2.3.10Humor in der (hypno)systemischen Therapie
2.3.11Rituale
2.3.12Systemische Therapie mit Kindern und Jugendlichen
2.4Zusammenarbeit im Hilfesystem
2.4.1Kooperation und multiprofessionelle Zusammenarbeit im Hilfesystem: Chancen und Hindernisse
2.4.2Helferkonferenzen
2.4.3Case Management
2.4.4Familienrat/Family Group Conference
2.5Supervision und Fallreflexion
Teil 3: Arbeit mit speziellen Problemkonstellationen
3.1Entwicklungsprobleme von Säuglingen und Kleinkindern
3.2Entwicklungsprobleme im Kindesalter
3.3Entwicklungsprobleme in der Jugend
3.4Systemisches Elterncoaching: Elterliche Präsenz und gewaltloser Widerstand
3.5Schwangerschaftskonfliktberatung
3.6Trennung und Scheidung
3.7Fortsetzungsfamilien: Alleinerziehende, Stieffamilien, Patchworkfamilien
3.8Adoptiv- und Pflegefamilien
3.9Geschwisterbeziehungen und Geschwisterkonstellationen
3.10Süchte
3.11Essstörungen
3.12Kinderschutz bei körperlicher, psychischer und sexueller Misshandlung und Kindesvernachlässigung
3.13Psychosen, Depression und Angst
3.14Systemische Familienmedizin
3.15Behinderung aus systemischer Perspektive
3.16Berufsbezogene Probleme I: Burn-out
3.17Berufsbezogene Probleme II: Mobbing
3.18Traumatisierungen
3.19Forensik
3.20Therapie und Beratung im Alter
Teil 4: Kontexte
4.1Praxisfelder
4.1.1Systemische Therapie und Beratung in der psychotherapeutischen Praxis
4.1.2Systemisches Arbeiten im hausärztlichen Kontext
4.1.3Familien-, Ehe-, Lebens- und Erziehungsberatung
4.1.4Aufsuchende Hilfen
4.1.5Frühe Hilfen und Frühförderung
4.1.6Schule
4.1.7Stationäre familienorientierte Jugendhilfe (Heimerziehung)
4.1.8System Krankenhaus
4.1.9Psychiatrie
4.1.10Suchtkliniken
4.1.11Kinder- und Jugendpsychiatrie
4.1.12Onlineberatung
4.2Kulturelle Kontexte: Kulturen und Milieus
Teil 5: Ethik, Lehre, Forschung
5.1Ethik und Recht
5.2Aus- und Weiterbildung
5.3Forschung
5.3.1Die Methodologie einer interpretativen Sozialforschung als Vorgehen der Wahl bei der systemischen Therapieforschung
5.3.2Die Einheit von systemischer Forschung, Diagnostik und Therapie: Eine synergetische Perspektive
5.3.3»Systemisch Forschen«: Erkenntnistheoretische Fragen und forschungspraktische Leitlinien
Teil 6: Schluss
Systemische Therapie – Perspektive und Ausblick
Literatur
Verzeichnis der Autoren
Sachregister
Personenregister
Über die Herausgeber
Das Wort »systemisch« ist heute in aller Munde. Offenbar hat der Systembegriff eine Ausstrahlung, der man sich in den unterschiedlichsten psychosozialen Feldern gegenwärtig nur schlecht entziehen kann. Für den Soziologen Karl Otto Hondrich werden nur Begriffe mit einer »Erlösungskomponente« wirklich populär und damit verallgemeinerungsfähig (1998), sie sind für unterschiedliche Zwecke anschlussfähig, verheißen die Möglichkeit eines grundlegenden Wandels und neuer Sinnstiftung. Beobachtet man die Verwendung der Begriffe systemischen Denkens und Handelns genauer, findet man auch hier eine solche Erlösungskomponente. Das lässt sich einerseits als Erfolg verbuchen, andererseits läuft der Begriff »systemisch« Gefahr, in dem Maße an Aussagekraft und Trennschärfe zu verlieren, in dem er als Etikett für alle möglichen Konzepte, Methoden und Techniken herhalten muss. Für eine Kennzeichnung als »systemisch« scheint es mittlerweile auszureichen, auf Lösungs- oder Ressourcenorientierung und den Einsatz entsprechender Techniken zu verweisen.
Der systemische Ansatz ist aber alles andere als eine Sammlung systemischer Tools. Seine theoretischen, praxeologischen und kontextuellen Grundlagen sind komplex und vielfältig. Dieses Lehrbuch vermittelt die Komplexität und Vielfalt dieser Grundlagen auf verständliche Weise und eignet sich daher als Begleiter im professionellen Alltag von Anfängern und Fortgeschrittenen, Weiterbildungsteilnehmerinnen und Lehrenden, Praktikern und Theoretikerinnen sowie allen, die sich für den systemischen Ansatz interessieren.
Systemische Therapie und Beratung blickt mittlerweile auf eine über 30-jährige Geschichte zurück. Ihre Entstehungsgeschichte reicht jedoch bis in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts, als die ersten familientherapeutischen Vorgehensweisen erprobt wurden, zunächst ausgehend von psychoanalytischen oder verhaltenstherapeutischen Konzepten, aber schon früh auch unter Zuhilfenahme kybernetischer und systemtheoretischer Theorien und Modelle (Bateson u. Ruesch 1995; Bateson et al. 1969; Ray, Stivers u. Brasher 2011). Von der systemischen Therapie als eigenständigem Ansatz ist erst seit den frühen 1980er-Jahren die Rede, vor allem in den deutschsprachigen Ländern. 1Seitdem hat es eine lebhafte theoretische, methodische und institutionelle Entwicklung gegeben, die bis heute anhält und ein wissenschaftlich anerkanntes, grundständiges Behandlungsverfahren hervorgebracht hat, welches andere psychotherapeutische Ansätze sowohl ergänzt als auch überschreitet. Die systemische Therapie und Beratung wird von den aktuellen Erkenntnissen und Grundannahmen der gegenwärtigen Humanwissenschaften (u. a. Neurobiologie, Psychologie, Soziologie und Sozialphilosophie) gestützt, ihre charakteristische Besonderheit liegt in der konsequenten Einnahme einer interaktionellen Perspektive sowohl im Verstehen als auch in der Bearbeitung körperlicher, psychischer und sozialer Probleme, Störungen und Konflikte. Für das Menschenbild der systemischen Therapie und Beratung ist die soziale Natur des Menschen von grundlegender Bedeutung. Vom vorgeburtlichen Stadium bis zum Tod ist die lebenslange Entwicklung des Menschen nur im Kontext seiner Beziehung mit anderen Menschen verstehbar.
Seit den 1980er-Jahren hat nicht nur das systemische Wissen über die Dynamik psychischer und psychosozialer Systeme (Individuen, Paare, Familien, Gruppen, Organisationen etc.) enorm zugenommen, die Fülle von systemtherapeutischen Methoden, Vorgehensweisen und Techniken wird zunehmend auch von Vertretern anderer psychotherapeutischer Ansätze aufgegriffen und eingesetzt (nicht ohne dass gelegentlich ihre Herkunft verschwiegen wird). Umgekehrt haben auch Konzepte anderer Herkunft (etwa Bindungstheorie, Affektdynamik u. a.) im Laufe der Zeit Eingang in systemische Modelle gefunden. Die Zeit der »harten Abgrenzung« aus den frühen Jahren ist längst vorbei.
Professionalisierungsprozesse (etwa in der Medizin, Jurisprudenz, Psychotherapie oder Sozialarbeit) münden nach einer Anfangsphase vielfältigen und wenig reglementierten »Wildwuchses« regelmäßig in eine organisierte Form der Wissensweitergabe an die nachfolgenden Generationen von Professionellen, ohne die eine relative Einheit des Fachgebietes oder der Disziplin gar nicht vorstellbar ist. Dies ist aus der Sicht der Kunden professioneller Dienstleistungen ebenso plausibel wie aus der Sicht der Professionsangehörigen, die ihre Leistungen auf dem Markt anbieten und als solche identifizierbar machen müssen. Damit verbunden ist eine bestimmte Ordnung des verfügbaren Wissens und ihre Weitergabe im Rahmen von Aus- und Weiterbildungsgängen, Curricula, Prüfungssystemen usw. Diesem organisationalen »Schließungsprozess« auf der einen Seite steht die Notwendigkeit der inhaltlichen Öffnung bzw. Offenhaltung als Garant der schöpferischen Potenz eines Ansatzes gegenüber, die eine Gewähr dafür bietet, dass seine inhaltliche Substanz nicht erstarrt und abstirbt.
Während der systemische Ansatz sich in seinen frühen Jahren durch zum Teil radikale Experimente auszeichnete, lässt sich seit Ende der 1980er-Jahre eine deutliche institutionelle Konsolidierung verzeichnen – bei gleichzeitiger Vielfalt curricularer Orientierungen, je nach theoretischer und professioneller Herkunft der Anbieter entsprechender Weiterbildungsangebote. Schon 1987 wurde der »Dachverband für Familientherapie und systemisches Arbeiten« (DFS) als kleinerer Verband von Weiterbildungsinstituten ins Leben gerufen, der eine Vereinheitlichung und Zertifizierung von Weiterbildung in systemischer Therapie und Beratung zum Ziel hatte. 1993 gründete sich die Systemische Gesellschaft (SG), z. T. mit einer ähnlichen Zielsetzung, aber mit einem engeren systemtheoretischen Selbstverständnis. Aus einer Fusion der (ursprünglich als loses Sammelbecken von familientherapeutisch interessierten Personen konzipierten) Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Familientherapie (DAF) und dem DFS entstand im Jahre 2000 die DGSF (Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie), der gegenwärtig größte systemische Fachverband. SG und DGSF haben heute weitgehend vergleichbare Weiterbildungsrichtlinien. Eine entsprechend zertifizierte Weiterbildung in systemischer Therapie und Beratung kann man mittlerweile bei über 100 Weiterbildungsinstituten in Deutschland absolvieren. In Österreich und der Schweiz gelten andere rechtliche Rahmenbedingungen, aber auch hier gehört die systemische Therapie zu den etablierten und professionalisierten Therapieansätzen.
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