Wolfgang Breuer
Ein Wittgenstein-Krimi
Dieses Buch ist ein Roman. Handlung und Personen, wie Täter und Opfer, sind frei erfunden. Allerdings spielen darin auch real existierende Personen im sehr realen Wittgensteiner Land eine gewichtige Rolle. Diesen Menschen schulde ich für ihr freundschaftliches Einverständnis dazu meinen aufrichtigen Dank. Sie machen die Geschichte ein ganzes Stück weit authentischer. Bezüge zu und Anspielungen auf Ereignisse des aktuellen Zeitgeschehens sind ebenso gewollt wie notwendig.
Wolfgang Breuer
In aller StilleEin Wittgenstein-Krimi
Cover: Riegel mit Schloss an einer Scheune,
Foto Wolfgang Breuer
Autorenfoto: Fotoatelier Christiane
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eISBN 978-3-96136-014-7
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Montag, 20. Juli
„Booooaaaah, was ist denn das für ein abartiger Gestank hier?“ Der Prinz war gerade in den Ökonomiehof von Schloss Berleburg gefahren und aus seinem Offroader geklettert, als er eine richtige Ladung dieser penetranten Widerwärtigkeit einatmete. „Das ist ja grausam!“ Der Mann in den lässigen Outdoorklamotten rümpfte die Nase und schnüffelte vorsichtig in alle Himmelsrichtungen. Seine drei Hunde taten es ihm gleich. Gerade noch waren sie wie abgezogene Flitzbögen hinter dem Adligen her aus dem Geländewagen gesprungen. Aber jetzt standen sie da, als hätte ihnen jemand verdorbenes Fleisch vorgeworfen. Mit fast angewidertem Gesichtsausdruck. Die Lefzen herunterhängend, schnupperten sie diesen süßlich-fauligen Geruch, der die Luft an diesem heißen Mittag schwängerte.
„Das ist ja nicht auszuhalten, Krämer. Seit wann mieft das denn hier so unglaublich?“ Prinz Gustav hatte sich zum Ökonomieverwalter umgedreht, der mit todunglücklichem Gesicht aus seinem Büro gekommen war. „Keine Ahnung, Prinz. Ich … ich weiß auch nicht“, sagte er und zuckte mit den Schultern. „Heute Morgen war das noch nicht. Ich … ich glaube, das ging erst so am späten Vormittag los. Und dann wurde es von Minute zu Minute schlimmer. Wir haben schon überall nachgeschaut. Geguckt, ob irgendwo einer der Hunde vielleicht was rangeschleppt hat. Ein gerissenes Kaninchen oder so. Aber da ist nichts. Die Wildkammern sind absolut sauber. Die Lagerscheunen auch. Und nirgendwo eine tote Katze oder ein Kadaver von irgendwas. Da ist nix. Ich weiß es wirklich nicht, tut mir leid.“ Dem Manne war fast zum Heulen zumute. Und zum Kotzen. Aber das sagte er dem jungen Schlossherrn natürlich nicht.
Dabei ging es dem nicht anders. Gustav, Prinz zu Sayn-Wittgenstein -Berleburg musste gegen Würgereize kämpfen, behielt aber die Contenance. „Ja, kommen Sie, bleiben Sie um Gottes Willen ruhig. Ich mache Ihnen ja keinen Vorwurf. Wer weiß, wo das herkommt. Vielleicht aus der Kanalisation.“
„Nein, Prinz. Daher kommt das nicht. Das haben wir schon überprüft. Aus den Gullideckeln riecht es fast medizinisch im Vergleich zu diesem … diesem Mist hier. Entschuldigung.“
„Wissen Sie was, wir gehen mal rüber zu Röhl und fragen, ob der uns einen Schluck aus der Edelschnapspulle für Gäste genehmigt. Das macht die Atemwege wieder frei. Und dann schauen wir mal gemeinsam, was wir tun können.“
Prinz Gustav stieß einen spitzen Pfiff aus. Und schon tummelten sich die drei Rassehunde um seine Beine. Während er aus dem Hof herausging und über die Straße zum Eingang des Schlossgartens wechselte.
„Ccccchhhhbrrrr“, kam es aus dem Geviert vor der Orangerie. Digby, das Lieblingspferd von Prinzessin Nathalie, Gustavs Schwester, querte gerade in einer perfekten Transversale diagonal über den Dressurplatz. Unterstützt durch leichtes Schnalzen seiner Reiterin. Die beiden hatten´s drauf. Hatten die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Peking geholt. Sie mussten keinem mehr etwas beweisen. Trotzdem, ohne Training geht gar nichts.
Als sie ihren Bruder sah, brach Nathalie allerdings das Programm ab und kam im leichten Trab herüber zu ihm und Rainer Krämer. Tätschelnd animierte sie das mächtige Tier zum Anhalten. „Sag mal, habt Ihr das auch gerochen? Das ist ja furchtbar, wie es da drüben in der Parkstraße riecht. Was ist denn das?“
„Kandierter Wallach in Senfsoße – etwas überlagert“, grinste der Prinz und hob gleich schützend die Hände über sich. Nathalie spielte die Angewiderte und warf den Kopf zur Seite.
„Nein, nein, im Ernst. Wir haben keine Ahnung. Vom Ökonomiehof kommt es zumindest nicht. Herr Krämer und die Leute haben alles kontrolliert. Die können sich auch keinen Reim darauf machen.“ Krämer zuckte zur Bestätigung abermals mit den Schultern. „Aber wir wollen mal eben rüber zu Herrn Röhl. Womöglich hat der eine Ahnung.“
„Könnt Ihr Euch sparen. Da kommt er schon“, meinte sie. Nathalie hatte sich aufgerichtet und dem Leiter der fürstlichen Rentkammer zugewunken, der zügigen Schrittes auf dem Weg entlang der Schlossmauer unterwegs in Richtung Parkausgang war. Doch der Forstdirektor zeigte nur mit ausgestrecktem Arm nach vorn und rief: „Wäre schön, wenn Sie mitkommen könnten, Prinz. Und Sie auch, Krämer. Wir müssen drüben bei den Nachbarn mal was nachschauen. Die haben ein riesiges Problem.“
Sein dynamischer Gang erlahmte allerdings schlagartig. Wild kramte Röhl plötzlich ein Taschentuch aus einer seiner Hosentaschen und presste es augenblicklich auf Mund und Nase. Dabei fuhr er herum und starrte zu den dreien am Dressurplatz herüber. „Mann Gottes“, stöhnte er, „was ist das denn?“ Sekunden später wurde auch die Gruppe mit Pferd von dem süßlichen Faulgeruch umhüllt. Ein sachter Windhauch hatte ihn herangetragen. Prinzessin Nathalie sprang vom Pferd und würgte in die rechte Armbeuge.
„Kommen Sie bitte, kommen Sie“, rief Röhl durchs Taschentuch und verschwand durch das Tor des Schlossgartens.
Die Parkstraße war wie leergefegt. Keine Passanten unterwegs. Nur hin und wieder kam ein Auto vorbei. Lediglich vor dem Café „Anno Dazumal“ hatte sich eine kleine Personengruppe zusammengefunden. Nachbarn. Und zwei Männer in Orange mit einem ebensolchen Pickup. Sie hatten Atemschutzmasken in der Hand. Offenbar Mitarbeiter der Stadtwerke, die wohl bereit waren, dem Übel auf den Grund zu gehen. Das mussten sie auch, denn der Café-Besitzer, Michael Kirchhof, hatte richtig Druck gemacht. Eigentlich war das kleine Lokal um diese Zeit immer gut frequentiert. Doch jetzt fanden sich weder drinnen noch draußen irgendwelche Gäste.
Die Maskenmänner verschwanden zwischen Hotel und Café. Begleitet von einem der Rompel-Brüder, die zuvor mit in der Gruppe gestanden hatten. Die beiden Unternehmer hatten vor einiger Zeit das Kurhotel „Wittgensteiner Hof“ gekauft. Seit Jahren war dieses einst renommierte Haus geschlossen. Und noch war nicht klar, ob das altehrwürdige Haus umgebaut oder durch einen Neubau ersetzt werden sollte. „Wir haben neulich noch jeden einzelnen Raum inspiziert, vom Keller bis zum Dachboden“, berichtete Kai Rompel. „Da ist nichts drin, was einen solchen Gestank provozieren könnte. Und in das Haus kommt auch nicht die kleinste Maus rein. Alles dicht.“
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