Im „Greg Lemond-Fall“ hat der arme Greg Lemond in doppelter Hinsicht Pech gehabt: Zuerst wird er offenbar mit einem kalifornischen Riesenhasen verwechselt. Zu diesem Irrtum hat er allerdings selbst mit beigetragen, weil er eine Tarnjacke trug. Oder war es vielleicht ein Häschenkostüm? Dann treffen ihn auch noch 30 Kugeln in einer besonders empfindlichen Körperregion. Was die Schussverletzungen betrifft, so ist für den Schützen Vorsatz zu verneinen, denn er wollte keinen Menschen treffen, sondern einen Hasen (error in objecto vel persona; § 16 I). Nach § 16 I Satz 2 bleibt die fahrlässige Begehung davon unberührt. So wäre jedenfalls nach den besonders strengen deutschen Maßstäben im Jagdrecht eine Strafbarkeit des Patrick Blades wegen fahrlässiger Körperverletzung(§ 229) sicher nicht auszuschließen. Festzuhalten bleibt allerdings, dass sich der Fall in den USA ereignete.
Kapitel 7:Allgemeines zur Rechtswidrigkeit
I.Das Verhältnis von Tatbestand und Rechtswidrigkeit
1.Die Indizwirkung des Tatbestandes
85Ein gängiger Merksatz lautet: Eine Tat ist rechtswidrig, wenn sie einen Straftatbestand verwirklicht und nicht durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt ist. Ist ein Straftatbestand erfüllt, besteht eine Vermutung dafür, dass auch die Rechtswidrigkeit gegeben ist. Dieses Verhältnis von Tatbestand und Rechtswidrigkeit bringt folgender Satz zum Ausdruck: „Die Tatbestandsmäßigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit.“Ist ein Verhalten tatbestandsmäßig, so steht es im Widerspruch zum Verbot eines Tatbestandes und damit im Widerspruch zur Rechtsordnung. Damit liegt ein Indiz für die Rechtswidrigkeit der Tat vor. In bestimmten Ausnahmesituationen kann diese Indizwirkung durch Vorliegen von Rechtfertigungsgründen (Erlaubnisnormen) aufgehoben werden. Den Straftatbeständen stehen sog. Erlaubnistatbestände(Rechtfertigungsgründe) gegenüber, die das Rechtsgut verletzende (tatbestandsmäßige) Verhalten ausnahmsweisegestatten. Dies ist in der Regel der Fall, wenn es um den Schutz vorrangiger Interessen, insbesondere um die Verteidigung von Rechtsgütern geht. In Ausnahmefällen kann also die tatbestandsmäßige Verletzung eines Rechtsgutes durch eine Erlaubnisnorm gestattet und damit gerechtfertigtsein.
Straftatbestände (Verbotsnormen) und Rechtfertigungsgründe (Erlaubnisnormen) weisen in ihrer Struktur manche Gemeinsamkeiten auf. 43Sie unterscheiden sich jedoch elementar in der gesetzgeberischen (legislatorischen) Zielsetzung, die bei der teleologischen Auslegung 44von konkreten Rechtsnormen zu berücksichtigen ist: Bei der Schaffung von Verbotsnormen (Straftatbeständen) durch den Gesetzgeber steht die Frage im Vordergrund, vor welchen Angriffen ein Rechtsgut geschützt werden soll und ob gerade eine Strafdrohung das geeignete Mittel zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes ist. Bei der Schaffung von Erlaubnisnormen (Rechtfertigungsgründen) geht es um die Frage, ob im Einzelfall von einem generellen Verbot eine Ausnahme zugelassen werden soll, ob also ein eigentlich verbotenes Verhalten unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt und damit gerechtfertigt werden soll.
2.Das Prinzip von der Einheit der Rechtsordnung
86Rechtfertigungsgründe, also Vorschriften, die ein menschliches Verhalten in bestimmten Lebenssituationen erlauben, finden sich in allen Rechtsbereichen. So erlaubt z. B. § 229 BGB bestimmte Maßnahmen der Selbsthilfe, wenn privatrechtliche Ansprüche gefährdet sind. Jeder, der einen anderen „auf frischer Tat betrifft“ , hat ein Festnahme rechtnach § 127 I StPO. Für die gesamte Rechtsordnung gilt der Grundsatz von der Einheit der Rechtsordnung, der überall, also auch im Strafrecht zu beachten ist: Er besagt, dass es nicht möglich sein darf, dass beispielsweise im Strafrecht etwas rechtswidrig ist, was in anderen Rechtsbereichen (Zivilrecht, Öffentlichen Recht) gestattet wird, also dort rechtmäßig ist. Man spricht insofern auch vom Prinzip der „Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung“. Dies bedeutet, dass im Strafrecht auch Erlaubnissätze aus dem Bürgerlichen und dem Öffentlichen Recht Gültigkeit haben und zu beachten sind. Dabei gibt es neben kodifizierten, also in Gesetzesform gefassten Erlaubnisnormen auch ungeschriebene, aber gewohnheitsrechtlichanerkannte Rechtfertigungsgründe. Einen abgeschlossenen Katalog von Rechtfertigungsgründen gibt es insoweit nicht.
3.Subjektive Rechtfertigungselemente
87So wie ein Straftatbestand sich aus objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt, so beinhalten auch die Rechtfertigungsgründe sowohl objektive als auch subjektive Rechtfertigungselemente. Deshalb ist eine tatbestandsmäßige Handlung nicht schon dadurch gerechtfertigt, dass die objektiven Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes gegeben sind. Vielmehr muss der Täter in Kenntnis(Wissenselement) der tatsächlichen Rechtfertigungslage gehandelt haben. Darüber hinaus ist er nur gerechtfertigt, wenn er aufgrund der Erlaubnisnorm auch rechtmäßig handeln will(Wollenselement). Deshalb gehört beispielsweise zur Notwehr subjektiv ein Verteidigungswille ,zu den Notstandsregelungen jeweils ein Gefahrabwendungswille(bzw. Rettungswille), zum Festnahmerecht ein Festnahmewilleund zum elterlichen Züchtigungsrecht, soweit es noch anerkannt ist, 45ein Erziehungswille.
II.Übersicht über einige der wichtigsten Rechtfertigungsgründe
88Die am häufigsten im Strafrecht zu berücksichtigenden Rechtfertigungsgründe finden sich
– im Allgemeinen Teil des StGB: § 32 (Notwehr) und § 34 (Rechtfertigender Notstand);
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