Elmar Zinke
Eine Frau für Mama
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Inhaltsverzeichnis
Titel Elmar Zinke Eine Frau für Mama Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Impressum neobooks
Der Taxifahrer öffnet die Tür, der Rücksitz behagt von Klopp wie die Wohnzimmercouch seiner Mutter. Er stellt seine Beine quer vor die Rückbank und denkt, der Herr am Steuer wirft ein merkwürdig Auge auf mich. Im Losfahren ruckt der Mercedes älterer Bauart, hinter der nächsten Ampelkreuzung streckt sich eine Schlaglochpiste, der Wagen legt nur mäßig an Tempo zu. In Folge unterbleibt der Sichtkontakt über den Innenspiegel. Der Schwarze in nachlässiger Kleidung lenkt einhändig, die andere Hand umschließt den Knauf der Automatikschaltung. Ein stinknormaler Nachmittag zieht an von Klopp vorüber.
Die Trennung rührt Mama dieses Mal nicht zu Tränen, geht von Klopp durch den Kopf. Zudem die Merkwürdigkeit, dass sie für unsere letzten Stunden die Garderobe eines Opernbesuches wählt. Drückt mir zudem die Daumen, als stände mir ein bedeutsamer Wettkampf bevor. Käthe, die Herzensgute, gibt sich dagegen wie immer. Diese tränenreiche Umarmung. Als bräche ich, welch Trugschluss, zu einer Weltreise auf.
Verkehrsschilder weisen die Holidayparkplätze aus, ein Zubringerbus kreuzt den Weg, eine Lufthansamaschine sinkt zur Landebahn. Die Flughafenvorboten üben in von Klopp einen Sinnestaumel aus, er fiebert vor freudiger Erregung. Das Auto taucht in den Tunnel, überwindet mit hoher Drehzahl die ansteigende Straße zum Abflugterminal, an die Frontscheibe klatscht in Handschuhfachhöhe ein Flugobjekt. Was war das?, durchzuckt es von Klopp. Schwarze Federn bestücken einen weit aufgespannten Flügel, der Fahrtwind bläst das Erkennungsmerkmal umgehend fort, zudem sichtet von Klopp im Innenspiegel griesgrämige Züge.
Der Taxifahrer stellt den Motor ab, schraubt seinen mächtigen Schädel zum Fahrgast, flucht: „Scheiß Tier.“
„Es war ein Rabe“, verbessert von Klopp.
„Ein Rabe?“, stutzt der Andere. „Die gibt es nur noch in Filmen. Gerade gestern zog ich mir totalen Mist rein. Wie hieß der noch? … Der Rabe, Prophet des Bösen.“
Von Klopps Augen blitzen vor Unbeschwertheit und ihm entfährt: „ Und in Büchern. Da kommen meine beiden Raben, was mögen die für Botschaft haben? Ich fürchte gar, es geht uns schlecht.“
„Wo steht das?“, fragt der Fahrer halbherzig.
Von Klopp streicht durch die schwarze Dichte des Haares, an den Schläfen wechselt es ins Graue.
„In Goethes Faust.“
„Genau“, hellt sich das Fahrergesicht auf. „Das ist doch dieser Studiertyp, der mit dem Teufel einen Trip macht.“
„Sozusagen“, anerkennt von Klopp. „ Wir breiten nur den Mantel aus, der soll uns durch die Lüfte tragen.“
„Na ja, für Ihre Reise nehmen Sie besser den Flieger. Und das Fahren kostet bei mir Neunzehndreißig.“
Von Klopp entfaltet eine Fünfzigeuronote in den vorgehaltenen Handteller, sagt freundlich: „Der Rest ist für Sie.“
Der Fahrer kratzt seine glatt rasierte Kopfhaut, die Finger vereinnahmen den Schein im Zeitlupentempo. Mit Schwung setzt er seine Dickleibigkeit in Bewegung, mit Leichtigkeit hievt er den mittelgroßen Samsonitekoffer aus dem Gepäckraum.
„Danke, Herr Doktor“, schnauft er vor Erstaunen. „Ein echt gutes Trinkgeld. Beim Einsteigen wäre ich jede Wette eingegangen, dass Sie der absolute Geizkragen sind.“
Im Flughafengebäude findet von Klopp auf Aufhieb die Schalterzone der China Airline. Aus Mangel an Kundschaft fertigt die Schalterdame der Businessclass die Reisenden der Economyclass mit ab. Sie präsentiert ein Gutelaunegesicht, ihr förmlicher Augenaufschlag gilt ihm.
„Endlich einmal erste Klasse fliegen“, scherzt er.
„Mit unserer Gesellschaft haben Sie eine gute Wahl getroffen.“
Die Frau in moosgrüner Uniform und weißem Tüchlein um den schlanken Hals äugt in den Computer, jedes Wort an von Klopp paart sie mit einem persönlichen Lächeln.
„Reichen Sie mein Gepäck bis zum Endziel durch?“, fragt er zwischendurch.
„Selbstverständlich“, gibt sie ohne Blickwechsel zur Antwort. „Allerdings erhalten Sie ihre Boardingcard nach Bangkok erst in Schanghai.“
Von Klopp schaut über sie hinweg, unter dem Wort Schanghai sieht er klein gedruckt erstmalig das Wort Frankfurt.
„Was bedeutet Frankfurt?“, reagiert er verdutzt. „Der Flug ist als Direktflug ausgewiesen.“
„Ein kleiner Zwischenstopp“, beschwichtigt die Frau. „Sie verlassen das Flugzeug nur kurz.“
Von Klopp bündelt seine Verstimmung zu einem Stoßseufzer, steuert nach dem Aushändigen der Boardingcard den Kontrollbereich an. Seit jeher übersteht er das Durchschreiten der Sicherheitsschleuse ohne Warnsignal. Eilfertig entsorgt er vom Körper alle gängigen Rotlichtauslöser, spart die silberne Halskette, den schmalen Gürtel sowie die Schuhe mit den von Metall umrandeten Schnürsenkellöchern nicht aus. Das leidige Abtasten des Körpers durch fremde Hände bleibt ihm erspart.
Der Kurzaufenthalt in Frankfurt streckt sich ohne erkennbaren Grund. Er schaltet sein Handy an, wählt die Nummer seiner Mutter.
„Hallo Mama, ich melde mich noch mal.“
„Ist etwas passiert?“, klingt sie besorgt. „Fährst Du nicht längst durch die Luft?“
„Nein, es ist nichts passiert“, beruhigt er sie mit gesalbter Stimme. „Bloß eine Zwischenlandung in Frankfurt.“
Nach einem Klicken fragt sie: „Ich höre Dich nicht. Bist Du noch unter uns?“
Er bejaht es, ergänzt mit einer Spur Heiterkeit: „Passiert ist allerdings etwas auf dem Weg zum Flughafen. Ein Rabe vollführte auf der Frontscheibe des Taxis eine Bruchlandung.“
„Was ist mit Frau Raabe?“ platzt sie mit dumpfem Groll hervor. „Ist sie etwa Deine Reisebegleiterin? Hast du mich angeschwindelt?“
„Nein“, reagiert er gelassen. „Ich reise allein. Wie immer.“
„Nichts gegen diese Frau Raabe. Sie mag eine adrette Person sein“, wendet sie in hoher Tonlage ein. „Aber geschäftlich und privat verlangen eine strikte Trennung.“
„Natürlich Mama.“
„Deine Eltern vermitteln Dir eine Lehre.“
„Ja, Mama“, bekundet er trocken.
„Bestimmt krönt der Erfolg dieses Mal deine Glückssuche“, überkommt es sie fast überschwänglich.
„Mama“, beschwichtigt er. „Wie immer stille ich mein Fernweh. Nur diese Leidenschaft! Die im Übrigen Du mir einpflanzt. In meinen Kindertagen. Mit diesen wunderbaren Bildbänden.“
„Das mag richtig und klug sein“, setzt sie plötzlich zu einer Strafpredigt an. „Und jetzt sage ich es mit aller gebotener Klarheit. Nimm endlich deine Verantwortung wahr. In unser Haus gehört eine junge Frau. Vor meinem Ableben, damit Seelenruhe mich bettet.“
„Mama, bitte …“
„Martin von Klopp“, unterbricht sie ihn forsch, „mich drängt heiliger Ernst. Ich flechte in mein Testament eine Klausel ein. Glaub mir, Du trittst das Erbe nur an, wenn am Tage meines Todes eine junge Frau von Klopp unser Haus bereichert. Ansonsten erbst Du nur Deinen Pflichtteil. Der andere Brocken geht an meine Stiftung zur Ächtung von Tierversuchen.“
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