Thomas Höferth
Kyros
und das große
Land
Eine historische Erzählung
Text und Umschlaggestaltung
© 2020 Thomas Höferth
Verlag
Thomas Höferth
Mackensenstr. 13
75397 Simmozheim
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Für alle lieben Menschen
Kyros der Große – das ist ein Name, der Vielen, die sich nicht tagtäglich mit der Geschichte des Altertums im Vorderen Orient beschäftigen, heute nicht mehr geläufig ist. Diese Zeit scheint aus dem Blickfeld gerückt, nur wenige Dokumente haben die Zeiten überdauert. Die Überlieferungen sind bruchstückhaft, die Namen, Daten und Ereignisse müssen mühsam aus Keilschrifttexten hergeleitet werden, die Aufschriebe nachfolgender Generationen sind oftmals ‚gefärbt‘ und entsprechen eher Wunschdenken als der Realität.
Umso erstaunlicher ist es, dass offenbar die Wesenszüge dieses zweifelsohne großen Herrschers der Geschichte heute wieder beachtenswert erscheinen. Offenbar besteht bei vielen Menschen eine tiefe Sehnsucht nach Harmonie, Respekt, Toleranz und Achtung gegenüber anders Denkenden, anders Aussehenden, anders Glaubenden. Und das nicht nur bei den Führenden dieser Welt, auch innerhalb der Gesellschaften haben Viele den Eindruck, als mangele es gelegentlich an diesen Werten.
Der „Kyros-Zylinder“, dessen Original heute im Britischen Museum in London zu sehen ist, wird gerne als die „Erste Menschenrechtscharta“ der Geschichte bezeichnet. Auch wenn diese Umschreibung sicherlich pathetisch überzeichnet ist und den eher stereotypen Charakter des Dokuments außer Acht lässt, so kann man dies doch als eine Mahnung an uns alle verstehen, sich an diese tradierten Eigenschaften des Kyros und seines Herrschaftsstils zu erinnern.
Durch die Verknüpfung von Legenden und faktischen Überlieferungen soll eine Geschichte entstehen, die diese Zeit lange vor unserer modernen Zeitrechnung wieder lebendig werden lässt.
„Mandane, Mandaanee!“ Astyages wälzte sich schweißgebadet auf seiner Lagerstatt. „Mandane!!“, schrie er noch lauter und seine Stimme begann sich zu überschlagen. Benommen richtete er sich auf und blickte durch das Halbdunkel seines Schlafgemachs auf die fahlen Wände. Sein Blick fiel durch das geöffnete Fenster auf die Stadt und versuchte, wenigstens ein kleines Anzeichen der drohenden Katastrophe zu erhaschen. Astyages zwang sich, seine Gedanken, die wie aufgeregte Bienen umherschwirrten, zu ordnen. Nichts. Ruhe ringsherum, seine Untertanen schliefen. Was war das nur für ein fürchterliches Erlebnis. „Mandaaaneee!“ Nach einigen Augenblicken der Ungewissheit hörte er draußen kleine, lauter werdende Schrittchen. Er sah schemenhaft, wie sich die schwere Holztür unter dem kräftigen Einsatz der kleinen Händchen langsam öffnete. „Was ist mit dir, mein Vater?“, fragte Mandane. Aus dem Schlaf gerissen durch das Rufen des Vaters war sie trotz der nächtlichen Stunde hellwach. „Was ist geschehen, warum rufst du nach mir in der Nacht?“
„Komm her zu mir, mein Liebling, komm her!“ Er hob das kleine Mädchen mit seinen kräftigen Händen zu sich aufs Bett und drückte seine Tochter liebevoll an sich. „Geht es dir gut, mein Engel?“, fragte Astyages, der mittlerweile ob der offensichtlichen Unversehrtheit seiner Tochter wieder beruhigt war. „Ja, aber ich bin müde. Warum nur hast du so laut nach mir gerufen?“ - „Ich hatte nur einen schlechten Traum“, entgegnete Astyages. „Es ist nichts weiter. Jetzt, da ich dich bei mir habe, ist alles gut. Geh wieder ins Bett und schlaf weiter.“ Er drückte seiner Tochter einen Kuss auf die Stirn und hob sie wieder auf den Boden. Sie trottete davon und Astyages sank erschöpft zurück auf sein Lager. Was hatte dieser böse Traum zu bedeuten? Astyages lag mit offenen Augen da und starrte an die Decke. Erst im Morgengrauen schlief er wieder ein, aber die Bienen schwirrten immer noch in seinem Kopf.
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als er wieder erwachte. Rasch erhob er sich von seinem Lager, als er draußen vor seinem Schlafgemach Stimmen hörte. „Wieso habt ihr ihn nicht geweckt? Es ist schon mitten am Vormittag und die Zusammenkunft mit den Beamten des Steueramts findet bald statt.“ Er erkannte die Stimme seiner Frau Aryenis. „Seine Hoheit gab uns Anweisung, ihn nicht zu wecken. Er würde schon zur rechten Zeit aufwachen.“ - „Ach was. Ihr seht doch, dass das nicht klappt. Jetzt geht und weckt ihn“, herrschte sie die Dienerschaft an. Kurz darauf öffnete sich die Holztür seines Schlafgemachs unter vorsichtigem Klopfen und der Kopf eines seiner Diener erschien.
„Hoheit…“ – „Ja, ist schon in Ordnung. Kommt nur herein und bringt mir meine Kleider.“ Erleichtert, einer königlichen Zurechtweisung entronnen zu sein, betraten die Diener geschäftig den Raum und begannen mit ihren allmorgendlichen Aufgaben beim Ankleiden des Königs. Auch Aryenis trat ein und ging mit ungeduldiger Miene auf ihren Mann zu. „Was ist mit dir? Wieso schläfst du so lange? Du bist doch nicht etwa krank? Du weißt, nachher ist das Treffen mit den Steuerbeamten. Harpagos und seine Leute werden bald da sein!“ - „Ja, ich weiß. Ich habe nur schlecht geträumt in der Nacht und lag dann lange wach. Erst in den Morgenstunden fand ich wieder in den Schlaf, aber auch der war recht unruhig.“ Astyages atmete tief durch und versuchte, die Gedanken an den Traum abzuschütteln und sich auf den Tag einzustimmen. „Ach, du Armer!“, entgegnete Aryenis Mitleid heuchelnd, „erzähle mir aber später davon. Jetzt wäre es schön, wenn du dich ankleiden ließest. Wir wollen die Herren doch nicht allzu lange warten lassen, oder?“ Aryenis drehte sich lächelnd um und ging zur Tür. Seine Gedanken waren noch zu träge, um auf diese Ironie eine passende Antwort zu finden. „Wenn die Herren Diener sich nun endlich bemüßigt fühlen würden, mir beim Ankleiden zu helfen würde das nicht geschehen!“ war alles, was ihm dazu einfiel. Der tadelnd-befehlende Unterton entging den Dienern allerdings nicht und sie beeilten sich, die Morgentoilette des Königs vorzubereiten. Aryenis drehte sich in der Tür um und warf ihrem Mann lächelnd einen angedeuteten Kuss zu. Wie liebte er diese Frau.
Harpagos kam mit zwei seiner leitenden Beamten pünktlich zur vereinbarten Zeit. Es war eine Stunde vor Mittag und Astyages erwartete sie bereits in seinem Empfangssaal. Seit einigen Monaten ließ sich der König ein Mal wöchentlich über die finanzielle Situation des Staates informieren. Früher geschah dies nur ein Mal im Monat – wenn überhaupt – oder wenn es außergewöhnliche Ereignisse gab wie Kriege, die viel Geld verschlangen oder Eroberungen von neuen Staaten oder Satrapien, die größere Einnahmen versprachen. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Seit der Eroberung der assyrischen und persischen Gebiete war das Reich der Meder nicht mehr wesentlich gewachsen. Misswirtschaft und das Aufflammen der uralten Streitigkeiten der einzelnen Stämme des Reiches trugen nicht gerade dazu bei, die finanzielle Situation zu verbessern. Es zeigte sich immer deutlicher, dass es sich bei seinem Reich in Wahrheit um eine Konföderation, gewissermaßen um ein Zweckbündnis handelte. Eine innere Einheit und eine Identifikation der Bevölkerung und der einzelnen Stämme mit dem Gesamten war nicht wirklich vorhanden. Und so nahm auch die Bereitschaft der Bevölkerung, Steuern und Tribute zu entrichten, immer mehr ab. Hinzu kam ein König, der sich in Wahrheit mehr für seinen eigenen Luxus interessierte als für das Wohl seiner Bevölkerung und des Landes.
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