Wolfgang Breuer
Ein Wittgenstein-Krimi
Wolfgang Breuer
Durchgeknallt
Wittgenstein-Krimi
Cover: Flugplatz Schameder, Foto Wolfgang Breuer
Autorenfoto: Fotoatelier Christiane
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© Herbst 2016
Impressum
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eISBN 978-3-96136-002-4
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Dieses Buch ist ein Roman. Handlung und Personen, wie Täter und Opfer, sind frei erfunden. Allerdings spielen darin auch real existierende Personen im sehr realen Wittgensteiner Land eine gewichtige Rolle. Diesen Menschen schulde ich für ihr freundschaftliches Einverständnis dazu meinen aufrichtigen Dank. Sie machen die Geschichte ein ganzes Stück weit authentischer. Bezüge zu und Anspielungen auf Ereignisse des aktuellen Zeitgeschehens sind ebenso gewollt wie notwendig.
Wolfgang Breuer
Inhalt
Eins war klar. Der Hüne, der da oben an der Straßenböschung stand, wollte Klaus jetzt endgültig ans Leder.Richtig massiv ans Leder. Und kein Schwein weit und breit, das ihm hätte helfen können.
Dem Kripo-Mann wurde gleichzeitig heiß und kalt. Schweiß rann ihm von der Stirn, tropfte auf den trockenen Boden unter ihm, in den er sich förmlich hinein krallte. Und den Rückenstrang herunter schauderte es ihn. Klaus Klaiser ging der Stift eins zu zweihunderttausend.
Aber der Typ konnte ihn wohl nicht sehen, so von oben herunter. Obwohl er keine drei Meter oberhalb von ihm stand. Die Büsche waren einfach zu dicht. Zum Glück war das linke Auge dieses Irren so zugeschwollen, dass er für die nächsten Tage wohl mehr wie ein Zyklop durch die Landschaft tapern würde. Glück für den Gesetzeshüter. Im Moment jedenfalls.
Was für ein Ekel, dieser Typ. Seine lädierte Visage glänzte in der Abendsonne. Seine überdimensionierten Bizepse mit den geschmacklosesten Tattoos, die man jemals gesehen hatte, glitzerten schweißnass. Und seine abgerissenen Klamotten klebten dort, wo sie keine Löcher hatten, an seinem gigantischen Körper. Ein dreckiger Widerling in Schwarzenegger-Ausgabe. Mit einer neun Millimeter SIG Sauer in der Rechten.
Nicht einmal eine halbe Stunde trennte Klaus von seinem vermeintlichen Triumph über den Muskelprotz und diesem Moment, in dem er sein Ende kommen sah.
Mit einem Wahnsinnstempo war dieses Arschloch durch Berghausen gerast, hatte zwei Autos beim Überholen demoliert und fast einen alten Mann mit Fahrrad über den Haufen gefahren. Der Senior hatte gerade bei Laie über die Straße in Richtung Lehmbach gewollt. Gott, war das knapp! Zum Glück verfehlte der Irre mit seinem rasenden Boliden den Mann um wenige Zentimeter und schoss nun durch Rehans´ Kurve. Dann allerdings musste er richtig Gummi auf der Straße lassen. Richtig viel Gummi.
Denn er war nicht nur viel zu schnell. Nur etwa achtzig Meter weiter, in der nächsten Linkskurve, rangierte nämlich ein Lkw mit überlangem Spezialanhänger. Um einen Riesenkran ins Neubaugebiet auf den Brunkel hinauf zu bugsieren. Die Straße war dicht. Vollbremsung!
Fahlgelbe Schwaden schossen unter den Kotflügeln des metallicblauen Porsche Panamera heraus. Und jeder gebremste Meter wurde dokumentiert durch dicke schwarze Streifen auf der Fahrbahn. Vier 265er Schlappen verloren deutlich sichtbar an Profil.
Nur ganz knapp vor dem Gespann kam er quer zum Stillstand. Mitten auf der Fahrbahn. Hauptkommissar Klaiser sah den Wahnsinnigen fluchen und toben, als er sich der Szenerie langsam mit seinem Audi näherte. Der Typ war ausgestiegen und hatte wild mit seinen Fäusten gestikulierend dem Lkw-Fahrer Schläge angedroht, wenn er die Straße nicht endlich frei mache. Klaus, der von hinten mit seinem Audi A5 heran gekommen war, interessierte ihn offenbar nicht die Bohne. Obwohl der Kripo-Mann schon seit Dotzlar immer wieder in seinem Rückspiegel aufgetaucht war. Zum Schluss sogar mit Blaulicht. Womöglich hatte er ihn in seiner Raserei überhaupt nicht registriert.
Klaiser hatte gerade seinen Dienstwagen aus der Inspektion geholt und noch schnell einen neuen Wagen vor dem Autohaus Paul angeschaut, als der Porsche mit Hochgeschwindigkeit die Straße von Sassenhausen herunter kam. Dieses unverwechselbare raue Motorengeräusch, das beim Runterschalten an ein hochgezüchtetes Kreischen erinnert, ließ ihn neugierig herumfahren. Klaus konnte gerade noch sehen, wie der Panamera ungebremst und ohne Rücksicht auf zwei Motorroller in Richtung Raumland einbog und davon raste. Vollgas, mit röhrendem Auspuff. In kürzester Zeit hatte der Wagen schon wieder mehr als hundert Klamotten erreicht. Mitten im Ort.
Die Jungs auf ihren Rollern hatten eine sehenswerte Vollbremsung hingelegt. Und das war gut so. Was hilft einem schon das Wissen um die eigene Vorfahrt, wenn man ohne Knautschzone und Airbag unterwegs ist.
Klaiser war zwar schon um halb vier am Morgen wegen eines Raubüberfalls auf einen Rotlicht-Kneipier aus dem Bett geschmissen worden. Und sein Dienst war längst rum. ‚Doch diesen Typen hier‘, dachte er sich, ‚den schaust du dir trotzdem mal genauer an. Falls du an den ran kommst.’ Auf der kurvigen Strecke am Steinbruch vorbei würde der jetzt nicht so los brettern und ohne weiteres überholen können. Da war zu dieser Zeit noch zu viel LKW-Verkehr. Die Chancen standen daher nicht gerade schlecht.
Und es klappte auch. Kurze Zeit später hing der Zivilstreifenwagen hinter dem Porsche. Davor zwei schwer mit Schotter beladene Sattelzüge. Und ständig Gegenverkehr.
Es war zwölf nach vier Uhr nachmittags. Die Büros und Kliniken im benachbarten Bad Berleburg und die Firmen in den umliegenden Orten spuckten ihre Belegschaft in Richtung Feierabend aus.
Obwohl Klaiser mit Hochgeschwindigkeit aufgeschlossen und sogar in seinem Sichtfeld ein recht haariges Überholmanöver riskiert hatte, war er dem Porsche-Fahrer wohl nicht aufgefallen. Immer wieder zog der Raser seinen Wagen leicht nach links, um dann wegen des Gegenverkehrs blitzschnell wieder einzuscheren. Nix war’s mit Überholen. Zumindest nicht bis kurz vor der Raumländer Kirche.
Dort hatte der Irre endlich eine Lücke auf der Gegenspur entdeckt. Und schon jagte er den sündhaft teuren Wagen auf Hochtouren an den Lastern vorbei. Um ein Haar wäre er in eine bepflanzte Verkehrsinsel gekracht, die er links umschiffte. Und wenige Meter weiter riss eine Mutter ihr Kind mitsamt Dreirad instinktiv in einen Vorgarten.
Der Bolide schoss vorbei und lag nun wie ein Brett in der folgenden scharfen Linkskurve auf der Straße. Diese Kurve um den Bergrücken herum muss es schon gegeben haben, als der Heilige Bonifatius hier die erste Kirche baute. Doch der Gottesmann fuhr damals allenfalls Ochsenkarren. Der Sportflitzer war da bedeutend flotter.
So schnell, wie er ihn eingeholt hatte, so schnell hatte Klaiser den Panamera wieder aus den Augen verloren. ‚Das war´s‘, dachte er. ‚Ende seines außerdienstlichen Einsatzes‘, der ihm wahrscheinlich ohnehin nicht auf dem Überstundenkonto gutgeschrieben worden wäre.
Bis zur „Klinker-Kreuzung“ gab es keine Chance mehr für ihn, an den Vierzigtonnern vorbeizukommen. Dröhnend bogen die PS-Monster mit ihrer Schotterladung dort links ab auf die B480, Richtung Hemschlar. Das schwäbische Galaprodukt in blau war da schon längst über alle Berge.
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