Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Passus mit Beginn des Verbots der Third-Party-Ownership durch die FIFA 2015 gestrichen wurde. Der Weltverband unterband die Drittparteienbeteiligung durch Investoren an Profis. Kritiker bezeichnen diese Praxis als modernen Menschenhandel. Umgehungstatbestände gibt es allerdings nach wie vor zuhauf.
Doch zurück zu Quattrex: In aller Regel sind die Deals auf zehn Jahre angelegt, schiefgehen kann das Geschäft für den Geldgeber eigentlich nur bei Insolvenz. Im Falle eines Aufstiegs prasselt ein Geldsegen darnieder über die Stuttgarter, weil die Medieneinnahmen explodieren. Der frühere Geschäftsführer eines Ostklubs, mit dem Quattrex in Kontakt stand, schildert deren Vertreter als sehr seriös und interessiert an Gesprächen mit Leuten aus dem sportlichen Bereich wie Trainer und Manager. „Sie machen eine sehr genaue due diligence“, sagt er. Prüfen also die Bücher höchst penibel.
Üblicherweise sollen die Zuschüsse in drei Tranchen an die Vereine gehen. Zwischen sechs und acht Prozent sollen die Zinssätze demnach betragen, on top kommt die TV-Geld-Beteiligung. Auch Klubs im Ausland stehen auf dem Zettel von Schlauch & Co., weil mit Quattrex-Geld die Qualifikation für UEFA-Wettbewerbe einfacher gelingen kann und Champions League und Europa League ebenfalls hohe Medieneinnahmen garantieren.
Wettbewerbsintegrität
Die Gretchenfrage lautet: Wie ist das mit Blick auf die Wettbewerbsintegrität zu betrachten? Nun, der vorliegende Kontrakt beinhaltet einen Passus zur Unabhängigkeit: „Dieser Vertrag lässt die volle Souveränität des Vereins unangetastet, insbesondere die volle Entscheidungshoheit über Entscheidungen sportlicher Natur. Die Parteien werden sich wechselseitig über vertragsrelevante Vorgänge informieren. Der Verein ist jedoch nicht verpflichtet, Entscheidungen von einer vorherigen Information der Gesellschaft abhängig zu machen.“ Das ist die Theorie. Wie war das gleich in der Praxis bei Ex-Kickers-Boss Kurz? „Er hat uns Michael Zeyer als Sportdirektor aufs Auge gedrückt.“
Ab welcher Anzahl von Klubs in einer Liga sind Interessenkollisionen zu befürchten? Ja, wie viele Vereine in Deutschland haben sich überhaupt mit dem Geldgeber aus dem Ländle eingelassen? Gerüchteweise ist von bis zu einem Dutzend Klubs in den drei höchsten Fußballligen der Republik die Rede. „Citywire“ dagegen berichtet 2016 von lediglich sieben Vereinen, darunter auch Bundesligisten. 10Anlass für den Artikel des Branchenportals ist ein Ausbau des Geschäftsmodells in einen Luxemburger Fonds, um bei privaten wie institutionellen Anlegern Geld einzusammeln, es in den Fußball zu stecken und mit fetten Renditen wieder herauszuziehen. Minimaleinlage: 200.000 Euro. Demnach habe Quattrex bislang 35 Millionen Euro ausgezahlt und wolle nun weitere 25 bis 50 Millionen Euro akquirieren. Im besten Falle also wäre der Dienstleister in der Lage, bis zu 85 Millionen Euro in den Fußball gesteckt zu haben.
Manager Schlauch schildert 2016: „Wir bedienen den Bedarf von Vereinen vorwiegend aus den ersten drei deutschen Ligen, die Geld für Investitionen in den sportlichen Bereich benötigen, aber von Banken oft nur Kredite für konkrete Infrastrukturmaßnahmen wie etwa ein neues Stadion oder ein Trainingszentrum bekommen. Das Geld benutzen die Vereine, wie sie wollen. Letzte Saison war das etwa ein Zweitliga-Klub, der seinen Trainerstab, sein Scouting-Team und die Jugendarbeit ausbauen wollte.“ Vielleicht der 1. FC Union? Oder doch der 1. FC Nürnberg? Die Mittelfranken scheitern in der Relegation 2016 denkbar knapp an Eintracht Frankfurt, die Hessen bleiben in der Beletage. Für den Abstiegsfall soll es bereits lose Kontakte in die Silberburgstraße gegeben haben.
Vor dem Landgericht
Saftig liegt das Grün da in Bad Liebenzell. Der Haugstetter Bach am östlichen Ende der fein gepflegten Rasenfläche des Golfclubs komplettiert die Idylle an den nordöstlichen Ausläufern des Schwarzwalds. Dort lernt Rüdiger Grube Wolfgang Dietrich kennen. Der Bahnchef bewundert das ausgleichende Element des Golfclub-Präsidenten, zugleich dessen Zielorientierung. Deshalb macht Grube Dietrich 2010 zum S-21-Sprecher.
Wie ausgleichend Dietrich agieren kann, zeigt sich schon vor der Präsidentenwahl beim VfB. Besonders zu spüren bekommt dies die „Stuttgarter Zeitung“, die sich in dem Artikel „Der König eines Firmen-Dschungels“ etwa einen Monat vor der entscheidenden MV am 9. Oktober 2016 kritisch mit dem Geflecht rund um den vom Aufsichtsrat Auserkorenen auseinandersetzt. Die CAW Dietrich GmbH stellt daraufhin einen Antrag auf Unterlassung beim Landgericht Hamburg, das nicht gerade als medienfreundlich gilt. Drei Formulierungen verbieten die Richter fortan dem Medium. „Die Antragstellerin hatte glaubhaft gemacht, dass D. nicht an ihr beteiligt sei. Ebenso war glaubhaft gemacht worden, dass der geäußerte Verdacht, die VMM Consulting GmbH sei die Dachorganisation der Antragstellerin, nicht auf einer ausreichenden Recherche nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung beruhte“, teilt das zuständige Oberlandesgericht Hamburg mit. Mit D. dürfte Wolfgang Dietrich gemeint sein. Und CAW steht mutmaßlich für Christoph Albert Wilhelm Dietrich, bekannt auch als Quattrex-Aufsichtsrat. Die Firma von Dietrich Junior sitzt ebenfalls in der Silberburgstraße 187.
Geradezu genüsslich schlachten die Strippenzieher hinter der Dietrich-Kandidatur diesen vermeintlichen juristischen Erfolg aus. Und spannen dafür gerne auch den Boulevard ein, der mit der Schlagzeile „Dietrich-Sohn gewinnt vor Gericht“ trommelt. Auf einer Facebook-Seite, die Dietrichs Kandidatur unterstützt, ist gar die Rede von „der einstmals so renommierten Stuttgarter Zeitung“, der per Gerichtsbeschluss attestiert worden sei, „dass sie es im Umgang mit unserem Präsidentschaftskandidaten mit der Wahrheit nicht so genau nimmt“. Vergnügt reiben sich die Spin-Doktoren die Hände, längst ist die Propagandaschlacht entbrannt.
Doch was ist Wahrheit, was Dichtung? Als die gerichtliche Verfügung offenbar an andere Medien durchgestochen wird, liegt sie der „Stuttgarter Zeitung“ noch nicht einmal vor, faktisch also ist sie damit noch gar nicht wirksam. Zudem wollte die CAW DietrichGmbH weitere Formulierungen verbieten lassen – all dies schmetterte das Landgericht ab. Was selbstredend in der Berichterstattung über den Dietrich-Sieg außen vor blieb. Willkommen in der Welt der Halbwahrheiten.
Kommunikative Aufrüstung
Der VfB verstärkt sich in diesen Monaten kommunikativ. Schlittenhardt ist nicht der Einzige, den Schraft ins Boot holt. Auch Roland Eitel, der ehemalige VfB-Pressesprecher, ist eingebunden. Kurios: Beide haben sich bereits vor Jahren kennengelernt im Zuge eines Müller-Milch-Werbevideos mit Jürgen Klinsmann, an dem Schlittenhardt beteiligt war. Eitel ist mit Klinsmann eng befreundet, berät die Stuttgarter Stürmerikone medial. Nach den Dreharbeiten verlieren sich die PR-Männer aus den Augen, Mitte der 2010er laufen sie sich eher zufällig über den Weg, doch von einem engen Draht ist nicht auszugehen. Dennoch empfiehlt Eitel Dietrich, für seine Social-Media-Strategie Schlittenhardt zu kontaktieren – ohne zu wissen, dass der bereits über Wahler und Schraft im Geschäft ist.
„Roland Eitel hat damals den Kontakt hergestellt zwischen Wolfgang Dietrich und mir“, sagt Schlittenhardt im VFBSTR-Podcast. „Ich habe erstmals mit Wolfgang Dietrich über das Thema VfB gesprochen, da hatte ich beim VfB mit noch niemand über Wolfgang Dietrich gesprochen. (...) Ich habe dann also ein zweites oder drittes Mandat bekommen beim VfB.“ In den Augen des Netzwerkers war gerade die Profilschärfung für den Präsidentschaftskandidaten unabdingbar, denn: „Uns war klar, dass das schwierig werden würde.“ Denn nach S21 „stand er nicht wirklich populär da“.
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