»Liegt es am Preis?« Dan runzelte die Stirn. »Ich habe die Marge schon so tief gedrückt, wie ich kann. Sie interessieren sich nur für den Nettoprofit, ich weiß, also –«
»Ich interessiere mich für das beste Produkt zu einem wettbewerbsfähigen Preis.«
»Solange der niedriger ist als alle anderen auf dem Markt«, fauchte Dan zurück.
»Verzeihung?«, sagte Joel jetzt schärfer. Er war irritiert, denn was Dan andeutete, war nicht wahr. Starsmith zahlte faire Preise, aber nur für Produkte von höchster Qualität. Scheinbar hatte Marchant's weit niedrigere Standards und er hatte gehört, dass ihre Geschäftspraktiken nicht immer seriös waren. »Ich glaube, ich habe gerade gesagt, dass ich Ihnen Bescheid gebe.«
»Meine Güte.« Dan wirkte wütend und noch aufgebrachter. »Sie sind ein kalter Mistkerl, Sterling.«
»Ich bin ein gründlicher Mistkerl.« Joel klang ruhiger, als er sich fühlte. Kam dieses Summen an seiner Hüfte von einer eingetroffenen Nachricht? Es juckte ihn in den Fingern, nach dem Handy zu greifen. »Dafür bezahlt Starsmith mich. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss noch andere Leute treffen.«
Schnell flüchtete er aus dem Ballsaal, wobei er mehr als nur ein paar erstaunte Gesichter hinter sich zurückließ, und huschte in eine der kleineren Bars mit mehr Privatsphäre. Dort begrüßten ihn noch mehr stilvolles Dekor aus den 30ern, dunkles Holz und roter Samt und ein abrupt reduzierter Lärmpegel. Erleichtert sah er, dass die Bar fast leer war, abgesehen von einem Paar in mittleren Jahren in einer der kleinen, gemütlichen Sitznischen, einem jungen Mann, der mit einem Bier an der hufeisenförmigen Marmorbar saß, und einem Barkeeper, der sich bemühte, ein Gähnen hinter vorgehaltener Hand zu verbergen. Die Nacht neigte sich allmählich dem Ende zu, die Besucher der Veranstaltung würden bald in Clubs und Restaurants im Zentrum von London weiterziehen und wie es aussah, waren auch die Hotelgäste des Claridge's anderswo.
Joel blieb bei einer der leeren Sitznischen stehen, öffnete den Knopf seines Tom Ford-Sakkos und holte sein Handy aus der Tasche. Er hatte eine Nachricht, dass er im Büro anrufen sollte. Endlich! Hastig drückte er auf die Schnellwahltaste. »Teresa? Bist du noch auf der Arbeit?«
»Ich erledige in Ruhe und Frieden meinen Papierkram«, flüsterte seine Assistentin Teresa Manners halblaut. »Hier ist niemand außer mir und dem Putzmann und der ist am anderen Ende des Flurs. Kannst du reden?«
Nachdem er sich kurz umgesehen hatte, glitt Joel in die Nische, wo er auf der straff gepolsterten Bank sitzen konnte und die Seitenwände seine Stimme dämpfen würden. »Ja. Was gibt's?«
»Ich bin zu alt für diesen 007-Kram.« Teresa kicherte. Er wusste, dass sie über seinen Eifer den makellos frisierten Kopf schütteln würde. »Aber keine Sorge, inzwischen verstehe ich die Notwendigkeit zur Geheimhaltung. Mach dich bereit.«
Bereit für gute oder schlechte Neuigkeiten? Das war genauso, wie in der Schule auf Prüfungsergebnisse zu warten. »Sag schon!«
Sie erbarmte sich. »Mein inoffizieller Kontakt im Palace hat mich angerufen, sobald sie für heute fertig waren. Der Auftrag ist so gut wie unserer. Der Palace wird Starsmith morgen kontaktieren und die offizielle Ankündigung kommt nächsten Monat in der Fachpresse.«
»In drei Wochen!« Joel atmete tief durch, um seinen rasenden Puls zu beruhigen. Der Geruch in der Bar war eine schwere Mischung aus Holzpolitur, teuren Düften und gutem Alkohol. Joel glaubte, er würde sich ewig an diesen Duft erinnern, der einen der besten Momente seines Lebens begleitete. Er merkte, dass er grinste wie ein Idiot.
Diese Neuigkeit war lebensverändernd! Sechs lange Monate hatte Starsmith um einen Auftrag der britischen Königsfamilie verhandelt, den ersten der Firmengeschichte. Ursprünglich hatte Joel durch eine beiläufige Bemerkung auf einem von Starsmiths Mittagessen, die dem Networking dienten, davon gehört, an denen auch prominente Freunde des Adels teilnahmen. Für die erste Schwulenhochzeit eines Mitglieds der britischen Königsfamilie und direkten Nachkommen des Throns wurde eine Londoner Firma gesucht, um den Schmuck für das Brautpaar zu stellen. Prinz »Artie« Arthur, momentan an achter Stelle in der Thronfolge – jung, gut aussehend und mit demselben Funkeln in den Augen wie seine älteren Brüder William und Harry –, heiratete seinen langjährigen Freund, den unabhängig wohlhabenden Opernsänger Paolo Astra. Sie waren ein hinreißendes Paar und natürlich im Fokus der Presse, sodass die Medien sich bei der Aussicht auf die Berichterstattung bereits die Lippen leckten.
Es war Joels überwältigendes Verlangen gewesen, dieses Geschäft für Starsmith abzuschließen. Die Hochzeit würde erst in sechs Monaten stattfinden. Aber er hatte 24 Stunden nach der Ankündigung der Hochzeit eine Präsentation vor Vertretern des Palace gehabt und wusste, dass sie gut verlaufen war. Er hatte sein ganzes Herzblut hineingesteckt! Starsmith war bereits informiert worden, dass sie es auf die sehr kurze, ausgewählte und vertrauliche Liste zugelassener Firmen geschafft hatten.
Und jetzt war Teresas Nachricht wunderbar willkommen. Starsmith hatte gewonnen.
»Joel? Bist du noch da?« Teresa klang müde. »Solange ich noch deine Aufmerksamkeit habe, ich wurde gebeten, dich wegen einer der Übernahmen in diesem Monat zu warnen. Es geht um Barth Gems, einen kleinen, unabhängigen Juwelier, der seit einiger Zeit finanzielle Probleme hat. Unser Business-Development-Team hat sie vor Monaten für eine mögliche Übernahme ins Auge gefasst und die Unterzeichnung ist für morgen geplant. Aber der Inhaber protestiert noch gegen einige Bedingungen. Er steht kurz vor der Pensionierung und es ist ein Familienunternehmen – scheinbar gibt es einen Sohn. Einen unbeholfenen jungen Mann, der keine aktive Rolle in der Firma hat, der dem Vertragsabschluss aber immer wieder Steine in den Weg legt.«
Joel versuchte, sich wie üblich auf die Arbeit zu konzentrieren, aber seine Gedanken eilten bereits voraus. »Das Team schafft das schon.«
»Ich weiß. Sie wollten es dich nur wissen lassen.«
Joel wollte nichts über Hindernisse hören. Er wollte jubeln, tanzen und vor Begeisterung laut schreien. Es erstaunte ihn, dass die Luft um ihn herum sich nicht verändert hatte, aufgeladen mit seinen Emotionen. »Sag ihnen, sie sollen den Bedingungen zustimmen«, sagte er in einem Moment der Unbesonnenheit. »Ich kann mich nicht an die Details erinnern, obwohl ich sicher bin, dass das Geschäft nicht groß genug ist, um uns ernste finanzielle Sorgen zu bereiten. Aber wir wollen zu diesem Zeitpunkt keine schlechte Publicity für die Firma. Nicht jetzt, da wir –«
»Schh, vergiss nicht, es ist noch ein Geheimnis«, unterbrach Teresa vorsichtig, obwohl sie es kurz darauf mit einem sehr unprofessionellen, entzückten Aufschrei ruinierte. »Das wird wundervoll, nicht wahr?«
»Ja. Und danke, dass du so lange geblieben bist, um den Anruf anzunehmen. Ich würde ja sagen, nimm dir dafür morgen frei…«
»Aber dann fängt die Arbeit erst richtig an, oder?« Teresa kicherte. »Kein Problem. Du schuldest mir ohnehin schon eine Menge. Das ist einfach ein weiterer Punkt auf der Liste. Und ich bin um sieben im Büro, um alle aus dem Team anzurufen.«
»Sag Dylan, dass es mir leidtut.«
Sie schnaubte. »Der ist das inzwischen gewöhnt.«
Teresa hatte einen liebenden Mann, Dylan, und drei Kinder. Einen kurzen Moment lang stellte Joel sich vor, wie es wäre, jemanden zu haben, mit dem er diese Neuigkeit teilen konnte. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, wann er zum letzten Mal mit jemandem nach Hause gegangen war. Dann merkte er, dass Teresa noch immer redete.
»… und ich kann es kaum erwarten, bis alle es wissen und ich es den Kindern erzählen kann. Sie sind verrückt nach allem, was mit der Königsfamilie zu tun hat.«
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