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Diese „Zwitter“ haben weder einen „reinen“ Arbeitnehmer- noch einen Unternehmer-Status – sie sind aber in ihrer gesamten sozialen Stellung mit einem Arbeitnehmer vergleichbar und sozial schutzwürdig (siehe § 5 Abs. 1 ArbGG), sie werden in § 12a TVG als arbeitnehmerähnliche Personen bezeichnet und von § 630 BGBerfasst,79 der wie folgt lautet:
„ Bei der Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses kann der Verpflichtete von dem anderen Teil ein schriftliches Zeugnis über das Dienstverhältnis und dessen Dauer fordern. Das Zeugnis ist auf Verlangen auf die Leistung und Führung im Dienst zu erstrecken. Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Wenn der Verpflichtete ein Arbeitnehmer ist, findet § 109 der Gewerbeordnung Anwendung .“80
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Zu diesem Personenkreis können z.B. zählen:
• Personen, die künstlerische, schriftstellerische oder journalistische (§ 12a Abs. 3 TVG) sowie wissenschaftliche Leistungen erbringen, Mitarbeiter in den Medienberufen oder Dozenten,
• Fremdgeschäftsführer (siehe Rn. 74),
• die in Heimarbeit Beschäftigten sowie Hausgewerbetreibende (vgl. § 5 Abs. 1 ArbGG, § 1 Heimarbeitsgesetz),
• der gering verdienende, sogenannte Einfirmenvertreter (vgl. § 92a HGB, § 5 Abs. 3 ArbGG).
• Im Übrigen haben Handelsvertreter keinen Zeugnisanspruch,81 denn der selbstständige Handelsvertreter ist Kaufmann und hat keinen Arbeitnehmerstatus. Ist der Handelsvertreter eine juristische Person, dann entfällt der Zeugnisanspruch schon deshalb, weil das Zeugnisrecht der in einem Arbeitsverhältnis stehenden natürlichen Person für ihr persönliches Fortkommen eine Hilfe vermitteln will, dieser persönliche Gesichtspunkt fehlt bei juristischen Personen.
• Ob Franchisenehmer einen Zeugnisanspruch haben, hängt davon ab, ob sie als arbeitnehmerähnliche Personen anzusprechen, also wirtschaftlich abhängig sind; maßgebend ist die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung des betreffenden Vertrages.
• Und ein Erfinder kann unter diesen Personenkreis fallen, der zwar mit einem Unternehmen nicht durch Arbeitsvertrag verbunden ist, aber (nur auf Lizenzgebühren angewiesen) den wesentlichen Teil seiner Arbeitskraft in den Dienst der Firma stellt, die seine Erfindungen auswertet.
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Für diesen Personenkreis erfüllt das Zeugnis eine wichtige Funktion in deren Berufsleben.82
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Selbständige, Freiberufler, freie Mitarbeiter, die selbstständig Arbeit verrichten und einen hohen Grad persönlicher Selbständigkeit genießen, haben keinen Zeugnisanspruch.83
Das trifft auf solche Personen zu, die im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten, die Arbeitszeit bestimmen können (siehe § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB) und nicht weisungsgebunden sind – sie sind Selbständige und werben mit ihrem Namen, ihren Leistungen und Ergebnissen, nicht mit einem Zeugnis (eventuell mit einem Empfehlungsschreiben des Kunden).
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Denn abgesehen von der Unmöglichkeit der „Führungs“-Beurteilung über Selbstständige setzt die „Leistungs“-Beurteilung voraus, dass konkrete, detaillierte Leistungsanforderungen gestellt und personen bezogene Vorgaben gemacht werden können, die zu erfüllen sind – solche Vorgaben sind nur gegenüber Personen möglich, die dem Direktionsrecht unterstehen, also in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, nicht aber gegenüber freien Mitarbeitern, bei denen nur auftrags-, sach- bzw. projektbezogene Anweisungen in Betracht kommen.
Und Hromadka schreibt treffend, dass „ mancher, der die Vorteile einer freien Mitarbeit über Jahre genossen hat, die Arbeitnehmereigenschaft entdeckt, wenn es brenzlig wird “84 – jedoch hilft diese „Entdeckung“ des Mitarbeiters zeugnisrechtlich nicht weiter.
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Allerdings kann es einen Übergang zur „arbeitnehmerähnlichen Person“ mit entsprechendem Zeugnisanspruch geben, falls der Selbständige nur mit einem oder wenigen Auftraggebern ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis eingegangen ist und keine sonstigen Einnahmen hat. Dann rückt er in die Nähe einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, die wiederum seine soziale Schutzbedürftigkeit begründen kann.
6. Sonstige Personen
a) Allgemeines
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Es gibt verschiedenartig am Betriebsgeschehen mitwirkende oder im privaten Bereich eingesetzte Personen, bei denen es für den Zeugnisanspruch jeweils auf den Grad der Abhängigkeit bzw. auf den Rechtscharakter des Beschäftigungsverhältnisses ankommt.
Kein Abhängigkeitsverhältnis
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Mangels Abhängigkeitsverhältnisses haben keinen Zeugnisanspruch Personen, die
• gesellschaftsrechtlich, genossen- oder mitgliedschaftlich,
• vereins- oder verbandsrechtlich, oder
• ehrenamtlich85
miteinander verbunden sind;
und das gilt auch bei einem Auftragsverhältnis z.B.
• mit einem Rechtsanwalt (siehe hierzu speziell Rn. 381ff.),
• mit einem Steuer-, Vermögens- oder Unternehmensberater,
• bei der schulischen Nachhilfe,
• mit einem gelegentlich herangezogenen Graphiker, Architekten oder Gartenbaumeister.
Andere Rechtsverhältnisse
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Für ein Arbeitszeugnis scheiden auch die Personen aus,
• die in keinem Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis, sondern in einem von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägten Beschäftigungsverhältnis stehen wie beim „Ein-Euro-Job“,86 bei sozialgesetzlichen Eingliederungsleistungen87 oder eventuell bei Lehrbeauftragten an Hochschulen;88 als Zeugnisersatz kann hierbei eine schlichte Bestätigung über Art und Dauer der Tätigkeit in Betracht kommen, oder
• die sich in schulischer Ausbildung befinden wie z.B. bei Pflicht-Praktika89, die von der Schule/Hochschule vorgeschrieben sind; die Zeugnisfrage richtet sich nach der jeweiligen Praktikumsordnung.
b) Speziell: Familienangehörige
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Ob Familienangehörige einen Zeugnisanspruch haben, hängt davon ab, ob ein Arbeitsverhältnis oder eine rein familienrechtliche Mitarbeit vorliegt, was sich nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit richtet. Mit Ehegatten, Lebenspartnern sowie Verwandten und Verschwägerten ersten Grades, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber leben (siehe § 5 Abs. 2 BetrVG), besteht im Zweifel kein Arbeitsverhältnis, und sie erhalten kein Zeugnis.
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• Ob ein Betriebsarzt Dienstverpflichteter ist und somit einen Zeugnisanspruch hat, richtet sich nach dem mit ihm abgeschlossenen Vertrag. Je nach Betriebsart und -größe kann es sich um einen hauptamtlich in den Betrieb eingegliederten Beschäftigten oder um einen Arzt handelt, mit überwiegend freier Arztpraxis.90
• Bei überbetrieblichen Diensten kommt es auf den Inhalt der Vereinbarungen an, ob und welcher Arbeitgeber dienstvertraglich zur Erstellung eines Zeugnisses verpflichtet ist. Im Allgemeinen wird eine Bindung an einen bestimmten Arbeitgeber nicht gegeben sein.
• Angestellte Ärzte in betrieblichen Kranken- und Erholungsanstalten und sonstigen Sozialeinrichtungen, in Labors der Arznei- und Lebensmittelbranche sind Arbeitnehmer und daher anspruchsberechtigt (zum Zeugnis für einen Oberarzt, siehe Rn. 839).
• Belegärzte in Krankenhäusern erhalten mangels Abhängigkeitsverhältnisses keine Arbeitszeugnisse vom Krankenhausträger.
• Auf den Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patienten sind gemäß § 630b BGB zwar die Vorschriften über den Dienstvertrag anzuwenden, ohne dass die Zeugnisnorm des § 630 BGB ausdrücklich ausgenommen wurde; aber § 630 ist arbeitsrechtlicher Natur und nach § 630b BGB ausgeschlossen – im Übrigen wäre ein Anspruch des Arztes, von seinem Patienten ein Dienstzeugnis zu verlangen, zu kurios (es fehlen auch die Fachkompetenz des Patienten und dessen Überordnung, siehe Rn. 490).
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