen ein neues Genre erschaffen: ein Lehr-, Arbeits- und Praxisbuch.
Es ist eine gute Entscheidung, das Buch mit einem Kapitel über Prinzipien und Qualitätsmerkmale des Unterrichts zu starten, das sich am aktuellen Forschungsstand, u.a. der Hattie-Studie, orientiert. Erst danach folgen die Kapitel mit dem eigentlichen «beef», d.h. mit unterschiedlichen didaktischen Konzepten und Szenarien, also mit dem notwendigen Handwerkszeug. Wir verstehen das vorgeschaltete Kapitel zu fach- und methodenübergreifenden Qualitätsmerkmalen als Botschaft: Keiner der im Folgenden beschriebenen Ansätze und Unterrichtsverfahren ist per se gut oder lernwirksam; jede dieser Methoden lässt sich genial oder dilettantisch, inspiriert oder fantasielos, lernförderlich oder lernbeeinträchtigend umsetzen. In diesem Sinne meint Hattie: Was zählt, «sind weniger die Methoden an sich, sondern die Prinzipien des effektiven Lehrens und Lernens» (Hattie 2015, S.288). Daraus zu folgern, auf Methoden komme es gar nicht an («anything goes»), wäre jedoch ein gravierendes Missverständnis: Die Meisterung – also fundiertes Wissen und praktische Beherrschung – einer überschaubaren Zahl von Lehr-Lern-Methoden ist ein konstitutiver Bestandteil der Lehrerprofessionalität und damit eine notwendige – aber eben nicht hinreichende! – Voraussetzung für Lernwirksamkeit. Angesichts der vorfindbaren Vielfalt an individuellen Lernvoraussetzungen innerhalb von Schulklassen gebietet schon das Konzept der Fairness, unterschiedliche Lehr-Lern-Szenarios anzubieten. So wissen wir seit Langem aus der Forschung zu den Wechselwirkungen von Schülermerkmalen und Lehrmethoden («aptitude-treatment interaction», ATI), dass leistungsstarke, sprachkompetente und selbstsichere Lernende besonders von offenen Unterrichtsformen profitieren, bei denen die Lehrpersonen eher in den Hintergrund treten, während Risikoschüler und -schülerinnen auf der anderen Seite des Kontinuums mit grossen Freiräumen für Selbstregulation oft überfordert sind: Diese Lernenden benötigen klare, lehrergesteuerte Strukturen («scaffolding»), viele und kurzschrittige Rückmeldungen, aufgabenbezogenes Feedback und viele Gelegenheiten zur Übung und Festigung.
Insofern ist es angemessen, dass das Autorentrio die von ihm präsentierten Methoden nicht nach Güte oder Lernwirksamkeit bewertet, sondern – wie wir – die Auffassung vertritt, dass es auf eine der Klassensituation und dem fachdidaktischen Kontext entsprechende Balance ankommt, eine akzeptable Dosierung, eine passende «Orchestrierung» im Sinne von Oser und Baeriswyl (2001); Hilbert Meyer (2016) spricht anschaulich von «Mischwald». Aber Vorsicht: Das Merkmal «Methodenvielfalt» wird (nicht von diesen Autoren!) oft im Sinne von «je vielfältiger, desto besser» missverstanden; implizit wird also ein linearer Zusammenhang zwischen der Anzahl verwendeter Methoden und der Lernwirksamkeit angenommen. Die Forschung (z.B. unsere landesweite Totalerhebung MARKUS in Rheinland-Pfalz) zeigt dagegen, dass es nicht um ein Maximum («Methodenfeuerwerk»), sondern um ein Optimum geht; der Zusammenhang zwischen Methodenvielfalt und Lernerfolg ist nicht linear, sondern umgekehrt U-förmig. Zu viele, nicht gründlich genug eingeübte und nicht wirklich gemeisterte Lehr-Lern-Szenarien stiften eher Verwirrung und sind dem Lernen ebenso abträglich wie eine Monokultur des Frontalunterrichts.
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