Hans macht eigentlich fast alles richtig, auch wenn sein Vorhaben ein grosses und sehr anspruchsvolles Unterfangen ist. Eigenes Ziel, Motiviertheit, Interesse sind gemäss obiger Forschungsergebnisse gute Voraussetzungen für die tatsächliche Umsetzung. Auch die Idee, aus einem Ziel Vorsätze zu formulieren, entspricht dem aktuellen Forschungsstand. Schon Brandstätter (1992, zit in Gollwitzer & Malzacher, 1996) konnte experimentell belegen, dass eine Vorsatzbildung mit Wenn-Dann-Beziehungen – z. B. wenn ich morgens früh aufwache, dann werde ich folgenden Text formulieren – einer globalen Zielbildung signifikant überlegen ist. Auf ähnliche Ergebnisse kommt Bamberger (1999, zit. in Storch & Krause, 2007), wonach Vorsatzbildungen zu einer dreimal so hohen Handlungsumsetzung wie bei reinen Zielintentionen führen.
Theoretisch erklärbar ist diese Handlungswirksamkeit von Vorsätzen aufgrund Koppelung der Wenn-Dann-Formulierungen mit antizipierten Situationen. Das Eintreten der entscheidenden Situation kann dann als Auslöser der Handlungssteuerung verstanden werden (Storch & Krause, 2007). Hans ist insofern geschickt, als er auch seine Frau miteinbezieht und damit eine Verbindlichkeit schafft. Diese könnte er sogar noch erhöhen, indem er sein berufliches Feld partizipieren lässt. Wer will schon sein Gesicht verlieren, indem er ein Buch ankündigt und nie realisiert? Zudem hat Hans sein Ziel innerlich visualisiert und emotional als erfolgreiches Erlebnis internalisiert. Doch genügt dies, um über mehr als zwei Jahre dranzubleiben? Besteht da nicht die Gefahr, dass dieses Buch zwar am Entstehen ist, das Endergebnis aber ein Traum bleibt, weil der Alltag genug Steine in den Weg zu legen hat, die das Ergebnis boykottieren? Zu genau diesem Ergebnis kommt Oettingen (2015). Sie postuliert, dass – nebst dem Traumziel, den Absichten und Vorsätzen -ein mentales Kontrastieren und ein konkreter Handlungsplan die Realisierung des Vorhabens signifikant unterstützen. Beim mentalen Kontrastieren werden Schwierigkeiten, welche auftauchen könnten, im Voraus vorgestellt und es wird bereits überlegt, wie diese konkret zu bewältigen sein könnten. In der konkreten Ausformulierung des Plans bedient sich diese Methode auch der Wirkung von mentalen «Wenn-Dann»-Verknüpfungen.
Die elaborierte Konfliktkompetenz von Louise in ihrem Hochschulkontext versagt im privaten familiären Setting vollständig und demonstriert auf eindrückliche Weise die aktuelle Forschungslage: Kompetenzen sind nicht beliebig generalisierbar. Ganz im Gegenteil erwerben wir Wissen und Kompetenzen sehr bereichsspezifisch und situiert. Weicht eine Situation so stark ab, dass Rollen, Relationen und emotionale Beziehungen stark differieren, so kann es durchaus sein, dass eine eigentlich vorhandene Kompetenz nicht abgerufen werden kann respektive auf ein anderes Verhaltensrepertoire zugegriffen wird. Will Louise etwas daran ändern, müsste sie eine neue und kontextspezifische Konfliktkompetenz für ihr familiäres Umfeld aufbauen. An Wissen fehlt es ihr ja nicht. Vielmehr müssen die kontextgebundenen Automatismen, Verhaltensroutinen und subjektiven Theorien modifiziert werden. Vielleicht fehlt es aber auch an einer genügend ausgebildeten transversalen Kompetenz – nämlich der «Gelassenheit» –, die uns befähigt, in emotional stark aufgeladenen Stresssituationen nicht wertend, interpretationsfrei und ruhig zu reagieren. In der Zwischenzeit gibt es bereits eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Stressbewältigung und Emotionsregulation. Gerade Trainings entfalten ihre Wirkung weniger durch einfache Anleitungen, sondern vielmehr durch kontinuierliches Üben im entsprechenden Praxisfeld.
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