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Dick Francis: Nervensache

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Dick Francis Nervensache

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Skrupellose Geschäftemacher bedrohen die Existenz des Rennplatzes Seabury. Immobilien-Schwindel? Privatdetektiv Sid Halley, Ex-Jockey, soll dies aufklären. Dabei trifft er auf einen Gegner, der keine Skrupel kennt: Howard Kraye. Und auf die ebenso schöne wie eiskalte Doria. Ihre Gelüste bringen Held und Gegenspieler gleichermaßen auf Trab…

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Dick Francis

Nervensache

Kapitel 1

Ich war von meinem Job nie besonders begeistert gewesen, bis zu dem Tag, als ich angeschossen wurde und ihn beinahe verlor, zusammen mit meinem Leben. Aber die Kugel, die mir die Gedärme zerfetzte, war in gewisser Weise der erste Schritt auf dem Weg zur Freiheit, obwohl ich es damals nicht ahnte. Die Kugel traf mich, weil ich unvorsichtig war. Die Unvorsichtigkeit entsprang der Langeweile.

Ich kam im Krankenhaus langsam zu mir, in einem Zimmer erster Klasse, wofür ich später gehörig blechen mußte. Noch bevor ich die Augen öffnete, begann ich zu bedauern, daß ich nicht für ganz Abschied von der Welt genommen hatte. Unter meinem Nabel schien ein Feuer zu lodern.

Mit keineswegs gedämpften Stimmen stritt man sich über meinen Kopf hinweg. Ohne sonderliche Begeisterung versuchte ich auszumachen, worum es ging.

«Können Sie ihm nicht etwas geben, daß er schneller wach wird?«

«Nein.«

«Wir können kaum etwas unternehmen, bis er seine Aussage gemacht hat, das sehen Sie doch ein. Seit der Operation sind jetzt sieben Stunden vergangen. Immerhin — «

«Aber dafür lag er vier Stunden auf dem Operationstisch. Wollen Sie ihm den Rest geben?«

«Doktor…«:

«Tut mir leid, Sie müssen warten.«

Der hält wenigstens zu dir. Sie müssen warten. Wer hat es schon eilig, in die triste Welt zurückzukehren? Warum nicht einen Monat lang schlafen und erst wieder anfangen, wenn das Feuer erloschen ist?

Ich öffnete widerstrebend die Augen.

Es war Nacht. An der Decke glomm eine Lampe. Stimmt, dachte ich. Jones hatte mich am Morgen auf dem Linoleumbelag im Büro verblutend aufgefunden und war zum Telefon gerannt. Seit der ersten barmherzigen Spritze waren also etwa zwölf Stunden vergangen. Reichte ein Vorsprung von vierundzwanzig Stunden für einen von Panik ergriffenen, ungeschickten kleinen Verbrecher, um das Land zu verlassen und alle Spuren zu verwischen?

Links von mir standen zwei Polizeibeamte, der eine in Uniform, der andere in Zivil. Sie schwitzten, denn im Zimmer war es heiß. Der Arzt stand auf der rechten Seite und machte sich an einem Schlauch zu schaffen, der von einer Flasche zu meiner Armvene führte. Ein paar andere Schläuche sprossen in widerwärtiger Weise aus meinem Bauch, zum Teil durch ein dünnes Laken verdeckt. Tropfinfusion und Drainage, dachte ich ironisch, einfach großartig!

Radnor beobachtete mich vom Bettende aus, ohne an dem Streitgespräch zwischen Heilkunst und Arm des Gesetzes teilzunehmen. Ich hatte nicht gedacht, daß sich der Chef selbst an mein Bett begeben würde, aber es kam wohl auch nicht jeden Tag vor, daß einer seiner Leute in ein derartiges Schlamassel geriet.

«Er ist wieder bei Bewußtsein, und seine Augen sind nicht mehr so glasig. Vielleicht bekommen wir diesmal mehr aus ihm heraus.«

Er schaute auf die Uhr.

Der Arzt beugte sich über mich, prüfte meinen Puls und nickte.

«Also gut, fünf Minuten. Keine Sekunde länger!«

Der Polizeibeamte in Zivil kam Radnor um den Bruchteil einer Sekunde zuvor:»Können Sie uns sagen, wer Sie

niedergeschossen hat?«

Das Sprechen fiel mir immer noch erstaunlich schwer, aber es war mir nicht mehr unmöglich wie am Morgen, als sie mich dasselbe gefragt hatten. Offenbar schien es mir doch besser zu gehen. Trotzdem blieb dem Polizeibeamten Zeit genug, seine Frage zu wiederholen und eine Weile zu warten, bis ich eine Antwort zustande brachte.

«Andrews.«

Der Name bedeutete dem Polizeibeamten nichts, aber Radnor machte ein erstauntes und zugleich enttäuschtes Gesicht.

«Thomas Andrews?«fragte er.

«Ja.«

Radnor erteilte dem Polizeibeamten Aufklärung.»Ich habe Ihnen gesagt, daß Halley und sein Kollege eine Falle gestellt hatten, um eine Sache aufzuklären, mit der wir befaßt waren. Sie erhofften sich einen großen Fang, aber es sieht jetzt doch so aus, als sei ihnen nur ein ganz kleiner Fisch ins Netz gegangen. Andrews ist unbedeutend, ein schwächlicher junger Mann, der Botendienste leistet. Ich hätte nie gedacht, daß er eine Schußwaffe besitzt, geschweige denn sie gebraucht.«

Ich auch nicht. Er hatte den Revolver ungeschickt aus der Jackettasche gezogen, ihn unsicher auf mich gerichtet und mit beiden Händen abgedrückt. Wenn ich nicht gesehen hätte, daß vom Köder nur Andrews angelockt worden war, wäre ich nicht unachtsam aus der Dunkelheit der Toilette getreten, um ihn eines Einbruchs in die Büroräume des Ermittlungsdienstes Hunt Radnor um ein Uhr nachts in der Cromwell Road zu überführen. Ich war gar nicht auf den Gedanken gekommen, daß er mich angreifen könnte.

Bis ich begriff, daß er die Waffe im Ernst gebrauchen wollte und nicht nur drohend damit herumfuchtelte, war es viel zu spät. Ich hatte den Lichtschalter noch nicht ganz herumdrehen können, als mich die Kugel traf, meinen Körper schräg durchschlug und wieder austrat. Ich sank auf die Knie und

stürzte vornüber zu Boden.

Er lief mit steifen Beinen zur Tür, stieß einen Schrei aus, und seine Augen waren weit aufgerissen. Er schien über das, was er angerichtet hatte, genauso entsetzt zu sein wie ich selbst.

«Um welche Zeit fiel der Schuß?«fragte der Polizeibeamte förmlich.

«Gegen ein Uhr.«

Der Arzt zog abrupt den Atem ein. Er brauchte es nicht auszusprechen; ich wußte, daß ich nur durch Glück noch am Leben war. Immer schwächer werdend, hatte ich in der kühlen Septembernacht auf dem Boden gelegen und ein Telefon angestarrt, mit dem ich keine Hilfe herbeiholen konnte. Alle Apparate im Büro waren an eine Vermittlung angeschlossen. Das Ganze hätte sich ebensogut auf dem Mond abspielen können, statt auf dem kurzen Weg vom Flur, die Treppe hinunter, bis zur Tür des Empfangsschalters — wobei das Mädchen, das den Klappenschrank bediente, im Bett lag und schlief.

Der Polizeibeamte machte sich Notizen.»Ich kann eine Beschreibung von Thomas Andrews auch von jemand anderem bekommen, damit ich Sie nicht allzusehr strapazieren muß«, sagte er,»aber vielleicht könnten Sie mir sagen, was er anhatte?«

«Schwarze Leinenhose, sehr eng. Olivgrüner Pullover, weites schwarzes Jackett. «Ich machte eine Pause.»Schwarzer Pelzkragen, schwarzweiß-kariertes Innenfutter — abgetragen, schmutzig. «Ich zwang mich, weiterzusprechen.»Er hatte den Revolver in der rechten Jackettasche. Keine Handschuhe. Kann nicht vorbestraft sein.«

«Schuhe?«

«Nicht gesehen. Aber offenbar Gummisohlen.«

«Und sonst?«

Ich überlegte.»Er hatte ein paar Verzierungen am linken Jackettärmel. Ortsnamen, Totenschädel mit gekreuzten Knochen und so.«

«Aha. Na schön, das genügt vorerst. «Er klappte sein Notizbuch zu, lächelte kurz, drehte sich um und ging zur Tür, gefolgt von seinem uniformierten Begleiter und Radnor, der offenbar Andrews zu beschreiben hatte.

Der Arzt tastete nach meinem Puls und überprüfte der Reihe nach die Schläuche. Sein Gesicht zeigte Zufriedenheit.

«Sie müssen eine Pferdenatur haben«, meinte er lebhaft.

«Nein«, sagte Radnor, der gerade wieder zur Tür hereinkam und die Bemerkung hörte.»Pferde sind eigentlich sehr zarte Geschöpfe. Halley hat die Konstitution eines Jockeys. Er hat früher Hindernisrennen geritten. Sein Körper ist wie ein Stoßdämpfer, das muß er auch sein, wenn man all die Verletzungen und Brüche verdauen will, die er schon erlitten hat.«

«Und die Hand hat er sich auch bei einem Sturz verletzt?«

Radnors Blick streifte mich kurz. Von meiner Hand wurde im Büro nie gesprochen. Keiner erwähnte sie, mit Ausnahme meines Fallensteller-Kollegen Chico Barnes, der bei keinem Menschen ein Blatt vor den Mund nahm.

«Ja«, sagte Radnor knapp.»Das stimmt. «Er wechselte das Thema.»Na, Sid, besuchen Sie mich, wenn es Ihnen besser geht. Lassen Sie sich Zeit.«

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