Alleinsein = „Angst essen Seele auf!“
Um dieser Angst zu entfliehen tat ich viel, um mir die jeweilige Beziehung zu erhalten. Ich machte die Beziehung zu meinem „Rettungsanker“, um nur ja nicht allein durch diese Welt zu gehen. Was mir damit aber nicht klar war, war, dass ich damit unbewusst meinem Partner so viel mehr an Einflussnahme und Macht über mich gab, bis ich für mich selbst immer mehr an eigener Substanz, Farbigkeit und Persönlichkeit verlor. Über die Zeit hinweg verschmolz ich förmlich mit meinem Partner. Man könnte auch sagen, wurde immer mehr zu einer „un-selbst-ständigen“ Person. Einer Person, die sich selbst immer weniger wahrnahm, geschweige denn ihre Bedürfnisse und Wünsche überhaupt noch kannte. Aufgefallen ist mir dies allerdings erst als ich alleine war und so gut wie nichts mehr mit mir selbst anzufangen wusste, weil mir mein Gegenüber fehlte, das mir bis dato in meinem Leben Halt und Orientierung gegeben hatte. Nach meinen eigenen Bedürfnissen und Wünschen befragt, wusste ich lange Zeit keine Antwort zu geben. So weit war ich von mir selbst weg, dass ich für mich selbst erst wieder „das Laufen lernen musste“.
Das Lebensmotto, dem ich mich in meinen Beziehungen verschrieben hatte, lautete: „Geht es dem Partner gut, geht es mir gut.“ Also sorge ich dafür. Und für die Erfüllung dieses „ungeschriebenen Gesetzes“ tat ich viel. Mitunter sehr viel sogar. – Eigentlich der blanke Wahnsinn. Denn ich verlor dabei völlig den Bezug zu mir selbst. Ich hatte das Gefühl, dass es meine oberste Pflicht als Frau ist, die Wünsche des Partners zu erfüllen. Und wo immer es ging, sie ihm nach Möglichkeit sogar noch unausgesprochen von den Augen abzulesen.
Mit dieser mir unbewussten Handlungsmaxime war ich ganz und gar die „brave Eva“, begab mich privat in die „Falle“ von Unselbstständigkeit und Überangepasstheit. Man kann fast schon sagen einer Art von „Unterwürfigkeit“, denn im Grunde genommen gab ich so einen wesentlichen Teil von mir selbst auf. Und aufgrund meiner Harmoniesucht versäumte ich es, auch einmal die rebellische, die kraftvolle, die wilde und vor allem auch eine trotzige und streitbare Amazonin, ein „Lilith“, zu sein.
In meinen Partnerschaften gab es zwar dieses anfängliche Verliebt-Sein, dieses die Welt durch eine rosa Brille-Sehen, diese Schmetterlinge im Bauch und noch so manches mehr. Doch ist diese Zeit dann irgendwann vorbei, dann stehe ICH da, und weiß nicht recht, wie ich mir die Liebe erhalten kann. Statt mich gemeinsam mit meinem Mann einer gesunden Beziehungsarbeit zu widmen, versank ich immer mehr in den alltäglichen Dingen, die unser Dasein bestimmten, sodass unsere Beziehung und unser Leben immer mehr nur noch zu einem bloßen Funktionieren wurden.
Mein Partner – mein Spiegel
Meine allerbeste Projektionsfläche für alle meine Gefühle und auch für die unbewussten Themen, Probleme und Stimmen der Vergangenheit.
Was meinen wir wirklich, wenn wir dem anderen sagen, dass wir ihn/sie „lieben“?
Gebrauchen wir diese Formel „Ich liebe dich!“ nur, um den anderen unbewusst (!?) wissen zu lassen: „Ich brauche dich, weil ich mich sonst alleine fühle, weil ich sonst einsam bin, weil ich sonst nicht ganz bin!“
Was heißt es, jemanden wirklich zu lieben? – Was bedeutet es, sich im anderen zu entdecken? – Kann ich jemanden zu viel lieben? – Was meint die Liebe wirklich? – Wofür will sie uns öffnen? – Was hat sie uns zu sagen? – Was hat sie uns zu lehren?
Aus meiner heutigen Sicht würde ich im Ergebnis sagen, dass ich die Situation als Kind und Jugendliche innerhalb der Familie und der Jahre mit meinem Ex-Mann genau so erfahren musste, um endlich zu begreifen, wo ich mit der Liebe zu mir selbst überhaupt stand. Und ich muss sagen: Das Ergebnis war sehr ernüchternd, wenn nicht sogar absolut erschütternd. Es hat mich zutiefst betroffen gemacht, mehr noch, zutiefst schockiert, erkennen zu müssen, dass ich mich selbst ja gar nicht liebte. Ich funktionierte einfach nur. Über die Liebe zu mir selbst nachzudenken, das kam mir gar nicht in den Sinn.
Selbstliebe – allein das Wort war irgendwie schon verpönt. Dafür hatte ich keine Zeit und keinen Sinn. Stattdessen gab es da diese Vielzahl negativer Gedanken und Gefühle, die ich gegen mich hegte, die begleitet waren von Sätzen wie: „Du bist nicht gut genug.“ – „Du bist es nicht wert, geboren zu sein.“ – „Du bist nicht erwünscht.“ – „Du bist nur eine Frau.“ – „Du bist viel zu anstrengend.“ All diese Gedanken zeigten mir, dass ich mich selbst und damit auch mein Frau-Sein ablehnte. Alles, was ich tat, konnte in den Augen der anderen noch so sehr als gut befunden werden, doch ich selbst war NIE wirklich zufrieden mit mir. Die Kritikerin in mir war ständig präsent. Und ich wusste nicht, wie ich sie besänftigen bzw. abschalten konnte. Kurzum: Ich genügte mir nicht. – Die meiste Zeit über war mein Blick auf mögliche Fehler sowie auf meine Defizite gerichtet. – Können Sie sich in etwa ausmalen und vorstellen, wie sich dies auf das Lebensgefühl auswirkt? – Grausam! Fatal! – Sie sind ständig defizitorientiert und haben das Gefühl, dass Ihnen etwas Entscheidendes fehlt. Und danach suchen Sie Ihr Leben lang und sind dabei getrieben von der Hoffnung, es irgendwann einmal zu finden. Und zu alledem war da diese Angst, mir selbst meine Daseinsberechtigung zu geben bzw. mir selbst gegenüber überhaupt in Liebe zu sein, bzw. mir selbst wohlwollend und wertschätzend zu begegnen.
Das Gottesbild der Kindheit darf sich wandeln
Jesus lehrte uns „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ – Das Problem bei mir war nur, dass ich diesem kleinen Wörtchen „WIE“ überhaupt keine Bedeutung beigemessen hatte. Ich hörte nur „Liebe deinen Nächsten!“. Den Rest gab’s für mich nicht. Warum? – Kann und darf sich ein schwarzes Schaf denn lieben? – Ja, Sie lesen richtig. Ich bezeichne mich hier als das „schwarze Schaf“, denn als solches habe ich mich die ganze Zeit gefühlt. – Weshalb?
Ich komme aus einem sehr religiösen Haushalt. Römisch-katholische Erziehung. – Erinnere ich mich an die Kindheit, waren das Einhalten der Zehn Gebote, regelmäßige Gottesdienstbesuche und die Einhaltung der Familienregeln oberstes Gebot. Ich ging regelmäßig zum Gottesdienst und zur Beichte. Sang im Kirchenchor und nahm auf diese Art und Weise an all den Kirchenfesten und Traditionen teil, die das Jahr so mit sich bringt. Nur tief in mir war ich irgendwie anders religiös als der Rest der Familie. Ich interessierte mich für Gott, aber anders als es der Tradition in meiner Familie entsprach. Ich wollte Gott freier begegnen, anders als mit dem wöchentlichen Diktat von „Du musst sonntags in die Kirche gehen.“ Ich glaube, der nicht gelebte Rebell in mir lebte genau hier sein Trotzverhalten gegenüber den Gepflogenheiten meiner Familie aus. Und so kam es, wie es kommen sollte, dass ich während meiner Studienzeit und auch in den Jahren danach immer weniger zu den Gottesdiensten und damit in die Kirche ging. Doch wenn ich bei der Familie zu Besuch war und mich meine Mutter auch nur ganz harmlos fragte, ob ich denn überhaupt noch zur Kirche gehe, dann wurde in mir sofort eine Erinnerung aus Kindertagen wach, die ich mir als ein Muster eingeprägt hatte im Sinne von: „Gott sieht alles. Gott hört alles. Gott weiß alles. Gott straft alles.“
In Sekundenschnelle war das Gefühl da von „Ich bin nicht gut. Ich habe mein Leben als Christin, als gute Katholikin, als gottesfürchtiger Mensch verwirkt.“ Ich fühlte mich zum einen schlecht und schuldig, zum anderen trotzte ich, denn ich wollte endlich frei sein von irgendwelchen Reglementierungen. Wollte meine eigenen Entscheidungen darüber treffen, wie ich meinen Glauben leben will und mir dies nicht vorschreiben lassen. Wenn es für mich um Religion und Glaube geht, dann hat das – völlig frei und unabhängig von einer kirchlichen Lehre – ganz viel zu tun mit der „religio“, der Rückverbindung zu Gott. Mit dem klaren Wissen darum, dass Gott immer für mich da ist. Dass ich mit ihm und durch ihn lebe. Er freut sich, wenn ich ihm von mir erzähle. Er hört mir zu, wenn ich Sorgen und Probleme habe. Er liebt es, wenn ich mich ihm anvertraue und wenn ich ihm mit allem, was da ist, vollkommen vertraue, da er am besten weiß, was meine Seele braucht um zu lernen und zu wachsen. Für mich war es dringend notwendig das Bild eines strafenden Gottes – so wie ich ihn aus der Kindheit heraus kannte – zu wandeln, hin zu einem Gott, der uns alle bedingungslos liebt. Da ich mich aber als junge Frau jahrelang vor dem scheinbar „strafenden Gott“ versteckt hatte, musste ich mich erst wieder auf die Suche nach ihm machen und mir dabei selbst eingestehen, dass ich mich allein aus kindlichem Trotzverhalten heraus von ihm getrennt hatte. Er war immer für mich da. Nur mein Blick auf ihn war falsch, weil unbewusst von dieser kindlichen Angst geprägt. Und nicht nur mein Blick. Auch mein Denken darüber, dass Krankheiten, Unfälle, Widrigkeiten in unserem Leben Gottes scheinbare Strafe für ein nicht gottgefälliges Leben sind.
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