Martin Arz
Münchner Gsindl
Pfeffers 7. Fall
Hirschkäfer Verlag
Martin Arz schrieb zunächst als freier Autor für zahlreiche Magazine. Dann arbeitete er mehrere Jahre lang als PR-Berater, bevor er sich ganz den Künsten widmete: der Malerei und dem Schreiben. Seine Gemälde waren bereits auf vielen Ausstellungen im In- und Ausland zu sehen. Arz ist Autor von zahlreichen Sachbüchern, Krimis und historischen Romanen.
Max-Pfeffer-Krimis im Hirschkäfer Verlag:
· Das geschenkte Mädchen – Pfeffers 1. Fall
· Reine Nervensache – Pfeffers 2. Fall
· Die Knochennäherin – Pfeffers 3. Fall
· Pechwinkel – Pfeffers 4. Fall
· Westend 17 – Pfeffers 5. Fall
· Geldsack – Pfeffers 6. Fall
· Münchner Gsindl – Pfeffers 7. Fall
Handlung und Personen sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen oder Personen wäre rein zufällig.
ein E-Book aus dem Hirschkäfer Verlag, 2020
Cover und grafische Gestaltung von Hirschkäfer Design/Coriander P.
© Hirschkäfer Verlag, München 2020
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Verarbeitung in elektronischen Systemen.
E-Book-ISBN 978-3-940839-72-5
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Mit Liebe gemacht.
1
Pulsbereich zwei. 164 Schläge in der Minute.
Zu viel. Er hatte es gespürt. Er musste Tempo reduzieren. Ein bisschen. Zurück in Pulsbereich eins. Das war die Strecke für einen wirklich langen Lauf. Ein paar Minuten, und er war wieder unter 150. Das spürte er einfach. Zur Sicherheit schielte Max Pfeffer nach zwei Minuten auf die Uhr mit dem Pulsmesser: 148. Ein Weihnachtsgeschenk seines älteren Sohns. »Voll uncool, Dad«, hatte Cosmo seinen Vater kritisiert, nachdem der sich geoutet hatte, dass er nach Gefühl lief und nicht streng geräteüberwacht. »Gerade in deinem Alter solltest du nicht mehr einfach nach Gefühl laufen.«
»In meinem Alter?«
»Du weißt, was ich meine.«
Pfeffer wusste es nicht. Natürlich hatte er sich zunächst geweigert, die Uhr zu tragen, dann aber doch einem Testmonat zugestimmt, damit er seine Ruhe hatte. Cosmo konnte echt anstrengend sein – und verdammt hartnäckig, ganz der Vater. Also lief Max Pfeffer seine morgendliche Joggingrunde in diesem Mai mit Pulsmesser und Uhr. Heute hatte er die lange Route bis hinter den Tierpark Hellabrunn gewählt. Auslaufen, den Kopf freibekommen. Aufhören zu denken. Einfach laufen. Utz-Utz-Musik in seinem Kopfhörer gab den Takt vor. Utz-Utz-Musik – Cosmo würde ihm was husten, wenn er das zu ihm sagen würde. Immerhin hatte dj Cosmo seinem Vater mehrere Tracks zusammengestellt, je nach Pulsbereich, für langsam bis Sprint. Und weil Cosmo wusste, dass sein Vater coolen Jazz, exotische Weltmusik und Electronic Beats liebte, hatte er jeweils ein paar Elemente hineingemixt. Es funktionierte. Der Beat war jedes Mal eine Nuance anders, sodass Pfeffer danach im jeweiligen Pulsbereich laufen konnte. Viel nützlicher als dieser blöde Pulsmesser.
Die Sonne ging gerade auf. Kurz vor sechs. Es war frühlingshaft warm. Pfeffer war bisher nur zwei oder drei frühen Läufern begegnet. Er war schon eine halbe Stunde unterwegs. Rechts gurgelte die Isar, der Flaucher lag hinter ihm, bald kam rechts der Zoo in Sicht. Man konnte ihn riechen, bevor man ihn sah. Animalisches lag in der Luft. Pfeffer gab einer Eingebung nach und machte spontan zwanzig Liegestütze auf dem Weg, bevor er weitertrabte. Erste Hundegassiführer tauchten auf den Wegen auf, die aus dem dichten Grün der Isarauen zum Fluss führten. Die meisten ließen ihre Hunde ohne Leine laufen.
Bis zur Marienklause, beschloss Pfeffer, dann den steilen Weg hinauf nach Harlaching und oben am Hang den Weg zurück nach Giesing. Dann würde er insgesamt zwar mehr als eine Stunde brauchen, aber ihm war danach. Er hatte Energie.
Das Tierparkgelände endete. Pfeffer überquerte den Auer Mühlbach, der hier von der Isar abgeleitet wurde, und bog nach links zum Fußweg, der den Steilhang hinaufführte. Daneben lag die Marienklause. Man konnte die kleine Holzkapelle kaum erkennen, so dicht waren die Bäume bereits begrünt. Zwischen den steinernen Kreuzwegstelen führte ein ins Grün getrampelter Weg zur Kapelle und der in Stein gefassten kleinen Quelle. Ein Jogger kam auf dem Weg von der Kapelle her und lief dicht an Pfeffer vorbei. Eine ältere Frau mit einem überfetteten Kleinhund, dessen Rasse man bei dem Volumen nicht mehr erkennen konnte, trippelte vom Steilhang kommend Pfeffer entgegen.
Da sah er den Pfau. Direkt auf dem kleinen Kreuzweg, der zwischen den Büschen zur Marienklause führte, wo eben noch der Jogger langgelaufen war. Pfeffer blieb lächelnd stehen. Der Pfau starrte zurück. Dann schlug er ein Rad und fächerte seine Prunkfedern auf. Pfeffer hatte den Eindruck, dass der Vogel das ganz nonchalant, so nebenbei machte. »Ich bin der Prachtbursche! Noch Fragen?«, lag in dieser Bewegung.
Pfeffer nahm seine Ohrstöpsel heraus. »Na, du«, sagte er so sanft keuchend es ging, denn er war doch einigermaßen außer Puste und musste schnaufen. »Bist du aus dem Zoo ausgebrochen?« Der Pfau klappte sein Rad ein und stolzierte davon. Auch die Frau mit dem fetten Hund war stehen geblieben. Einer Laune heraus folgte Max Pfeffer dem Vogel auf dem Trampelpfad vorsichtig, um das Tier nicht zu verscheuchen. Der Pfau drehte sich noch einmal um und schlug erneut ein Rad.
»Ja, du bist schön, protzerter Stenz«, schmunzelte Pfeffer. »Balzt du mich jetzt an?« Der Pfau schritt elegant weiter zwischen den Kreuzwegstelen, schließlich scharrte er an einer Stelle.
»Mei, Putzi«, quiekte die alte Frau, zu ihrem Hund gebeugt, »hast du des gsehn? Ha? So a schöns Vogerl! So ein schönes Vogerl! Des is a Fasan, Putzi. A Fa-san. Gell, des kennst no gar ned.«
Der Hund kläffte verunsichert.
»Magst mal a bisserl spieln? Gell, du magst spieln, ha?« Sie löste die Leine vom Halsband. »Ja, wer mag da spieln?«
»Lassen Sie das«, sagte Pfeffer. »Der jagt den Pfau.«
»Ach, was. Der spielt nur. Und so schnell ist mein Putzi ja eh nimmer, gell, Putzi?«
»Nehmen Sie Ihren Hund wieder an die Leine.« Pfeffer legte mehr Autorität in die Stimme.
»Was ham denn Sie jetzt für ein Problem?«, fragte die ältere Frau. Nur wenig später sollte Pfeffer wissen, dass sie Sabine Lobmair hieß, siebenundfünfzig Jahre alt war, verwitwet und in der Harthauser Straße in Harlaching wohnte. »Mein Putzi macht niemandem was. Und so a Fasan kann ja wegfliegen, wenns ihm ned passt.«
Putzi war sich inzwischen in die Nähe des Pfaus gewalzt, sein Bauch schleifte beinahe am Boden. Dann blieb er stehen und kläffte. Der Pfau beendete sein Scharren, hob indigniert den Kopf und erhob sich mit eleganten Flügelschlägen kurz in die Luft. Nur wenige Meter weiter ließ er sich auf dem Dach der Marienklause wieder nieder. »Hui!«, machte die Alte. Putzi bellte und watschelte zu der Stelle, an der der Pfau gescharrt hatte.
»Mei«, rief die Alte. »Da hat wieder jemand seinen Müll hingeschmissen. Des seh ich doch von hier. So eine Schande! Des san Zeiten. Des hätts früher ned gem.«
»Früher hats offenbar gar nix gem«, sagte Pfeffer.
»Was? Was erlauben Sie sich. Komm her, Putzi, Geh weg da! Da holst du dir sonst noch was. Da, sengs des? Müll!«
Max Pfeffer ging den Kreuzweg hinauf zum Hund, der hinter einer Stele schnupperte und dann hinschiss. Neben der Stele lag tatsächlich ein blaues Bündel. Eine blaue Strickjacke, Jeans und darunter rote Turnschuhe. Der Hund zerrte knurrend an der Strickjacke und schleifte sie schließlich Richtung Frauchen, die »Pfui, Putzi! Pfui!« keifte.
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