Der Wagen stoppt im Halbdunkel eines delligen Platzes, ein Tuk-Tuk-Fahrer wuchtet ungefragt von Klopps Koffer auf die vorderen Plätze eines Gefährts, von Klopp steigt hinzu. Der Linksscheitel teilt das kurze Haar des Fahrers mit Strenge, das karierte Hemd mit angeknöpften Kragenecken und die graue Stoffhose unterstützen den Eindruck des Grundanständigen. Während der Hotelsuche sorgen die Autolichter für mehr Helligkeit als alle anderen Lichtquellen im Miteinander. Das vorab gebuchte Hotel liegt leicht zurückversetzt an der National Road, das unscheinbare Äußere weicht im Inneren einer luxuriösen Ausstattung.
Von Klopp behagt die zurückhaltende Art des Mannes und die Verhältnismäßigkeit des Entgeltes, er regelt mit ihm den kommenden Tag. Ein gertenschlanker Page mit kindlichem Lächeln übernimmt den Koffer, eine unschlagbar lächelnde Frau an der Rezeption regelt das Notwendige im Schnelldurchlauf. Im Zimmer wirft der Page die Klimaanlage an, erklärt wortreich die Arbeitsweise des Minisafes, streift von der Begrüßungsfrüchteschale die Folie. Von Klopps Finger spreizen sich auf die Matratze des Doppelbettes, prüfen kraftvoll den Grad von Härte und Weiche. Die Aussicht auf gutes Schlafenkönnen beschwingt ihn, verführt ihn zu einem guten Trinkgeld.
Der Page streicht die drei Eindollarnoten ein, säuselt im Türrahmen: „Mein Name ist Munny. Wollen nicht allein bleiben? Kenne ein Haus mit Superladys.“
„Ich weiß nicht“, gibt sich von Klopp überrascht.
„Eine Frau schöner als andere.“
„Ich suche kein billiges Vergnügen“, entfährt von Klopp nach einer kleinen Ewigkeit.
„Alles fängt mit erste Nacht an“, versteift sich der Page auf sanftes Zureden. „Oder mit Stunde. Dann vielleicht Liebe teuer. Entschuldigung, teure Liebe.“
„Ich bin total kaputt“, wehrt er verlegen ab. „Vielleicht morgen. Ich bleibe drei Nächte hier.“
„Erste Frau vielleicht nicht Richtige für mehr Liebe“, entgegnet Munny in handzahmer Manier. „Drei Nächte, drei Mal probieren, macht Frau euch Freude und Ehre.“
„Ich nehme Drei auf einen Schlag“, überfällt es von Klopp scherzhaft.
„Gute Idee, Sir. Neun Frauen Auswahl.“
„Ich überlege es mir.“
„In Kambodscha viel Frau für wenig Geld“, drängt der junge Mann mit hastigem Eifer. „Eine Nacht ganz billig. Nur vierzig Dollar. Dreißig Dollar für Lady, zehn Dollar für Hotel. Von zehn Dollar fünf Dollar für mich. Fahre Sir nach Arbeit. Zweiundzwanzig Uhr. Genug Zeit zum Essen, zum Entspannen.“
„Mal sehn.“
„Sir nichts finden, kein Problem. Fahren zurück oder zu anderem Haus von Freude.“
„Gibt es auch Frauen nur zum Reden?“
Munny blickt schamhaft zur Seite, überlegt eine Zeit lang, wahrt sein Gesicht: „Schöne Frauen kennen schöne Worte.“
Von Klopp begutachtet die Minibar, trinkt ein Büchsenbier, studiert den Stadtplan. Auf der Route zur Pubstreet quert er dunkle Gestalten und Hundegebell, die Lichter von Geschäften steigern nicht das Sicherheitsgefühl. Eine Hauptstraße markiert die Bruchlinie ins pralle Leben, sein flaues Gefühl im Magen weicht einem heftigen Magenknurren. Ein wuchtiger Gebäudekasten wirbt mit einem asiatischen Büfett par excellence und Nonstopfolklore der Sonderklasse. Das Tanzsaalgroße des Raumes, bierzeltlange Tischreihen und die Gästearmut mehren den Eindruck einer Zweitwahl, ein vielfältiges kaltes und warmes Büfett wähnt ihn eines Besseren. Eine Bedienstete zapft ihm Bier, eine andere händigt von Klopp eine Suppe aus, die gehaltvolle Zusammensetzung wählt er selbst. Auf einen Riesenteller mischt er Chickenspieße, Pekingente, Schweinefleischstreifen, gedünstetes Gemüse, kandierte Früchte und einen bunten Salat.
Direkt vor der Bühne nimmt er Platz, eine Trachtengruppe löst die andere ab, die Zahl der Akteure und die Art der Aufführungen weichen voneinander ab. Wildheiten und Zeitlupentempo prägen das Erscheinungsbild, der zeitgleich gemeisterte Luftdoppelschlag zweier Darsteller ringt von Klopp Beifall ab, im Rasseln beinlanger Bambusstangen ertönt das Startsignal für das Finale. Ob Mama diese Auftritte wenigstens mit Stillsitzen quittiert?, denkt er. Im Violinkonzert neulich schreitet sie nach der zweiten Dissonanz des Solisten demonstrativ aus dem Raum und spült ihren Unmut über das vermeintliche Totalversagen mit zwei Champagnerschalen hinunter. Auch der prächtige Blumenstrauß des Dirigenten, der am Vormittag darauf eintrifft, mildert nicht ihr vernichtendes Urteil über den Abend. Andererseits bringt sie es fertig, sich in Begleitung des Doktors den Film Nassgaranten anzuschauen und ihn als Beweismaterial für die Erotik des Ekels zu preisen … Oh Gott, Mama erwartet ein Lebenszeichen! Er sieht erste Aufräumarbeiten und spürt Schamröte, im Freien strauchelt er über die fußbreite Lücke zweier Betonplatten.
Pünktlich um zweiundzwanzig Uhr klingelt das Zimmertelefon. Die weiche Stimme des Pagen verschlüsselt das Bevorstehende, kein Uneingeweihter erlangt eine Deutungshoheit. Von Klopp schwingt sich hinter Munny auf den Motorroller, knattert stadtauswärts, genießt die Streicheleinheiten des lauen Fahrtwindes. Tiefe Senken zwingen Munny zum Fahren im Schritttempo, der Motor würgt seine Geräusche hervor. Mehrfarbiges Glitzerlicht rückt ein unüberschaubares Gelände ins Imaginäre, die Auslastung des Parkplatzes drückt sich in Leere aus, eine Vielzahl inländischer Männer läuft umher. Munny parkt das Fahrzeug neben einem Geländewagen, übernimmt von einer dickleibigen Person eine brennende Zigarette. Im Foyer des Flachbaus herrscht der Hochbetrieb einer fröhlichen und vielstimmigen Damengemeinschaft. Ein halbes Hundert Frauen winken im Stehen und auf Stühlen, von Klopp traut weder seinen Augen noch seinen Ohren.
Am seitlichen Tresen warten drei Männer, der Älteste trägt Würgemale am Hals, eine Brille mit einem rosafarbigen Gestell steigert den Eindruck des Kantigen im Gesicht.
Er bequemt sich zum Aufstehen, fragt: „Nummer?“
Die mit Zahlen versehenen kreisrunden Anstecker an den Frauen in Brusthöhe entdeckt von Klopp erst zu diesem Zeitpunkt.
Er antwortet nicht, sagt stattdessen: „Sie sind klein wie Kinder.“
Der Andere wirbelt mit einer Handbewegung alle Frauen hoch, pickt die vermeintlich fünf größten heraus, lässt sie soldatisch zu einer Reihe antreten. Sie lächeln beherzt, überhören neckische Bemerkungen aus dem Hintergrund. Die Körper zappeln Erregungsformen hervor, zwei der Fünf bedienen durchaus von Klopps Vorstellungen fraulicher Reize. Im Zeitlupentempo pendelt sein Zeigefinger zwischen der einen und der anderen Lieblingsnummer. Die Verschmähten im Showroom treten ohne Anzeichen einer Enttäuschung den ungeordneten Rückzug an, die Auserwählten steuern die Rezeption an. Der Mann mit Brille füllt einen Zettel aus, von Klopp dämmert ein Missverständnis.
„Nur eine Frau“, klärt er schamrot auf.
Zur letzten Sicherheit hebt er einen Zeigefinger empor.
„Nummer?“
Die Gesichter und Körper, denkt er, fallen im Typ unterschiedlich, aber in der Ganzkörperausstrahlung gleichwertig aus. Von Klopps Blick schwenkt in die Tiefe, die Wahl fällt auf die Frau mit den kürzeren Absätzen. Der Mann notiert eine Kurzbemerkung auf ein andersfarbiges Blatt, heftet daran ungeschickt von Klopps drei Zehndollarscheine mit einer Büroklammer, den Gesamtvorgang verfrachtet er in eine abschließbare Holzkassette.
„Ich möchte eine Frau näher kennen lernen“, überwindet sich von Klopp. „Ist das möglich?“
„Achtzig Dollar für jeden Tag. Wie viele Tage? Welche Frau?“
„Ich weiß es nicht“, wiegelt er ab. „Vielleicht diese Frau. Vielleicht eine andere.“
„Kein Problem.“
„Und für immer? Wie viele Dollar?“
Der Mann schaut von Klopp ausdruckslos an, antwortet:
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