Die Dialogoffensive
Die Quattrex-Geschichte vereinfacht die Aufgabe nicht gerade, zumal es rund um den VfB neben Prechtl weitere kritische Fans gibt, die sich publizistisch betätigen. Der „Zeit“-Journalist Oliver Fritsch bezeichnete diese aufmerksame Blogger- und Podcasterszene einmal sehr treffend als „wache Gegenöffentlichkeit“. Diese versucht der Verein mit einer Art Gegenfeuer auszukontern, mit einer Transparenz- und Dialogoffensive mit Dietrich selbst, mit VfB-Vorständen und Aufsichtsräten. Geladene Gäste und Onlineteilnehmer stellen Fragen, Dietrich und Co. antworten.
Zum Beispiel das: „Ich habe meine Anteile an Herrn Schlauch und meinen Sohn übertragen und habe noch 14 Prozent.“ Gemeint sein dürfte die Quattrex-Sports AG, überprüfbar ist diese Angabe allerdings nicht. In der Tat hat sich Dietrich Senior aus der Operative und den Kontrollorganen der Firma Schritt für Schritt zurückgezogen. Allerdings gründen die Partner im Februar 2016 noch die Quattrex Finance GmbH mit den Geschäftsführern Wolfgang Dietrich und Tobias Schlauch. Zum 31. Juli 2016 legt Erstgenannter sein Amt bereits wieder nieder. „Die DFL hat bestätigt, dass keinerlei Interessenkonflikte aus Statutensicht bestehen“, teilt er also stolz den bohrenden Mitgliedern mit.
Das ist eine korrekte Wiedergabe Dietrichs, allerdings gehört zu dieser Betrachtungsweise auch, dass sowohl der Ligaverband als auch der DFB nach rein formalen Kriterien entscheiden, also danach, wer welche Stimmrechte hält an einem Verein respektive dessen ausgegliederter Kapitalgesellschaft. Wichtiger wäre aber die Frage, wer welchen Einfluss hat. Speziell eingedenk der Worte von Ex-Kickers-Präsident Kurz.
Trotz grünen Lichts der Liga sieht sich Dietrich in den Fragerunden immer wieder mit dem Wort Interessenkonflikt konfrontiert. Frage eines Mitglieds: „Herr Dietrich, können Sie ausschließen, dass es zu einem Interessenkonflikt kommt, wenn die von Ihnen gegründeten Unternehmen sich an diversen Klubs beteiligen, die sich teilweise in unmittelbarer Konkurrenz zum VfB befinden?“ Antwort des Kandidaten: „Also das kann ich erst mal ausschließen. Ich habe noch gar nicht verstanden, wie der Interessenkonflikt überhaupt entstehen soll. Im Übrigen wäre das nicht vereinbar mit meinen Vorstellungen von Geschäft und von Moral.“ Wie der Interessenkonflikt entstehen soll? Als Dietrich dies äußert, ist der Luxemburger Quattrex-Fonds mit den Zweitligisten 1. FC Union Berlin, 1. FC Kaiserslautern und 1. FC Heidenheim nachweislich bereits im Geschäft, und er bewirbt sich um das Amt des Präsidenten beim gerade in die 2. Liga abgestürzten VfB Stuttgart. Jeder Tabellenplatz in der Endabrechnung hat Auswirkungen auf die Höhe der Tranchen, die einem Klub aus den DFL-Medienerlösen zustehen, und damit auch auf die Vergütung für Quattrex.
Lennart Sauerwald ist als Blogger Teil der eben skizzierten Gegenöffentlichkeit – und er stellt in dem Zusammenhang eine spannende Frage: „Herr Dietrich hält Anteile an einer Firma, die finanziell vom Erfolg unter anderem Heidenheims und Union Berlins profitiert. Ist das korrekt?“ Antwort Dietrich: „Die Firma Quattrex, um die es hier geht und an der ich 14 Prozent halte, hat keine Beteiligungen. Die Firma Quattrex finanziert Vereine über Darlehen. Beteiligungen sind ausgeschlossen, das mal zur Klarstellung.“ In Sauerwalds Frage war von Beteiligungen jedoch nie die Rede. Dietrich fährt fort: „Das zweite: Meine Damen und Herren, mir geht es um eines, ich will den Erfolg dieses Vereins. Deswegen sitze ich hier, deswegen übernehme ich ein Ehrenamt für vier Jahre. () Mich interessiert nur eins: Ich will gewählt werden, ich will entlastet werden mit mehr Stimmen, als ich gewählt wurde, und ich will, dass der VfB in vier Jahren dort steht, wo er mal stand.“ Das ist also die vermeintliche Transparenzoffensive. PR- und Worthülsen, keine konkrete Beantwortung berechtigter Fragen.
Porth beruhigt die Bruddler
Als an jenem Abend zum mindestens dritten Mal das Thema Quattrex auftaucht, winkt Dietrich sichtlich entnervt ab: „Entschuldigung, jetzt reichts irgendwann. Ich bin ja wirklich zu allem bereit, aber das haben wir doch jetzt durchgekaut. Dass ich Interessenkonflikte nicht habe, habe ich doch jetzt fünfmal dargelegt.“
Stattdessen inszeniert er sich und seine Familie als Opfer irgendwelcher Papparazzi: „Es trifft mich, wenn ich mitbekomme, wie eine Familie da mitreingezogen wird. Mein Enkel spielt im Hof der Firma meines Sohnes und da kommen Fotografen und fotografieren das Gebäude und die Briefkästen. Wo sind wir denn? Es soll bloß keiner glauben, dass man mich mit solchen Geschichten weichklopfen kann. Da kennt man mich schlecht.“
Die Führungsriege des abgestürzten Traditionsvereins zeigt für Bedenken mancher Mitglieder kaum Verständnis. Aufsichtsrat Porth etwa skizziert, dass gerade Dietrichs Seilschaften der Auslöser dafür waren, dass die Wahl auf den Multi-Manager fiel: „Das Wichtige war ja: Wir müssen jemanden finden, der im Fußball vernetzt ist, der sich im Fußballgeschäft auskennt und der unternehmerisch erfolgreich ist.“ In Zeiten explodierender Medien- und Transfereinnahmen gleicht die Suche nach erfolgreichen Sportunternehmen wahrlich der nach dem heiligen Gral. „Der Wolfgang Dietrich hat von Anfang an klar signalisiert, dass er sich aus seinen operativen Aktivitäten zurückzieht. Er hat alle Voraussetzungen dafür erfüllt. Und die DFL hat dem am Ende ja auch zugestimmt. Von dem her sehe ich darin überhaupt keinen Hinderungsgrund mehr“, beruhigt Porth die Bruddler, wie es auf gut Schwäbisch heißt.
Wie sein künftiger Chef sieht natürlich auch Stefan Heim, gefragt nach den familiären Verwicklungen Dietrich Seniors, „diese Interessenkonflikte nicht“. Heim stieg bereits Mitte der 1990er-Jahre als kleines Licht in Bad Cannstatt ein und arbeitete sich nach oben, ehe er Ulrich Ruf zum 1. Juli 2015 als Finanzvorstand ablöste. Jenes Fleisch des Systems VfB wirbt nun also für Dietrich, der sich ja ohnehin aus den Quattrex-Geschäften habe zurückziehen wollen: „Seine Lebensplanung hat klar vorgesehen, dass er sich langsam aufs Altenteil zurückzieht. Und wir schätzen es sehr, dass er sich aus Herzblut für diesen Verein für dieses Amt zur Verfügung stellt.“ Ein Ehrenamt freilich, also unbezahlt – aber nun auch keines, das ausschließlich mit Unannehmlichkeiten verbunden ist.
Ein 4:0 als Wegbereiter
Selbst ein Wirtschaftsprofessor wie André Bühler weiß: „Man kann sportlichen Erfolg nicht planen.“ Schön wäre das schon. Die Rechnung, nach der Geld Tore schießt, geht bekanntlich nicht immer auf. Christian Heidel, langjähriger Erfolgsmanager bei Mainz 05 und später gescheitert auf Schalke, fasst es gerne trennschärfer zusammen: Geld schieße zwar keine Tore, aber es erhöhe die Wahrscheinlichkeit auf Tore dramatisch. Ganz anders verhält es sich beim Verhältnis von Siegen zur Explosionsgefahr bei Mitgliederversammlungen. Ende 2014 skizziert Bühler: „Wenn der VfB vor der Mitgliederversammlung dreimal in Folge gewinnt, werden die Verantwortlichen viel mehr Zustimmung bekommen, als wenn die Mannschaft dreimal verliert. So einfach ist Fußball.“
Benjamin Pavard sieht Carlos Mané. Debütant erblickt Debütant an diesem Oktoberabend. Gerade einmal 60 Sekunden sind gespielt zwischen dem VfB und Greuther Fürth. 2. Liga, Montagsspiel. Im Allgemeinen die Hassvorstellung der organisierten Fanszenen. Doch dieser französische Lockenkopf Pavard versteht es, mit seinem Zuckerpass die 38.000 Zuschauer in Bad Cannstatt zu begeistern, dass ihnen schwindlig wird. 1:0 Mané, 2:0 Mané, 3:0 Pavard nach 24 Minuten. Der ewige Gentner trifft noch zum 4:0. Damit ist der Weg bereitet für die Krönung von König Wolfgang I. nur sechs Tage später. Wäre da nicht wieder diese nervige Gegenöffentlichkeit
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