Elmar Zinke
Elbland
Roman
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Inhaltsverzeichnis
Titel Elmar Zinke Elbland Roman Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Impressum neobooks
Elbland
Roman
Elmar Zinke
Impressum
Text: © Copyright 2018 by Elmar Zinke
Umschlag: © Copyright 2018 by Elmar Zinke
Verlag: Elmar Zinke
Tannhöfer Allee 21
D-19061 Schwerin
ISBN 978-3-746712-24-6
verlag-zinke@t-online.de
Druck: epubli, ein Service der
neopubli GmbH, Berlin
Printed in Germany
Eine Hühnerleiter führte zum Dachgeschoss. Im Emporsteigen achtete Egon Wagner auf Gefahrenherde, aus gutem Grund unterband er Licht jeglicher Art. Den Weg zur Dachluke verstellte ein Sammelsurium beschädigter Möbel und Kisten voller Kinderspielsachen, flinkes Abstützen bewahrte den schwergewichtigen Mann mit dem wuchtigen Schädel, buschigen Augenbrauen und einem Wundmal im Nacken mehrfach vor einem Sturz. Vergeblich zerrte er am Verschluss der Luke, die zum Trittbrett des Schornsteins führte. Ein derber Schlag mit dem Handballen löste die Vereisung, längere Zeit reckte er allein den Kopf in den windstillen Nachtfrost. Die Unzufriedenheit über die eingeschränkte Sicht der lautgedämpften Vorgänge in der Domstadt drängte ihn zum vollständigen
Hinausklettern. Eine dicke Eiskruste überzog das krummgebogene Stahlgitter, ein frostverklebter Metallring, der im Mauerwerk des Schornsteins in Brusthöhe steckte, sicherte Halt.
Eine unüberschaubare Zahl von Bombern in loser Formation führte Luftschläge aus, grelle Lichtpunkte markierten das Unheil, das Gros der todbringenden Fracht entluden die alliierten Angreifer über dem Flugplatz im Norden des Stadtgebietes. Im Tonfall des nimmermüden Aufbegehrens ratterten Flugabwehrgeschütze, ein abgeschossenes Flugzeug stürzte mit einer Rauchwolke zur Erde, zerschellte auf einer Wiese. Allerorts brannte es lichterloh, zunehmend schlugen haushohe Flammen aus dem Stadtinneren und am südlichen Stadtrand dem sternenklaren Nachthimmel entgegen. Eine Fliegerformation drehte gen Westen ab, das zahlenstärkere Geschwader hielt mit seinem eintönigen Brummen Kurs auf Berlin.
Als Egon Wagner die nackte Hand vom Metallring befreite, verlor er das Gleichgewicht, krachte zu Boden. Seine Schusswunde sandte kurzzeitig heftiges Schmerzstechen aus, eine hüfthohe Umzäunung des Podestes schützte ihn vor einem Sturz vom Dach. Mit einem Bein tastete er nach der erstbesten Eisenleitersprosse, mit leichten Blessuren kehrte er ins überheizte Wohnzimmer zurück.
Seine Frau Grete stopfte Strümpfe. Die bildschöne Frau steckte ihre honigfarbenen langen Haare zur strengen Duttfrisur zusammen, ein knielanges Wollkleid verhüllte die Vollkommenheit ihres Körpers. Egon Wagners älterer Bruder Siegfried fehlte das linke Bein bis zum Knie, mit seiner Frau
Lisbeth und den Kindern Fritz und Günther durchblätterte er in weitgehender Lautlosigkeit ein Fotoalbum.
„Die Amis heizen der Stadt mächtig ein“, richtete Egon Wagner das Wort an seine Frau. „Wieder ein Sargnagel für den Untergang und ein Hoffnungsschimmer für unser Überleben.“
Niemand bedachte das Gehörte mit einem Wort, Egon Wagner verkrümelte sich in seine Tischlerwerkstatt, um seine Arbeit an der Babywiege fortzusetzen. Im ständigen Wechsel von Feilen und Schleifen strebte er die Wandlung von Vierkantstäben zu Rundhölzern für die Seitengitter an. Er führte die Arbeitsschritte langsam aus, berichtigte das Ausgeführte unentwegt. Nirgendwo löste der Endzustand seine Vorstellungen wenigstens halbwegs ein. Als kein Stab in die vorgebohrten Löcher im oberen und unteren Abschluss des Gitters passte, sank er auf dem Stuhl zu Schwermut zusammen. Nach einem Blick zur goldenen Taschenuhr, einem Erbstück, versteckte er sämtliche Einzelteile für die Babywiege im übermächtigen Dielenschrank, den er vorsorglich leer räumte. Er fegte sämtliche Abfälle sauber vom Betonfußboden, zündete eine Petroleumlampe an, kehrte gegen Mitternacht durch die Stille der Bombennacht ins Wohnhaus zurück.
Im Wohnzimmer strahlte der Kamin Restwärme aus. Egon Wagner schlüpfte in die von Grete bereit gelegte Nachtwäsche, empfand Dankbarkeit für ihren Fürsorgenachweis. Ohne störende Geräusche tastete er sich durch das frostkalte Schlafzimmer, kroch bis zum Kinn unter die bauschige Bettdecke.
„Wo warst Du?“, fragte sie in Sorge.
„Du bist noch wach?“
„Ich habe auf Dich gewartet.“
„Ich sah im Kuhstall nach dem Rechten“, log er im Flüsterton. „Spätestens morgen kalbt die Frieda.“
„Bist Du schon sehr müde“, drang ohne Unterbrechung aus ihr.
„Es geht. Warum fragst du?“
„Heute ist ein guter Tag“, sagte sie, paarte das Gemeinte mit einem Kichern. „Ein Besserer klopft während Deines Urlaubes nicht mehr an unser Glück.“
„Aber nicht hier, in dieser Mordskälte“, wandte er ein. „Treiben wir es im Wohnzimmer auf der Couch.“
„Aber was, wenn Dein Bruder auftaucht? Oder seine dumme Frau? Nicht auszudenken. Nein, meine Liebe begehrt Dich unter meiner warmen Decke.“
Die Wohltaten ihrer schmalen Hand auf seiner Haut lösten vorwärtsweisende Erregungsschübe aus, geschwind streifte er seine gefütterte Unterhose ab. Direkt an ihrer Seite übertrug sich ihre Gluthitze in voller Länge auf ihn, Küsse starteten im Sanften und Seichten, fanden rasch in die Welt des Ungestümen. Seine Hand löste den Bindegurt ihres Nachthemdes mit Spitzenbesatz in Bauchnabelhöhe, netzte sich in ihrer Empfangsbereitschaft. Seine Leibesfülle streifte ihre frauliche Erscheinung allein im Augenblick der körperlichen Verbindung, nach dem Hochstemmen des Oberkörpers entpuppte er sich als zielstrebiger und zuverlässiger Liebhaber. Keiner beanspruchte Sonderstellungen, wie jedes Mal wuchtete er seine Hundertzehnkilo nach der schonenden Verabschiedung aus ihr sofort zur Seite, atmete hörbar die Nachlust heraus.
„Erlaubst Du mir das Rauchen?“, fragte er zeitversetzt.
„Natürlich“, säuselte sie. „Was fragst Du jedes Mal.“
Die silberne Schatulle mit einer Hand voll Zigaretten und einer Streichholzschachtel lagen griffbereit im Nachtschränkchen, die ersten Züge sog er tief in sich, den Rauch blies er ausschließlich durch die Nasenflügel ins Rabenschwarze.
„Vielleicht begrüßen wir unser Kind schon im Frieden“, drückte er seine Zuversicht leise aus.
Ihre Finger streichelten seine buschigen Brusthaare, sie sagte: „Auch im Krieg entsteht neues Leben. Nicht zuletzt unsere Kühe verschonen unser Kind vor Hunger und all die Grausamkeit der Zeit schlägt um unser kleines Dorf hoffentlich einen Bogen.“
„Die ganze Welt kämpft gegen das Deutsche Reich“, wahrte er das Hoffnungsfrohe. „Hitler…“
„Egon, ich bitte Dich um eines“, unterbrach sie ihn schroff. „Rede in Gegenwart Deines Bruders nicht schlecht über den Führer. Das beschwört tödliche Gefahren herauf.“
„Das setzt voraus, dass meine Überzeugung dieses Haus verlässt. Hältst Du meinen Bruder für fähig, dass er das eigene Fleisch und Blut verrät?“
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