»Richtig, Mörderischer Einsatz wird eingestellt«, sagte Freudensprung und starrte sein Gegenüber weiterhin kalt an. Normalerweise genoss er es, wenn er nach der berühmten Verwandtschaft seiner Lebensgefährtin befragt wurde und normalerweise erzählte er gerne kleine Anekdötchen über seinen Schwager in spe Levent, den er wirklich gerne mochte, doch bei Josef Kurt schien ihm fast jedes weitere Wort Verschwendung. »Aber falls es dich interessiert, Levent Demir wird der erste türkischstämmige Tatort -Kommissar. Wenn du mehr wissen willst, solltest du seinem Fanclub beitreten. Ich bin jedenfalls nicht mit ihm, sondern mit seiner Schwester zusammen.«
Kurt lachte blöde und griff zum Telefonhörer. »Cool, Mann. Lass dir den Blick patentieren«, sagte er übertrieben kumpelhaft, während er eine Nummer wählte. In den Apparat rief er nur: »Die Akte Veicht. Herbert Veicht. Was? Okay, bring die auch gleich mit.«
Während sie warteten, schwiegen sich die beiden Männer an. Als eine Kollegin schließlich die Akten brachte, war Freudensprung überrascht, dass nicht nur für Herbert Veicht, sondern auch für Bambi Veicht eine Aktennummer vergeben wurde.
»Gut, wo es gerade so lauschig ist, Kurt«, sagte Paul Freudensprung. »Gibt es bei euch auch was über einen Dieter Koziol? Oder Jonas Wagenbrenner? Nein? Auch gut, hätte ja sein können.« Er stand auf und verabschiedete sich. »Ich bringe dir die Akten so schnell als möglich wieder zurück.«
»Ach übrigens«, rief ihm der Drogenfahnder hinterher. »Wir haben einen V-Mann im Umfeld von Bambi Veicht. Wärt ihr Trampel so lieb, den ausnahmsweise mal nicht zu enttarnen?!«
»Haben wir das je? Ist Bambi so eine große Nummer?«
»Wir wissen es noch nicht. Könnte aber sein. Jedenfalls ein scharfer Zahn, die will ich selbst verhören, wenn es so weit ist. Und richte deinem Chef aus, dass ich nicht vergessen habe, dass sein Betthäschen auch bei uns aktenkundig ist.«
»Das hat er gesagt?«, schmunzelte Pfeffer, als ihm Freudensprung die Nachricht überbracht hatte. »Dein Freund scheint die Akten nicht gründlich zu lesen, sonst wüsste er, wer damals vor ziemlich genau acht Jahren mein Betthäschen Tim de Fries verhaftet hat wegen fünf Gramm Haschisch.«
Freudensprung zog fragend die Augenbrauen hoch und Annabella sagte: »Jetzt machs nicht so spannend, Chef.«
»Ich.«
»Ist nicht wahr«, rief Freudensprung. »Ich dachte immer, ihr habt euch auf einem Konzert von Laurie Anderson kennengelernt.«
»Stimmt auch. Ich war dort als Zivilfahnder. Ich habe ihn nach dem Konzert verhaftet, als er mir einen Zug an seinem Joint angeboten hat. Na, ein Kollege hat uns beobachtet, da musste ich handeln. Pflicht ist Pflicht und Schnaps ist Schnaps. Keine Stunde später war er natürlich wieder draußen, die Anklage wurde wegen Geringfügigkeit fallen gelassen und wir sind erst mal Essen gegangen. Mehr braucht ihr darüber nicht wissen.«
»Irgendwie total romantisch«, kommentierte Annabella Scholz mit glänzenden Augen.
08 »Kokain?!« Dieter Koziols Kinn wackelte wie Japan bei einem mittleren Erdbeben. »Wie kommen Sie darauf?« Schon kramte die Hand in der Hosentasche nach dem Taschentuch, mit dem er sich wiederholt über die Stirn strich. Der TV-Produzent sprang von seinem Schreibtischsessel auf und tigerte durch das Büro.
»Die Spuren sind eindeutig«, sagte Max Pfeffer. »Ihr Freund und Kompagnon war regelmäßiger Konsument.«
»Sagen Sie!«
»Wollen Sie mir weismachen, dass Sie nichts davon wussten? Herr Koziol, ich bitte Sie. Sie zeichnen ein Bild von dickster Freundschaft und dann haben Sie sich nie über das Thema Drogen unterhalten?«
Koziol ließ sich schwer auf einen Sessel der kleinen Sitzgruppe fallen, die neben dem Fenster stand. »Herbert Veicht«, begann er mit gepresster Stimme, »war ein genialer Mann, Herr Pfeffer. Einer mit dem richtigen Riecher und ein guter Freund. Er war das kreative Hirn unserer Firma, ich bin nur ein phantasieloser Buchhalter. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie es nun weitergehen soll. Jetzt muss ich irgendeinen dahergelaufenen Creative-Director anstellen. Herbert und ich – wir haben gemeinsam viel durchgemacht in unserer Jugend. Manchmal glaube ich – nein, ich glaube es nicht nur, ich bin mir sicher, dass ich ohne seine Freundschaft heute nicht mehr hier wäre.«
»Weil er Sie zu seinem Partner gemacht hat?«
»Nein, ich meine nicht nur hier. Ich meine am Leben. Ohne ihn hätte ich wahrscheinlich nicht mal meinen achtzehnten Geburtstag erlebt. Das meine ich damit. Und Sie kommen mir mit diesen lächerlichen Drogengeschichten!«
»Diese lächerlichen Drogengeschichten könnten vielleicht der Schlüssel zu dem Mord an ihrem Freund und Lebensretter sein, Herr Koziol. Denken Sie daran. Womöglich steckte er in etwas drin. Die Russenmafia zögert nicht lange.«
»Sie haben Recht. Gut, ich sage Ihnen, was ich darüber weiß. Viel ist es nicht. Es hat mich nie interessiert.« Er beugte sich vor und presste die Handflächen aneinander. »Ja, Herbert hat gekokst. Aber nicht so häufig. Woher er seinen Stoff bezogen hat, ist mir nicht bekannt. Aber angeblich ist das ja heutzutage auf jedem Schulhof erhältlich.«
»Und Bambi?«
»Die Bothox-Lady?« Koziol lachte verächtlich. »Die zieht sich sicherlich alles rein, was es gibt. Wissen Sie, als Herbert sie kennenlernte, war sie noch ein ganz hübsches Ding. Eines von diesen willigen Betthäschen, das sich die Nächte in angesagten Clubs um die Ohren schlägt, um sich einen reichen Mann zu krallen. Nun, das hat sie ja geschafft. Das mit den Operationen begann genau ein Jahr nach der Hochzeit. Da bildete sie sich ein, eine kleine Lachfalte zwischen den Augenbrauen würde sie völlig entstellen. Wissen Sie, wie alt Bambi ist?«
Pfeffer nickte, denn es stand in den Akten.
»Zweiunddreißig!«, rief Koziol. »Zwanzig Jahre jünger als Herbert. Und schon kann ihr Gesicht nie wieder operiert werden, weil die Haut zu dünn geworden ist. Das Michael-Jackson-Syndrom. Wir haben übrigens eine sehr erfolgreiche Dokusoap aus ihren Operationen gemacht. Bambi wollte bei jeder Schnippelei die Kamera dabei haben. So hat Herbert wenigstens die Unkosten für die OPs wieder reinbekommen. Mein Gott, Herbert war anfangs so in sie verliebt. Nun, das ist lange her.«
»Könnte Ihrer Meinung nach Bambi Veicht im großen Stil dealen?«
»Die? Nie im Leben. Soll ich Ihnen verraten, was sie mir gestern allen Ernstes vorgeschlagen hat? Sie kennen sicherlich die Dokusoaps, in denen Polizeibeamte bei ihren Einsätzen gefilmt werden. Garantierte Quotenbringer.« Pfeffer nickte, ihm schwante Übles. »Bambi hält es jedenfalls für eine tolle Idee, wenn unsere Produktionsfirma eine Dokumentation über die Aufklärung im Mordfall Herbert Veicht dreht. Sie will Ihnen und Ihren Leuten ein Kamerateam auf den Hals hetzen. Sie möchte in der Pathologie filmen und bei Verhören dabei sein.«
»Jetzt scherzen Sie aber, Herr Koziol.« Pfeffer schmunzelte, weil ihm die Idee so abwegig vorkam.
»Sehe ich so aus? Sie wollte sich gleich eine Genehmigung vom Polizeipräsidium holen, doch zum einen wäre ich strikt gegen so eine Aktion, das können Sie mir glauben, und zum Glück haben sich auch unsere Leute geweigert, bei so etwas überhaupt mitzumachen. Es gibt doch noch so etwas wie Pietät in unserem Gewerbe.«
»Herr Koziol, sagt Ihnen die Zahl 45 etwas? Oder wissen Sie, ob die Zahl für Herbert Veicht vielleicht irgendwie von Bedeutung war?«
»Fünfundvierzig? Nein, nicht dass ich wüsste. Er war weder Jahrgang 45 noch war es seine Glückszahl.« Koziol rief seine Assistentin herein und wies sie an, zwei Espressi zu bringen. »Sie dürfen gerne rauchen«, sagte er dann, als sie den Kaffee tranken. Koziol schloss verträumt die Augen, während er den Espresso herunterstürzte, dann zündete er sich eine lange Cohiba an. »Haben Sie jemals gekokst, Herr Pfeffer?«, fragte er unvermittelt und fixierte sein Gegenüber mit festem Blick.
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