Joel bedankte sich wieder bei ihr und legte auf, blieb aber noch eine Weile in der Nische sitzen. Er konnte es ebenfalls kaum erwarten, vor allem von hier wegzukommen und darüber nachzudenken, was der königliche Auftrag bedeuten würde. Es ging nicht nur um die Ringe für das Paar, sondern um Geschenke für die gesamte Hochzeitsgesellschaft, auch für die VIP-Gäste. Bisher hatte er es nicht gewagt, irgendjemanden außer Teresa und seinen Head of Design einzuweihen. Er hatte den Auftrag nicht verschreien wollen. Und Starsmiths bisherige Arbeit hatte ihnen zwar Aufmerksamkeit eingebracht, aber er wusste, dass dieser Auftrag etwas noch Besseres erfordern würde – eine Mischung aus modernem Stil und traditioneller Eleganz. Sein firmeninternes Design-Team war ausgezeichnet, aber vielleicht sollte er jemand Unabhängigen engagieren, der frischen Wind mitbrachte. Es würde jemand sein müssen, der sowohl innovativ als auch talentiert genug war. Project Palace. Genau so würden sie es nennen. Gott! Wenn sie damit Erfolg hatten, könnte Starsmith zur ersten Wahl von Königsfamilien rund um die Welt werden…
»Sie sehen aus, als könnten Sie einen Drink gebrauchen. Darf ich Ihnen einen spendieren?«
Joel sah zu dem Mann von der Bar auf, der herübergeschlendert war. Jetzt hatte er ein Bier in jeder Hand und hielt Joel eins davon hin. Sein Lächeln war fragend, ein wenig nervös. Es war ein sehr attraktives Lächeln. Joel merkte, wie es ihn unwiderstehlich anzog, auch die Selbstironie, die er darunter sah, vermischt mit einem unleugbaren Hauch Verschmitztheit. Er war ungefähr so groß wie Joel und in seinem Alter, hatte haselnussbraune Haare, die an den Seiten kurz geschnitten und oben wellig waren, einen dunklen Bartschatten und scharfe blaue Augen. Schöne, lebendige Augen. Er trug einen dunklen Anzug, der elegant, aber wahrscheinlich schon ein paar Jährchen alt war, und der kräftige Körper unter dem weißen Hemd deutete auf Muskeln und körperliche Fitness hin. Vielleicht ein Mann, der im Freien arbeitete. Joel hatte ihn nicht im Ballsaal gesehen, obwohl der Anzug darauf hindeutete, dass er irgendwo geschäftlich zu tun hatte. Keine Krawatte, kein Ausweis an einem Lanyard, keine schmierige, habgierige Arroganz in seiner Haltung. Joel war überrascht, wie sehr ihn das erleichterte.
»Ich hab zufällig Ihr Lächeln mitbekommen«, sagte der Fremde unverblümt. »Nach dem Anruf. Wie bei einem privaten Witz oder so.«
»Verzeihung?«
»Scheiße.« Der Mann runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Verdammt, ich muss Sie um Verzeihung bitten. Normalerweise bin ich ein höflicherer Gesprächspartner. Ich habe nur gemeint… Es war gut, jemanden heute so fröhlich zu sehen. Ich frage nicht, was es für ein Anruf war – das ist Ihre Angelegenheit.«
»Ja. Das ist es.«
Jetzt wirkte der Mann irritiert. Seine Miene wandelte sich innerhalb von Sekunden. All seine Gedanken schienen sich in seinem Gesicht zu spiegeln. Offenbar war er nicht zu professioneller Distanz fähig. Er zeigte nicht das zurückhaltende Benehmen, an das Joel gewöhnt war, und Joel war enttäuscht, als er keine Spur des ursprünglichen sexy Grinsens mehr entdeckte.
»Ich dachte nur, Sie wollten vielleicht ein bisschen feiern, egal, worum es geht«, sagte der Kerl. »Aber Sie wollen nicht, dass ein ungeschickter Idiot wie ich dabei stört.« Er stellte das Bier vor Joel auf den Tisch und trat einen Schritt zurück. »Ich lasse Sie mal allein.«
»Warten Sie.« Die Worte entkamen Joel, ohne dass er weiter darüber nachgedacht hatte. Er wusste nicht, ob das eine Anmache war – war nicht sicher, ob es ihn störte. Er bekam mehr als genug Annäherungsversuche, wenn er tatsächlich in London ausging, und wusste, dass seine hohe Stellung und die Macht attraktiv waren. Außerdem sah er nicht schlecht aus, obwohl er sich nicht für besonders eitel hielt. Aber dieser Kerl hatte offenbar keine Ahnung, wer Joel war, hatte ihn gerade mit einem einfachen Ausdruck der Kameradschaft angesprochen. Dieser Kerl, der so erfrischend offen sprach, wie Joel es von den Unternehmern an diesem Abend nicht erlebt hatte, der daran gedacht hatte, Joel auf einen Drink einzuladen, obwohl Joel sich auf Starsmiths Kosten mehrere Male um den Verstand hätte trinken können, und der… heiß war.
Was erwartete Joel schon, wenn er nach Hause kam, abgesehen von Plänen für den nächsten Arbeitstag? Und ja, verdammt, auch wenn er niemandem erzählen konnte, warum, er wollte feiern.
»Setzen Sie sich zu mir«, sagte er und deutete lächelnd auf den gepolsterten Platz neben sich.
Matthew Barth glitt in die Nische und verfluchte sich für seine Unbeholfenheit. Er war groß und stämmig – anders als der elegante Mann ihm gegenüber. Und diese verdammten Sitznischen fühlten sich an, als würde man in den Mutterleib zurückfallen, mit der Tischkante am Bauch und der Hose eng um die Schenkel, denn ja, er wusste, er hätte vor vielen Jahren in einen neuen Anzug investieren sollen. Aber er war glücklicher in Jeans und Sweatshirt und hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht. Und wofür zum Teufel brauchte er überhaupt einen Anzug? Er hatte sich noch nie um diese Veranstaltungen geschert und würde ab morgen bestimmt an keiner mehr teilnehmen.
»Die Möbel sind nicht gerade komfortabel gebaut, oder?«, sagte der attraktive Fremde und sein Lächeln war beruhigend. Er war zur Seite gerutscht, um Matt Platz zu machen, und jetzt saßen sie nebeneinander. »Mich haben die Metallknöpfe in den Hintern gestochen.«
Matt lachte und schob sich die Haare aus der Stirn. Sie blieben nie lange in Form und er vergaß ständig, Gel zu verwenden. Er hätte sich vor dem Abend auch rasieren sollen. Neben der perfekten, glatten Haut dieses Kerls sahen seine Stoppeln nicht gerade gut aus. Matt fragte sich, ob sein Bart genauso blond wäre wie seine perfekt gestylten Haare oder ob er eine Spur Rot darin finden würde. So schöne, scharfe, funkelnde Augen, die Matt so selbstsicher anblickten. Und diese hohen Wangenknochen, der markante Kiefer – der Mann war verdammt hinreißend.
Matt schwankte zwischen einer Welle lustvoller Anziehung und Verlegenheit. Wahrscheinlich hätte er sein Sakko nicht ausziehen sollen. Er hatte sein Hemd nicht sehr gut gebügelt. Gott sei Dank hatte er nichts verschüttet, als er es sich unbeholfen bequem gemacht hatte.
»Ich bin Matt«, sagte er und streckte die Hand aus. Der andere Mann schüttelte sie. Sein Händedruck war kühl, aber fest. Matt war nicht überrascht, als ein Funke der Erregung seine Wirbelsäule hinabzuckte.
»Joe«, sagte der Mann leise – jedenfalls hatte Matt das verstanden. Das Paar in der Nische hinter ihnen war in lautes Gelächter ausgebrochen, gerade als Joe sich vorgestellt hatte. Joe verzog das Gesicht, fing Matts Blick auf und lächelte reumütig.
»Belassen wir es dabei, ja? Nur Vornamen«, sagte Matt schnell. »Ich wette, wir haben beide genug von diesem Abend, nachdem wir uns immer wieder mit vollem Namen, Rang und Seriennummer vorgestellt haben.«
Joe zog die Augenbrauen hoch, aber dann nickte er. »Ja, du hast recht. Das ist ermüdend. Also, du bist wegen des Events der Juweliere hier?«
Matt fragte sich, was Joe dachte, warum er sonst hier sein könnte. Er war wohl kaum gut genug für den üblichen Kundenstamm im Claridge's gekleidet, aber natürlich hatte er den Großteil des Abends damit verbracht, sich in dieser kleinen, abgelegenen Bar zu verstecken, statt sich unter die Leute aus der Branche zu mischen. »Ja. Zum Glück ist es jetzt fast vorbei. Meine Pflicht ist getan und die letzte Bahn geht um elf.« Er gab dem Barkeeper, der unter der Theke verstohlen ein Cocktailbuch studierte – Matt hatte ihn bereits mehrmals damit erwischt –, ein Handzeichen und bestellte noch zwei Bier. Joe nickte zustimmend. Er hatte sein erstes bereits fast geleert. Vielleicht hatte er genug von dem allzu trockenen Champagner im Ballsaal gehabt.
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