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Im Folgenden wird zunächst ( Abschnitt 6.3.1) die berufsbezogene Zufriedenheit von männlichen und weiblichen Jugendlichen bei der Wahl der beruflichen Grundbildung im Zusammenhang mit der beruflichen Geschlechtstypik der Berufslehre analysiert (vierte Frage). Alsdann wird untersucht ( Abschnitt 6.3.2), inwiefern sich männliche und weibliche Jugendliche in ihrer berufsbezogenen Zufriedenheit bei der Wahl der Berufslaufbahn unterscheiden und welche Rolle dabei die berufliche Geschlechtstypik des gewählten Berufs spielt (fünfte Frage).
6.3.1 Zufriedenheit im Beruf während der Berufslehre
Die Variable Zufriedenheit mit dem Beruf ( Tabelle 1) wurde mittels der Scale-Split-Methode dichotomisiert. Die Chi-Quadrat-Tests zeigen, dass sich Frauen und Männer nicht signifikant bezüglich der Zufriedenheit mit dem gewählten Beruf voneinander unterscheiden. Im Weiteren gibt es keine signifikanten Unterschiede in der Zufriedenheit mit dem gewählten Beruf zwischen Frauen und Männern innerhalb derselben geschlechtsbezogenen Passung .
Ein signifikanter Unterschied zeigt sich jedoch beim Vergleich der Zufriedenheit mit dem gewählten Beruf unter Frauen in den unterschiedlichen geschlechtsbezogenen Passungen der Berufslehre: Frauen, die unzufrieden mit dem gewählten Beruf sind, befinden sich überproportional häufig in einer geschlechts untypischen Passung in der beruflichen Grundbildung (χ²(2, 77) = 8.49, p ≤ .05). Männer unterscheiden sich nicht untereinander in Zusammenhang mit der geschlechtsbezogenen Passung der Berufslehre.
6.3.2 Zufriedenheit im Beruf nach dem Übergang von der Berufslehre in den Beruf
Bei Betrachtung der Zufriedenheit mit dem gewählten Beruf nach dem Eintritt in das Erwerbsleben zeigt sich, dass mehr Männer und dementsprechend weniger Frauen zufrieden mit dem ausgeübten Beruf sind (χ²(2, 371) = 8.84 p ≤ .05). Werden dieselben geschlechtsbezogenen Passungen miteinbezogen, wird ersichtlich, dass mehr Männer in einer geschlechts typischen Passung im Beruf und dementsprechend weniger Frauen in einer geschlechts typischen Passung im Beruf mit ihrem gewählten Beruf zufrieden sind (χ²(2, 201) = 6.27, p ≤ .05).
Abschließend wurde eine multivariate zweifaktorielle Varianzanalyse gerechnet, um das Vorhandensein eines Interaktionseffektes zwischen dem Geschlecht und der geschlechtsbezogenen Passung in Bezug auf die Zufriedenheit im Beruf direkt nach dem Übergang von der Berufslehre in den Beruf zu prüfen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Interaktion der beiden Faktoren signifikant ist ( F (2, 248) = 5.30, p ≤ .01) ( Abbildung 2).
Abbildung 2:Interaktionseffekt zwischen dem Geschlecht und den geschlechtsbezogenen Passungen in Bezug auf die Zufriedenheit mit dem gewählten Beruf
Abbildung 2zeigt, dass Männer in geschlechts typischen Passungen direkt nach der Berufslehre am unzufriedensten im Beruf sind. Weiter kann festgestellt werden, dass trotz der geringeren Zufriedenheit bei Männern in den geschlechts typischen Passungen ihre Zufriedenheit im Beruf sowohl bei den geschlechts neutralen als auch bei den geschlechts untypischen Passungen höher ist als bei den Frauen in denselben Passungstypen.
Die Ergebnisse unserer Studie machen deutlich, dass sich Jugendliche durch die vorherrschende Geschlechtstypik der Berufe in ihrer Berufswahl einschränken lassen. Nur wenige Jugendliche entschieden sich für einen Ausbildungsberuf, der für das eigene Geschlecht untypisch ist. Dabei wird insbesondere die Zone der akzeptablen Berufe (Gottfredson, 2002) der jungen Männer eingeschränkt. Die Mehrheit der jungen Männer erwirbt in der beruflichen Grundbildung einen männerdominierten Beruf und es gibt kaum junge Männer (1.4 %), die sich in der Ausbildung in einem frauendominierten Beruf befinden. Etwas flexibler scheint die Berufswahl junger Frauen zu sein, da sie sich mehrheitlich in der Ausbildung zu einem geschlechtsneutralen Beruf befinden und doppelt so häufig wie junge Männer einen geschlechtsuntypischen Beruf erwerben. Dies deckt sich mit Befunden anderer Studien zum Berufswahlverhalten von Jugendlichen (Faulstich-Wieland, Scholand, Beer, Carroccia & Lucht, 2017; Makarova & Teuscher, 2018; OECD, 2006; WEF, 2017).
Dass sich die am Arbeitsmarkt de facto vorhandene horizontale Geschlechtersegregation auf die eigene Berufswahl einschränkend auswirkt, ist den Jugendlichen nicht bewusst. Ihrer Einschätzung nach ist die berufliche Geschlechtstypik sowohl für die Wahl der Berufslehre als auch für die Wahl der späteren Berufslaufbahn unbedeutend. Dieses Ergebnis lässt sich vor dem Hintergrund von sozialisationstheoretischen Ansätzen der Berufswahl gut einordnen, da die geschlechterstereotypen Zuschreibungen bereits in der Kindheit auf die berufswahlbezogenen Präferenzen wirksam einwirken und sich mit der Zeit zu relativ stabilen Überzeugungen verfestigen, die meistens nicht hinterfragt werden. Somit braucht es gezielte Maßnahmen im Bereich der gendersensiblen Berufsorientierung, die eine Reflexion der Rolle der beruflichen Geschlechtstypik für die eigene Berufswahl hervorrufen können (Makarova & Herzog, 2013).
Ähnlich urteilen Jugendliche über den Einfluss der Eltern auf die eigene Berufswahl. Sie messen der Erfüllung der Elternerwartungen bei der Wahl der Berufslehre und der Berufslaufbahn eine äußerst geringe Relevanz bei. Die Forschung belegt jedoch, dass elterliche Erwartungen eine zentrale Rolle im Berufswahlprozess ihrer Kinder spielen (Makarova et al., 2016b; Makarova & Herzog, 2014).
Generell lässt sich aufgrund der Ergebnisse zu Berufswahlmotiven sagen, dass sich Jugendliche sowohl bei der Wahl der Berufslehre als auch bei der Wahl der künftigen Berufslaufbahn stärker durch intrinsische als durch extrinsische Motive leiten lassen. Jedoch gewichten Frauen bei der Wahl der Berufslehre eine erfüllende Arbeit viel stärker als Männer; diese messen einem lückenlosen Übergang in das Erwerbsleben retrospektiv eine höhere Relevanz bei. Ähnlich verhält es sich mit der Begründung der künftigen Berufslaufbahn: Für Frauen sind die gemachten Erfahrungen in der Berufslehre ausschlaggebender, während es für Männer vor allem um die Karrierechancen, die Möglichkeit, das Hobby zum Beruf zu machen, und das Einkommen geht (BFS, 2009; Heine et al., 2008). Diese Unterschiede in den Berufswahlmotiven gehen mit der vorherrschenden gesellschaftlichen Arbeitsteilung (Eagly & Wood, 1999) einher, nach der die Übernahme der «Ernährerrolle» bei den jungen Männern stärker ins Gewicht fällt als bei jungen Frauen.
Dass eigene berufliche Präferenzen durch die Konjunktur am Arbeitsmarkt beeinflusst werden, scheint den Jugendlichen schon während der Berufslehre bewusst zu sein. Dabei sorgen sich vor allem Jugendliche in den geschlechtstypischen Berufen um ihre Chancen am Arbeitsmarkt: So gewichten junge Männer in der geschlechtstypischen Berufslehre einen lückenlosen Übergang nach der Ausbildung in den Beruf viel stärker als junge Frauen. Sie finden es wichtig, offen gegenüber beruflichen Alternativen zu sein. Aber auch junge Frauen in der Ausbildung zu einem frauendominierten Beruf gewichten die Offenheit gegenüber Alternativen stärker als Frauen in Berufslehren mit anderer Geschlechtstypik.
Bezogen auf die berufsbezogene Zufriedenheit während der Berufslehre bestätigt unsere Studie die Befunde vorausgehender Forschung in der Schweiz (Neuenschwander et al., 2012) und zeigt, dass sich junge Frauen und Männer bezüglich der Zufriedenheit mit dem gewählten Beruf generell nicht unterscheiden. Dennoch unterscheiden sich Frauen in ihrer berufsbezogenen Zufriedenheit in Zusammenhang mit der Geschlechtstypik der gewählten beruflichen Grundbildung. So befinden sich Frauen, welche unzufrieden mit dem gewählten Beruf sind, eher in der Ausbildung zu einem männerdominierten Beruf. Dies lässt nicht ausschließen, dass die verhältnismäßig geringe Zufriedenheit mit dem gewählten Beruf mit unvorteilhaften Erfahrungen, die jungen Frauen in einem geschlechtsuntypischen Berufsfeld begegnen können, zusammenhängt (Aeschlimann et al., 2016; Makarova et al., 2016a). Wenn es um die Zufriedenheit im Beruf nach dem Eintritt ins Erwerbsleben geht, sind es generell mehr Männer und dementsprechend weniger Frauen, die mit ihrem Beruf zufrieden sind. Der ermittelte Interaktionseffekt zwischen dem Geschlecht und der geschlechtsbezogenen Passung in der beruflichen Orientierung zeigt jedoch, dass sich dieser Unterschied besonders stark unter Männern und Frauen in geschlechtstypischen Berufen akzentuiert. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass die Geschlechtstypik des gewählten Berufs während der beruflichen Ausbildung oder Ausübung zu einer nicht zu unterschätzenden kontextuellen Bedingung gehört, die die Beurteilung der Zufriedenheit im Beruf mitzuprägen vermag.
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