Einer von Joels Assistenten aus dem Business Development erhob die Stimme. »Sprichst du von Barth's? Matthew Barth?«
Alle drehten sich zu ihm um. Rafe war jemand, den Joel nicht selbst eingestellt hatte – er hatte kurz vor Joel bei Starsmith angefangen –, und er hatte sich noch kein Urteil über ihn gebildet. Rafe war sehr attraktiv, sehr charmant, aber auch sehr arrogant. Seine Erfolgsrate war hoch, aber Joel hatte so eine Ahnung, dass Rafe einige Abkürzungen dafür in Kauf genommen hatte. Joel hatte es nie gemocht, wenn Kunden mit der Peitsche gewonnen wurden.
»Ja«, sagte Addam. »Erinnerst du dich an die herrliche ägyptische Anubis-Kollektion, die er designt hat?«
»Das ist Jahre her«, murmelte Rafe und schüttelte den Kopf.
»Sie war meisterhaft.« Joel erinnerte sich, sie in den Zeitschriften gesehen zu haben. Sie hatte sogar eine Erwähnung vom British Museum bekommen.
»Sie ist immer noch eins der besten Werke, die ich je gesehen habe«, sagte Addam lebhaft. »Wie er das Metall so winzig gestaltet hat, dass es den ägyptischen Schakalgott darstellt – ich habe selten jemanden mit solchem Talent darin gesehen, Alt und Neu auszubalancieren. Er ist den Linien uralter Amulette und Talismane gefolgt, den Gegenständen, die für Leute in diesen Zeiten kostbar waren. Aber gleichzeitig hat er ihnen mithilfe moderner Produktionsprozesse einen edlen Schimmer verliehen.« Addam stieß einen weiteren übertriebenen Seufzer aus und legte eine Hand aufs Herz. »Einige der Stücke haben lebendig ausgesehen, so stark sind Leben und Lust durch sie geflossen.«
Teresa zog die Augenbrauen hoch und lächelte über Addams Begeisterung. »Lust?«
»Hey.« Addam war nicht beleidigt. Mit seinem Selbstbewusstsein war er das selten. »Manche müssen sich ihr Vergnügen holen, wo sie können. Joel, zieh den Mann ernsthaft in Betracht. Er hat mit Gold gearbeitet, genau das, was wir suchen. Und er hat ein Auge für das Ungewöhnliche. Aber wenn ich so an die konservativen Leute denke, die immer noch einen Großteil der Guild führen, ist das wahrscheinlich der Grund, warum er nie groß rausgekommen ist.«
Rafe schnaubte. »Das und seine problematische Einstellung.«
Joel drehte sich zu ihm. »Was meinst du damit?«
Rafe zuckte mit den Schultern. »Ich habe gehört, dass er ein wandelndes Pulverfass ist. Aggressiv, arrogant. Es ist nicht so, dass er mit niemandem außerhalb seines Familienunternehmens zusammenarbeiten will – viel wahrscheinlicher ist, dass niemand mit seinem Benehmen zurechtkommt.«
»Das habe ich auch gehört«, sagte Freddie widerwillig.
»Ja, Digby hat mir davon erzählt.« Lilys Verlobter Digby arbeitete ebenfalls im Business Development von Starsmith und hatte viele Kontakte in der Branche. »Er hat an einem Gemeinschaftsprojekt…«
»… mit Cavendish Gems gearbeitet, ja, ich erinnere mich«, fuhr Freddie fort. »Nach der Anubis-Kollektion haben sie Matthew Barth angesprochen, damit er die Designs übernimmt, aber er hat sich diese einmalige Gelegenheit entgehen lassen. Er…«
»… konnte kaum höflich bleiben, hat Digby gesagt«, endete Lily mit einem ironischen Lächeln.
»Ich würde nicht mit ihm arbeiten wollen, selbst wenn man mich dafür bezahlen würde«, sagte Rafe.
»Was ich tatsächlich tue«, murmelte Joel.
Rafe errötete und presste die Lippen zusammen.
»Er hat so großes Talent«, bettelte Addam, den Blick auf Joel gerichtet.
»Er kann nicht mit anderen zusammenarbeiten«, konterte Rafe.
»Joel?« Teresa seufzte leise, fast entschuldigend. »Matthew Barth war derjenige, mit dem wir das Problem bei der Übernahme hatten.«
Und das war etwas Ernsteres als künstlerische Meinungsverschiedenheiten. »Hilf mir auf die Sprünge.«
»Es war das Unternehmen seines Vaters. Desmond Barth hat den Preis bis zur letzten Minute vor Vertragsschluss in die Höhe getrieben. Die Rechtsabteilung war am Ende ihrer Kraft. Und ich bin ziemlich sicher, dass der Sohn hinter all den Streitereien gesteckt hat. Barth senior wollte alle möglichen zusätzlichen Klauseln im Vertrag haben, bevor er unterzeichnet hat. Bei diesen Klauseln ging es zwar um Zusatzleistungen für die Mitarbeiter und darum, ihre Verträge zu übernehmen, also waren sie berechtigt und wohlwollend gemeint –«
Rafe unterbrach sie: »Sie hatten schon den besten Deal, den sie bekommen konnten. Ich habe das Angebot selbst geschrieben. Das Unternehmen war kurz vor dem Ende, hatte überhaupt keine Anlagen, die Marke war so gut wie wertlos –«
»Ich glaube, mich zu erinnern, dass Barths Wohlwollen der Grund war, warum wir überhaupt an ihnen interessiert waren«, sagte Joel leise, aber bestimmt.
Rafe lief rot an. »Ja. Tja. Vielleicht hatte das einen gewissen Wert für uns. Aber der Sohn war uns ein Dorn im Auge, als es zur Unterzeichnung kam. Kommt mir vor, als würden wir uns selbst sabotieren, wenn wir ihn ins Team holen.«
Teresa stieß ein ungläubiges Lachen aus. »Sabotieren?«
Rafe funkelte sie an. »Ich bin täglich an der Front, kämpfe mit unseren Konkurrenten um die besten Deals und höre mir beiläufige Bemerkungen an, aus denen sich neue Chancen ergeben könnten. Ich habe gehört, dass Matthew Barth jedem, der es hören will, Schlechtes über Starsmith erzählt.«
»Er hat nicht unrecht, Joel«, sagte Lily. »Matthew Barth hat nie ein Geheimnis aus seiner Abneigung gegen Starsmith gemacht. Soweit ich gehört habe, waren die Verhandlungen nicht einfach. Nicht, dass wir je außerhalb des Büros darüber gesprochen hätten…«
»… oder dass das Team nicht damit hätte umgehen können«, fügte Freddie hilfreich hinzu und seine Wangen waren bei dem offensichtlichen Gedanken, dass Lily vor ihrem skrupellosen Boss Schwäche zeigen könnte, leicht gerötet.
»… aber Digby hat tatsächlich erwähnt, dass Mr. Barth junior extrem hinderlich war«, endete Lily.
Joel seufzte. Was sollte er mit diesen widersprüchlichen Aussagen anfangen? Starsmith entschuldigte sich nicht für seine aggressive Akquisitionsstrategie. Sie war von Joel unterstützt und gefördert worden, da er entschlossen war, die Firma zu einer der größten und besten zu machen. Bei Übernahmen gab es immer persönliche Probleme, die über die finanzielle Sorgfaltspflicht hinausgingen. Aber Joel konnte es sich nicht leisten, dass das einen Einfluss auf Project Palace hatte.
»Joel? Gib ihm eine Chance«, sagte Addam.
Joel atmete tief durch und nickte langsam. Er wandte sich an Teresa. »Bitte schick Mr. Barth hoch.«
Während die anderen die Fotos und Pläne einsammelten und in die mit vertraulich markierten Ordner zurücksteckten, ging er zu den bereitgestellten Erfrischungsgetränken hinten im Raum. Etwas daran, wie Rafe über den Sohn von Barth hergezogen hatte, hatte ihn über die gesprochenen Worte hinaus beunruhigt.
Während sein Glas unter dem Wasserspender volllief, beobachtete er, wie die Blasen darin platzten und blubberten. Dann hörte er, wie Teresa jemanden in den Raum brachte. Sein Nacken prickelte und er war nicht sicher, warum. Addam eilte hinter Joel durch den Raum, um den Neuankömmling zu begrüßen, gefolgt von einer Fahne seines teuren Eau de Cologne.
»Matthew! Ich bin so froh, dass Sie zugestimmt haben, uns hier zu treffen.«
Der Besucher räusperte sich. »Wenn Sie gehört haben, was ich zu sagen habe, werden Sie das nicht mehr sein.«
Bei den groben Worten des Mannes erstarrte Joel und der Schock durchfuhr ihn wie ein Blitz. Er starrte immer noch auf den Wasserspender, sah ihn aber nur noch verschwommen.
»Ähm.« Addam war offensichtlich verdutzt, erholte sich aber schnell. »Na ja, ich hoffe, Sie nehmen sich Zeit, um sich anzuhören, was wir zu bieten haben –«
»Genauso wie Sie zugehört haben, als Sie meinem Vater die Firma gestohlen haben?« Die Stimme war laut, die Worte knapp und schonungslos ausgestoßen. »Als Sie uns dazu gebracht haben, bis aufs Blut um jedes anständige Gegenangebot zu kämpfen, als Sie ihn dazu gezwungen haben, zu einem Preis an Sie zu verkaufen, der beleidigend weit unter dem eigentlichen Marktwert war? Als Sie ihn vor einer Woche fast in den Kollaps getrieben haben?«
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