1 ...8 9 10 12 13 14 ...18 »Habt ihr etwas entdeckt?«, rief Tischler.
»Kann sein. Schaut Scheiße nach Blut aus, da!«, antwortete Leo.
Schnell überquerten die Polizisten die Straße. Tatsächlich befanden sich auf dem Boden mehrere kleine dunkle Flecken.
»Ich bin mir nicht sicher, ob es sich hier um Blut handelt«, kommentierte Mangel.
»Das sieht doch ein Blinder, Mann, dass das Blut ist. Was wärs denn sonst? Rotwein oder was?« Leo war sofort aggressiv, kaum dass der Polizist den Mund aufmachte.
»Mit bloßem Auge lässt sich das nicht eindeutig klären«, entgegnete Tischler.
»Sollen wir die Spurensicherung holen?«, fragte Mangel.
»Würde nicht schaden. Im Gegensatz zu eurer Anwesenheit«, sagte sie zu den beiden Jungs. »Wenn es sich hier um einen Tatort handelt, seid ihr gerade munter am Spurenverwischen. Also tretet bitte ganz sachte ein paar Schritte zurück.«
Die Kickboxer taten, wie ihnen befohlen wurde. Mangel telefonierte mit den Kollegen von der Spurensicherung und Tischler schaute sich weiträumig den potenziellen Tatort an. Der Weg verbreiterte sich hier, denn es war ein kleiner Parkplatz für rund acht Autos angelegt. Auf Schildern stand zu lesen, das Parken sei nur Kleingärtnern erlaubt.
Auf dem Parkplatz lag Rollsplitt, nicht allzu viel, aber genügend, um gewisse Spuren, gewisse Unregelmäßigkeiten zu erkennen. Tischler nahm eine schmale Bahn von etwa einem Meter Länge wahr. Möglicherweise war hier jemand ausrutscht und hingefallen.
Etwa drei Meter von der Stelle entfernt parkte ein Auto, ein roter Ford Fiesta mit Münchner Kennzeichen. Der Wagen hatte einen Platten, stand also vermutlich schon gestern da. Etwa einen halben Meter vor der Fahrertür befanden sich nochmals langgezogene Fußspuren. Langsam ging die Kommissarin auf das Auto zu. Es glänzte in der Sonne, allerdings nur an einer Stelle, und zwar an der Beifahrertür. Sie war offensichtlich eingedellt.
Tischler beugte sich und betrachtete die Stelle genau. Es handelte sich um eine frische Beule, nicht allzu groß. Das wäre nicht weiter erstaunlich gewesen, wäre nicht dieser besondere Glanz gewesen. Bei näherem Hinsehen erhärtete sich Tischlers Verdacht. Es war Goldstaub.
06Der schöne Tag lockte die Schrebergärtner des Münchner Ostens in ihre Parzellen. Erstaunt nahmen sie wahr, dass man einen Teil des Parkplatzes abgeriegelt hatte. Zwei Männer, die mit ihren Plastikhandschuhen und ihrer sonderbaren Kleidung ein wenig nach Außerirdischen aussahen, tummelten sich innerhalb der Absperrung. Davor standen eine Frau und ein Mann, die vergeblich versuchten, die Schaulustigen zu vertreiben wie Wespen im September.
Tischler wollte kein allzu großes Aufsehen erregen und hatte deshalb auf die Kollegen von der Schutzpolizei verzichtet, was sie angesichts der penetranten Schaulust bitter bereute.
»Wenn ich noch einmal ›Hier gibts nichts zu sehen‹ und ›Lediglich eine Routineuntersuchung‹ sagen muss, dann kotze ich«, gestand die Kommissarin Mangel.
»Machs nicht, denk an die Sauerei!«, entgegnete Mangel ungewohnt trocken.
»Woher weißt du, dass ich deine Jacke als Kotztüte benutzen wollte?«, fragte ihn Tischler ironisch.
»Ich danke dir, Barbara«, meinte Paul Siewert, der die Absperrung verlassen hatte und zu den Polizisten gegangen war.
»Ich wüsste nicht, wofür.«
»Ganz einfach, dir habe ich es zu verdanken, dass ich heute nicht acht Stunden in einem muffigen Labor und einem noch muffigeren Büro darbe, sondern ein bisschen in die Sonne komme. Da hat man ja richtig Frühlingsgefühle, auch wenn man so romantische Tätigkeiten verrichtet wie Blutflecken abkratzen.«
»Na, deine Frau wirds mir noch danken, wenn du wegen mir Aprilschmetterlinge im Bauch bekommst«, meinte Tischler etwas anzüglich. »Es handelt sich also wirklich um Blutflecken?«
»Was hast du gedacht? Dass die hier Rotwein ausgekippt haben?«
»Den Spruch habe ich heute schon aus weniger berufenem Mund vernommen.«
»Nein, du hast Recht. Hundertprozentig kann man sich nicht sicher sein, aber mein geübtes Auge sagt mir, dass das Blut ist, möglicherweise von mehreren Personen. Aber Genaueres erfährst du heute Abend.«
»Was sagst du zu den Spuren auf dem Rollsplit?«
»Die sind fast noch eindeutiger als die Blutflecken. Da ist einer ausgerutscht. Ob ein Schlag oder ein Kampf vorausging, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall hatte derjenige, der zu Boden ging, mit höchster Wahrscheinlichkeit einen speziellen Gegenstand dabei.«
»Einen goldigen Gegenstand?«, riet Tischler und hob die Augenbrauen.
»So ist es. Könnte ein großer Pokal gewesen sein oder dergleichen. Die Spuren im Lack sind auf jeden Fall frisch.« Plötzlich nieste Siewert mehrmals hintereinander, als hätte er ein Munitionsdepot in der Nase.
»Das sind wohl auch Frühlingsgefühle, allerdings der unangenehmen Art«, meinte Tischler süffisant.
»So ist es. Birken, die sind die Schuldigen. Und davon gibts in den Schrebergärten wohl einige«, entgegnete Siewert und schnäuzte kräftig.
»Woher kamen die Leute, die diese Spuren hinterließen?«, wollte Tischler noch wissen.
»Das kann ich nicht genau sagen, der Regen in den Morgenstunden hat wohl einiges weggewaschen. Aber ich vermute, aus dem südlichen Gartenabschnitt.«
Siewert deutete auf das Portal neben dem Parkplatz.
»Du meinst also, dass zwei Leute in der Nacht aus der Gartenkolonie gerannt kamen. Einer hat einen goldenen Gegenstand dabei, den er möglicherweise gestohlen hatte. Er wird von dem Mann, dem das wertvolle Stück gehört, niedergeschlagen oder zumindest in eine Rauferei verstrickt.«
»Das ist alles denkbar, aber pure Spekulation.« Siewert nieste noch einmal kräftig und fluchte auf die Birken.
»Wie kommt nun unser Kemal ins Spiel? Hat er die beiden bei ihrer Schlägerei überrascht? Wurde wirklich einer von den beiden ermordet? Wo ist dann der Tote? Wo ist der goldene Gegenstand?«
»Das klingt nach einer Menge Arbeit, Barbara. Forsch mal nach. Ich kümmere mich inzwischen um die Blutproben hier und vergleiche sie mit den Blutspritzern auf Kemals Kleidung. Bis dahin solltest du aber auch daran denken, dass wir hier nur einen Vielleicht-Tatort haben. Vielleicht ist jemand gestern Abend hier ausgerutscht? Und ein anderer hatte schweres Nasenbluten? Ist alles möglich. Oder vielleicht ist das hier nur Ochsenblut?«
Siewert packte seine Utensilien zusammen und bedeutete seinem Gehilfen, er solle sich zum Aufbruch bereit machen.
»Das heißt, Kemals Mord, den er möglicherweise beobachtete, könnte auch an einem anderen Ort stattgefunden haben.«
»Das heißt das wohl«, grinste der Spurenexperte, der genau wusste, was dieser Schluss für die Kommissarin bedeutete.
»Dann marschieren wir mal bis Kemals Wohnung, Ralf. Auf gehts. Wir drehen eine kleine Runde durch den Ostpark. Und immer die Augen offen halten, wir könnten ja einen Blutfleck entdecken.«
Überrascht blickte Mangel seine Chefin an. Er war felsenfest davon überzeugt, hier den Tatort vor sich zu haben.
»Nein, der könnte auch anderswo sein«, korrigierte ihn Tischler. Dann holten sie Kemal von seinem Freund ab, wo sie ihn während der Untersuchung deponiert hatten. Aus Rücksicht auf ihren Kollegen wimmelte Tischler diesmal jedoch Leo ab. Sie wollte nicht riskieren, dass es auf dem Weg nach Neuperlach einen weiteren Blutfleck gab.
Als sich die Tür öffnete, erblickte David Walker ein altbekanntes Gesicht. Man hatte sich gestern schon zweimal gesehen, einmal allerdings im Dunklen. Das war einmal zu viel. Er hatte seinen Kontrahenten unterschätzt und einen Fehler begangen, einen amateurhaften Fehler. Wie konnte ihm das bei seiner Erfahrung passieren? Doch Routine ist oft der Feind der Konzentration.
Sein Gegenspieler hielt etwas linkisch ein Fleischmesser in der Hand, vermutlich die schärfste Waffe, die er in seinem Haus hatte.
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