III. Anspruchsberechtigte Personen
Vorbemerkung
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Alle Personen, die in einem Arbeits- oder Berufsausbildungsverhältnis stehen, persönlich oder wirtschaftlich unselbstständig (abhängig) und damit sozial schutzbedürftig sind, haben Anspruch auf Ausstellung des Zeugnisses.
66
Die Nationalität des Arbeitnehmers spielt keine Rolle; auch ausländische Arbeitnehmer haben den Zeugnisanspruch (zur Textsprache siehe Rn. 462).
Minderjährige
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Der minderjährige Mitarbeiter ist hinsichtlich des Zeugnisanspruchs unbeschränkt geschäftsfähig (§ 113 Abs. 1 BGB); der gesetzliche Vertreter hat keinen Anspruch.70 Zum Minderjährigen im Ausbildungsverhältnis siehe Rn. 78.
68
Für sämtliche Arbeitnehmer gilt § 109 GewO:
„ (1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken .
(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen .
(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen. “
69
Die Anforderungen in § 109 Abs. 2 GewO sind als allgemeine Grundsätze des Zeugnisrechts auf die anderen Zeugnisvorschriften zu übertragen.71
70
Mit dieser Vorschrift ist die Unterscheidung hinfällig, ob der Mitarbeiter kaufmännischer, gewerblicher oder technischer Angestellte bzw. Arbeiter ist; sie werden einheitlich als „Arbeitnehmer“ bezeichnet.
71
§ 5 Abs. 3 BetrVG enthält eine Klarstellung, welcher Personenkreis in einem Betrieb zu den leitenden Angestellten zu rechnen ist, auf den das BetrVG im Wesentlichen keine Anwendung findet. Der Zeugnisanspruch richtet sich aber nicht nach der Anwendbarkeit des BetrVG, sondern nach der persönlichen/wirtschaftlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers, und somit haben auch leitende Angestellte einen Anspruch auf Ausstellung eines Zeugnisses72 gemäß § 109 GewO (siehe speziell Rn. 368).
3. Organmitglieder
a) Allgemeines
72
Die gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person üben Arbeitgeber-Funktionen aus; sie gehören nicht zu der Kategorie der Arbeitnehmer, auch nicht zu den leitenden Angestellten – ein Zeugnis entfällt.
73
Aber beim GmbH-Geschäftsführer können gewisse Elemente eines abhängigen Dienstverhältnisses vorhanden sein – den Rahmen seiner Selbstständigkeit und seines Verantwortungsbereichs steckt der (die gesetzlichen Vorschriften ergänzende) Anstellungsvertrag ab. Die Regelung des sachlichen Umfangs der Geschäftsführungsbefugnis ermöglicht Varianten, die von einer weisungsfreien Geschäftsführung bis zu einer durchgehend weisungsgebundenen reichen; es kommt auf die jeweiligen Gesamtumstände an.
74
Ein (nicht am Gesellschaftsvermögen beteiligter) Fremdgeschäftsführer kann auf Grund dienstvertraglicher Abhängigkeit nach § 630 BGB anspruchsberechtigt sein.73
75
Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt nicht vor (und demgemäß besteht kein Zeugnisanspruch), wenn der GmbH-Geschäftsführer 50 % und mehr der Geschäftsanteile besitzt oder eine solche Mehrheit repräsentiert74 oder wenn er etwa bei einer Familiengesellschaft mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist und aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte führt.75
4. Personen in der Berufsbildung
a) Auszubildende
76
Für die Berufsbildung gilt hinsichtlich der Zeugniserteilung § 16 BBiG:
„ (1) Ausbildende haben den Auszubildenden bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ein schriftliches Zeugnis auszustellen. Die elektronische Form ist ausgeschlossen. Haben Ausbildende die Berufsausbildung nicht selbst durchgeführt, so soll auch der Ausbilder oder die Ausbilderin das Zeugnis unterschreiben .
(2) Das Zeugnis muss Angaben enthalten über Art, Dauer und Ziel der Berufsausbildung sowie über die erworbenen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten der Auszubildenden. Auf Verlangen Auszubildender sind auch Angaben über Verhalten und Leistung aufzunehmen. “
77
Die Grundlage zur Beurteilung des Verhaltens des Auszubildenden ist in § 13 BBiG ablesbar; im Übrigen gelten die Einzelkriterien in § 109 Abs. 2 GewO auch hier.
78
Ist der Auszubildende noch minderjährig , so gilt zwar nicht § 113 BGB, aber gemäß § 16 BBiG hat der gesetzliche Vertreter ausnahmslos keinen Zeugnisanspruch; denn der Auszubildende erhält das einfache Zeugnis automatisch und das qualifizierte auf sein Verlangen, auch wenn er am Ende des Ausbildungsverhältnisses noch minderjährig sein sollte.76
(Zu Zeugnissen in der Berufsbildung siehe speziell Rn. 375).
Bei Umschulungen?
79
Erfolgt eine Umschulung im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme, bei dem es nicht um die erstmalige Vermittlung beruflicher Kenntnisse geht, sondern um den Übergang in eine andere geeignete berufliche Tätigkeit, dann ist das BBiG nicht anwendbar – wurde die Umschulung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses durchgeführt, dann ist § 109 GewO, wurde sie auf der Grundlage eines isolierten Vertrages durchgeführt, dann ist § 630 BGB die Anspruchsnorm für ein Zeugnis.77
b) Volontäre/Praktikanten/Werkstudenten
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Für Volontäre und Praktikanten, die nur eingestellt werden, um berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen zu erwerben, ohne dass ein Arbeitsverhältnis begründet wird, gilt § 16 BBiG entsprechend (§ 26 BBiG) – anders bei Pflicht -Praktika, siehe hierzu Rn. 91.
Werkstudenten geht es nicht um Ausbildung und Tätigkeitsnachweis, sondern um Geldverdienen und Finanzierung des Studiums. Sie sind daher wie andere Arbeitnehmer im befristeten Arbeitsverhältnis zu behandeln.
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Wer kein Arbeitnehmer ist, aber auf Grund von Verträgen Leistungen erbringt, kann je nach dem Grad der persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit und dem Maß der Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers in die Schutzvorschriften des Arbeitsrechts einbezogen sein und als sozial schutzwürdig angesehen werden. Und zu den arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften zählt auch das Arbeitszeugnis.
Es kommt aber auf den Vertrag und den tatsächlichen Vollzug der Geschäftsbeziehungen an, wie die Person zeugnisrechtlich einzuordnen ist – das Auftragsverhältnis kann von einer kurzzeitigen bis dauerhaften, von einer losen bis zur intensiven Beziehung, von der Tätigkeit eines Selbständigen über eine arbeitnehmerähnliche Stellung bis zum festangestellten Arbeitnehmer reichen.
a) Arbeitnehmerähnliche Personen
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Wer überwiegend für eine einzige Firma/Person tätig ist, ohne dort angestellt zu sein, ist kein Arbeitnehmer und daher ist § 109 GewO nicht anwendbar.
An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit78 (er ist deshalb auch kein Unternehmer), es handelt sich also um Personen, deren wirtschaftliche Existenz im Wesentlichen von der (selbständigen) Tätigkeit für eine einzige Firma (Person) abhängt.
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