Münchner Feigheit
von
W.A. Riegerhof
Impressum Impressum Imprint Münchner Feigheit W.A. Riegerhof published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de Copyright: © 2013 W.A. Riegerhof Coverdesign: Karl-August Schachtinger Lektorat Textwissen, Berlin ISBN 978-3-8442-4568-4 Font: HVD_Peace, courtesy von Hannes von Döhren
Zu diesem Buch Zu diesem Buch Mit der Erzählung Münchner Feigheit spannt der Autor W.A. Riegerhof für den Lebenskünstler Paul Lindner ein Seil, zwischen der grauen Provinz und dem Rampenlicht der Isarmetropole. Eine faszinierende Manege: vom schnellen Glück der Drogen und der Kurzatmigkeit der Münchner Schickeria; den Sehnsüchten und Süchten, der Wahrhaftigkeit und dem Selbstbetrug, den Champagnersuiten und den Isarbrücken. Die Tragik eines ausgehungerten Straßenköters, der auf den Geschmack der Großstadt kommt und ob der Fülle an Versuchungen seinen Geruchssinn verliert. Es wurde schwieriger für Straßenköter, die nichts mehr liebten, als nachts durch’s Revier zu streunen, um Katzen zu verbellen, nach denen sie sich eigentlich sehnten.
Die Leichtigkeit des Abschieds und die Schwere der Ankunft
Zwischen Sektbar und Salatköpfen
Zwischen Schleimspur und Blutspur
Auffälligkeiten – Verletzbarkeiten
Streetfighting Man
Hausherrnsöhnl`n
Überbrücken unter Brücken
Der Geruch einer Umarmung
Willkommen im Club
Kaffeekränzchen und Muskelspiele
Der harte Kern
Die Atome und das Nichts
Ein aufziehendes Tief
Reizende Zeiten
Des Kaisers neue Kleider
Seilschaften und Abgründe
Nachtentzug
Das Grab der Lüfte
Straßenbekenntnisse
Ein Pensum an Tag
Nachlese
Gewidmet
Pressespiegel
Imprint
Münchner Feigheit
W.A. Riegerhof
published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Copyright: © 2013 W.A. Riegerhof
Coverdesign: Karl-August Schachtinger
Lektorat Textwissen, Berlin
ISBN 978-3-8442-4568-4
Font: HVD_Peace, courtesy von Hannes von Döhren
Mit der Erzählung Münchner Feigheit spannt der Autor W.A. Riegerhof für den Lebenskünstler Paul Lindner ein Seil, zwischen der grauen Provinz und dem Rampenlicht der Isarmetropole.
Eine faszinierende Manege: vom schnellen Glück der Drogen und der Kurzatmigkeit der Münchner Schickeria; den Sehnsüchten und Süchten, der Wahrhaftigkeit und dem Selbstbetrug, den Champagnersuiten und den Isarbrücken.
Die Tragik eines ausgehungerten Straßenköters, der auf den Geschmack der Großstadt kommt und ob der Fülle an Versuchungen seinen Geruchssinn verliert.
Es wurde schwieriger für Straßenköter, die nichts mehr liebten, als nachts durch’s Revier zu streunen, um Katzen zu verbellen, nach denen sie sich eigentlich sehnten.
W.A. Riegerhof lotete seine Grenzen aus, überschritt sie zuweilen, um letztendlich immer wieder in der Literatur zu landen.
Performanceprojekte mit Schauspielschülern der Theaterakademie August Everding und dem Musikkomponisten Oliver Ringleb in der Reihe Barlyrik entstanden in den Jahren 2001-2008 ebenso wie das Künstlerbuch Verdichtung mit dem Maler und Grafiker Heinz Felbermair.
Der Autor ist kein Erfinder seiner Geschichten, er findet die Themen mit dem Instinkt der Straße, um den alltäglichen Knochen „Leben“.
2011 schlug Riegerhof mit seiner Erzählung Gnadenbrot ein Fenster in die Sterbeanstalten des Vergessens und rüttelte an den Gefängnissen der Pflegeheime.
Mit „Münchner Feigheit“ wirft der Autor dem Leser erneut einen Knochen hin: ein würziger Nachgeschmack an Intensität und Naivität des Münchner Nachtlebens der 80er Jahre.
W.A. Riegerhof, am 31.10.1962 in der Steiermark geboren, lebt und arbeitet seit 1984 als freier Autor in München.
Im Dunkeln, in einer fremden Stadt,
nachdem ihr euch losgesagt habt
von Freunden, Verwandten und Jobs,
haltet euch nicht für fair und
versucht es auch nie zu sein!
Charles Bukowski
Als Paul Lindner vor 30 Jahren in tiefster steirischer Provinz in den Zug nach München stieg, konnte er, dank seiner Naivität, nicht ahnen, dass mit jedem Kilometer der Entfernung, mit jedem Jahr, das sich fortan zwischen seine Herkunft schob, die Genetik seiner Familie näher rückte. Immer tiefer, wie ein Sturzbach seines Blutes, war jener Einfluss, dem er sich zeitlebens zu entziehen versuchte und von dem er doch wie ein Fluch durchrauscht blieb.
Einzig allein die Mechanik seiner Naivität, den Antrieb seiner Fantasie und den Treibstoff seiner Träume verdankte Paul Lindner dem stetigen Entkommen provinzieller Vernunft, dem Entfliehen seiner verängstigten Gene.
Diesen Tatsachen, fern aller Logik, verdankte er, dass es ihm nicht wie allen Scheiternden erging, die den Rückzug antraten, um danach namenlos wie alle Unversuchten in der Provinz schnell zu altern und langsam an jenem unversuchten Dasein zu krepieren.
Im Rückblick waren die Wege, die er ging, die Haken, die er schlug, um sich vermeintlich näher zu kommen, gleichzeitig auch die Wege und Haken, die ihn von seiner Persönlichkeit entfremdeten.
Jener Person, jener Provinzängstlichkeit erwuchs eine Eigenständigkeit, die ihn im Laufe der Zeit wie einen Fremden auf sich zurückblicken ließ.
Die Geschichten der Jahre hatten sich dazwischen geschoben, die einstigen Wünsche wunschlos und die damaligen Ziele ziellos und verschwommen gemacht.
Und diese Erkenntnis nannte sich also „Leben“, dachte Paul Lindner.
Zwischen Provinzmensch und Stadtmensch hatte sich eine Art von dritter Person in ihm entwickelt. Eine Persönlichkeit, eine Lebendigkeit, die vorwiegend die Wege zwischen Wahrheit und Lüge suchte und immer mehr die Pfade der Einsamkeit vorfand. Wege, wie sie wohl alle Outlaws gehen, die innerlich nach Annäherung suchen und sich äußerlich ablehnend geben.
Der Mensch trägt immer
seine ganze Geschichte und
die Geschichte der Menschheit mit sich!
C.G. Jung
Die Leichtigkeit des Abschieds und die Schwere der Ankunft
Der weinrote Lederkoffer, mit dem Paul Lindner am Münchner Hauptbahnhof ausstieg, er allein bezeugte die Reiseunfähigkeit und Reiseunlust der Provinz.
Dieses weinrote Lederungetüm hatte die Schwere und Originalität eines Erstkommunionanzugs und man sah ihm seine beschränkte, provinzielle Mobilität förmlich an.
Paul Lindners Lederkofferankunft kam infolge- dessen den Klischees eines kitschigen Heimatromans sehr nahe, in dem die schwangere, verstoßene Magd ihr Glück in der fremden Stadt suchte. Paul Lindner fühlte sich verstoßen und abgestoßen von ländlicher Intoleranz und seine Seele war schwanger von abenteuerlichen, freien Gedanken. Eine Befreitheit, die sein schwerer Lederkoffer so gar nicht widerspiegelte.
Es war, als trüge er seine Vergangenheit mit sich, nach dem Motto der Unfreiheit: ich habe einen Gefangenen und der lässt mich nicht los!
Paul Lindner wartete vor`m Bahnhofsgebäude in der Schwanthalerstraße auf ein Taxi.
Zuweilen war er das Stadtleben gewöhnt, wohnte immerhin ein halbes Jahr in Wien.
Wer Wien überlebt, die Stadt der Destruktive, der überlebt jede Metropole, sagte er sich. Aber allein die Grenzüberschreitung, die Passkontrollen machten ihm das Fremdsein, sein eigenes Grenzüberschreiten bewusst. Und er hatte sofort ein ungutes Bauchgefühl, dass ihn diese Fremde von übermäßiger Größe erdrücken könnte, ihn zu einem winzigen Nichts machte, bevor sein Stern hier aufging. Es fiel ihm augenblicklich ein, wie ihm in fremdsprachigen Ländern stets ein Gefühl an Einzigartigkeit überkam, ein Verstecktsein in der fremden Sprache, eine Art von Tarnkappenschutz in der eigenen Sprache. Jedoch in München, in derselben Sprache und Kultur, fühlte er sich wie ein Niemand, ein Nichts und als Nichts durchschaut.
Читать дальше