Martin Arz
PECHWINKEL
Martin Arz schrieb zunächst als freier Autor für zahlreiche Magazine. Dann arbeitete er mehrere Jahre lang als PR-Berater, bevor er sich ganz den Künsten widmete: der Malerei und dem Schreiben. Seine Gemälde waren bereits auf vielen Ausstellungen im In- und Ausland zu sehen. Arz ist Autor von zahlreichen Sachbüchern, Krimis und historischen Romanen.
Max-Pfeffer-Krimis im Hirschkäfer Verlag:
· Das geschenkte Mädchen – Pfeffers 1. Fall
· Reine Nervensache – Pfeffers 2. Fall
· Die Knochennäherin – Pfeffers 3. Fall
· Pechwinkel – Pfeffers 4. Fall
· Westend 17 – Pfeffers 5. Fall
· Geldsack – Pfeffers 6. Fall
· Münchner Gsindl – Pfeffers 7. Fall
Handlung und Personen sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen oder Personen wäre rein zufällig.
Cover und grafische Gestaltung von Hirschkäfer Design/Coriander P.
© Hirschkäfer Verlag, München 2011/2020
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E-Book-ISBN 978-3-940839-20-6
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Inhalt
Kapitel 01
Kapitel 02
Kapitel 03
Kapitel 04
Kapitel 05
Kapitel 06
Kapitel 07
Kapitel 08
Kapitel 09
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
PS
01
Rudi war maulfaul. Er hatte keine Lust etwas zu sagen. Es gab auch nichts zu sagen. Und das Reden übernahm sowieso Mo. Mo hieß eigentlich Mohammed, aber so rief ihn höchstens noch sein Vater. Mo redete ohne Unterlass, was Rudi zunehmend auf die Nerven ging. Alles musste Mo kommentieren.
»Mann, Mann, Mann. Schon wieder ein altes Fahrrad«, sagte Mo und wuchtete das mit schleimigen Algen überwucherte Metallskelett über die Betonbrüstung auf den Rasen. »Mann, Mann, Mann, was die Leute alles in den Bach hauen.« Er studierte seine versifften Arbeitshandschuhe.
Was Rudi besonders nervte, war, dass Mo jeden Satz mit drei Mal »Mann« begann. »Mann, Mann, Mann, ist der Kaffee heiß.« »Mann, Mann, Mann, ist die Mieze heiß.« »Mann, Mann, Mann, regnets schon wieder.«
»Bei zwei Rädern insgesamt kann man nicht von ›schon wieder‹ sprechen«, knurrte Rudi.
»Na, und der Einkaufswagen?«
»Das ist kein Rad.«
»Mann, Mann, Mann. Haste auch wieder recht.« Mo zündete sich eine Zigarette an. »Noch schnell eine rauchen, bevors unter die Stadt geht.«
Rudi verdrehte die Augen. Er hatte vor sieben Jahren das Rauchen aufgegeben, und die Argumente, warum man schnell noch eine rauchen musste, bevor man irgendwas anderes machte, nervten ihn ebenso wie das Gequassel. Er starrte auf seine orangefarbenen Gummistiefel und wartete.
Bachauskehr. Jeden April dasselbe. Die Schleusen am Kraftwerk an der Isartalstraße wurden geschlossen, das Wasser floss direkt in die Isar zurück, der Stadtbach lief langsam leer, und die Männer vom Baureferat machten sich auf, das Bachbett zu reinigen. Der Bach floss in einem Betonbett durch das Schlachthofviertel, dann unter der Kapuzinerstraße hindurch ins Glockenbachviertel, wo er an der Pestalozzistraße unter den Häusern verschwand. Selbst die meisten Münchner wussten nicht, dass der Bach unterirdisch zuerst die ganze Altstadt umrundete, bevor er vor der Staatskanzlei am Hofgarten wieder an die Oberfläche kam und dann in den Englischen Garten floss. Wenn man hier, wo Rudi und Mo standen, ein Quietscheentchen in den Bach setzen würde, käme es vor dem Arbeitszimmer des Ministerpräsidenten heraus. Die Idee mit dem Entchen hatte Rudi schon immer mal gereizt. Aber sie kam ihm immer nur, wenn er auf Bauchauskehr war. Wenn das Wasser wieder floss, hatte er es wieder vergessen.
»Ein Ratz«, sagte Rudi trocken und packte den Kadaver einer Ratte am Schwanz. Das Tier hatte sich in einem Einkaufsnetz verfangen, konnte sich dann wohl nicht befreien und war ersoffen. Rudi warf die Ratte in den blauen Müllsack, den sie für kleinere Fundstücke bei sich führten. Er lüpfte ein wenig die Kapuze seines knallorangen Arbeitsparkas und sah zum Himmel. Grau. Regen. Keine Wolkenlücke in Sicht.
Mo trat seine Zigarette aus. »Bereit für die Dunkelheit, Meister? Mann, Mann, Mann.« Sie stiegen aus dem Bachbett, weil ihnen die Rechenanlage den Weg versperrte. Die Rechenanlage sorgte dafür, dass keine größeren Gegenstände vom offenen Bachlauf unter die Häuser gelangen konnten. Große Äste oder Ähnliches stießen gegen die Gitter, woraufhin sich ein automatischer Arm in Bewegung setzte, der die Gegenstände auf die Seite zog.
Die beiden Männer stiegen hinter dem Gitter wieder ins Bachbett und steuerten auf die Öffnung zu, die unter die Häuser an der Pestalozzistraße führte. Schweigend zückten sie ihre Stablampen und machten sie an. Rudi mochte die unterirdische Bachbegehung nicht. Seit Jahren machte er den Job, und er kannte die Strecke, gefunden hatte er nie mehr als tote Ratten und ausrangierte Gerätschaften, dennoch kroch jedes Mal dieses Gefühl von Unbehaglichkeit über seinen Nacken. So wie jetzt.
»Mann, Mann, Ma…«
»Tu mir einen Gefallen, Mo.« Rudi blieb noch im Eingang stehen und schob die Kapuze vom Kopf. »Kein ›Mann, Mann, Mann‹ mehr für den Rest des Tages.«
»Aber …«
»Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Okay.« Mo zuckte gleichgültig mit den Schultern und folgte dem Lichtkegel seiner Taschenlampe ins Dunkel des Bachtunnels. Den Müllsack hielt er mit der linken Hand und zog ihn über den Boden schleifend hinter sich her. »Mann, … äh … scheißdunkel hier. Na, wenigstens schiffts hier nicht.«
Die beiden stapften langsam tiefer in den Kanal. Ihre Lichtkegel wanderten über den Boden, die Wände hinauf, die Decke entlang, wieder die Wände hinunter und über den Boden. Alles zumindest flüchtig inspizieren. Auch eine grobe Überprüfung der Bausubstanz gehörte zu ihrer Arbeit. Nicht, dass eine der Wohnungen über dem Bach dank maroder Böden und Wände plötzlich ins Wasser stürzte. Das war zwar erst ein Mal vorgekommen, und selbst der erfahrene Rudi kannte die Geschichte von dem Ehepaar, das sich abends schlafen legte und wenige Stunden später eine Etage tiefer im tosenden Bach aufgewacht war, umgeben von den Trümmern ihrer Schlafzimmereinrichtung, nur vom Hörensagen. Dennoch mussten sie auf Risse oder Ähnliches achten.
»Fuck«, sagte Mo dann. Er hatte bisher seine Kapuze nicht vom Kopf genommen. Nun schob er sie langsam in den Nacken. »Da hat doch einer sauber seinen Müll entsorgt.« Er hielt seine Lampe auf den Boden vor ihnen gerichtet.
Rudi folgte dem Lichtschein und sah das Bündel. »Klasse«, grunzte er. Er drehte sich um. Ganz entfernt konnte er noch den Schimmer Tageslicht ausmachen, der von der Tunnelöffnung kam. »Ist nicht so weit. Können wir noch zum Eingang zurücktragen.«
»Lass uns erst aufmachen«, sagte Mo und beugte sich über das Bündel, das zu groß war, um in einen Plastikmüllsack gesteckt zu werden. »Sieht aus wie ein Duschvorhang. Ist ein Duschvorhang. Meine Tante hat genau so einen. Und schön mit Schnur verknotet.« Mo seufzte und wühlte in der Hosentasche nach seinem Taschenmesser. »Wir machens auf, vielleicht finden wir ja einen Hinweis, wer von den Spacken da oben«, er deutete auf die Tunneldecke über ihnen, »seinen Schrott einfach in den Bach schmeißt.«
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