Einmal mehr ist es Prechtl, der eine flammende Rede in die Hanns-Martin-Schleyer-Halle donnert. Die Ausführungen des PR-Spezialisten, verpackt in unangenehme Fragen speziell an Kandidat Dietrich, die Aufsichtsräte Porth, Schäfer und Hartmut Jenner, seines Zeichens Kärcher-Vorstandsboss, lesen sich wie eine Anklageschrift. „Wodurch sehen Sie sich legitimiert, weiter im Amt zu bleiben? Durch die 71,8 Prozent Nichtentlastung auf der letztjährigen Mitgliederversammlung?“, fragt Prechtl die Kontrolleure. Nur die Auftaktsalve einer Generalabrechnung.
Die Halle tobt, als Prechtl sein Manuskript einsteckt und zurück an seinen Platz marschiert. Ob Dietrich in dieser Atmosphäre eine Mehrheit zustande bekommen hätte? Das Präsidentenlager wirkt betroffen, auf dem Rückweg vom Rednerpult zischt Prechtl das ein oder andere „Arschloch“ entgegen. Als nach Prechtl der Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück das Mikrofon ergreift, weiß manches Mitglied gar nicht, wie ihm geschieht. Hück legt einen wirren Auftritt hin, referiert über seine Verdienste für den Sportwagenbauer. VfB-Themen? Sind in der skurrilen Rede lange gar nicht vorhanden. Erst zum Schluss hin deutet Hück ein Engagement im Stuttgarter Nachwuchs an und spricht eine von Pfiffen begleitete Empfehlung pro Dietrich aus. Tags darauf entschuldigt er die bizarre Show mit den Worten: „Ich bin zwischen zwei Veranstaltungen hin und her gependelt. Zeitgleich fand bei Porsche ein Spendenlauf statt. Mein Herz war in dem Moment beim VfB, mein Kopf auf der Laufstrecke – das war der Fehler.“
Volkstribun und Drecksack
Ganz und gar nicht kopflos dagegen agiert an diesem Sonntagnachmittag Jan Schindelmeiser. Den Sportvorstand haben die Räte im Sommer als Dutt-Nachfolger geholt. Dumm nur: Bereits zuvor wurde mit Jos Luhukay offenbar in einem Anflug von Vollpanik ein neuer Trainer installiert. Das wäre in etwa so, als wolle man ein Haus bauen und finge nicht mit dem Fundament an, sondern dem Dach. Schon nach vier Partien tritt der Niederländer zurück. Luhukay will erfahrene Kräfte für den Wiederaufstieg, Schindelmeiser Talente mit Entwicklungspotenzial. Das endet im GAU. Nach dem 1:2 gegen den Quattrex-Klub Heidenheim ist Luhukay schon wieder Geschichte, Schindelmeiser verpflichtet mit dem Dortmunder Nachwuchscoach Hannes Wolf ein frisches Gesicht. Mit einem 1:1 beim VfL Bochum und dem Kantersieg gegen Fürth gelingt der Einstand. Doch nun geht es nicht um Trainer-Casting, sondern um Rhetorik. Darum, in der hitzigen Atmosphäre der Schleyer-Halle den Boden zu bereiten für einen Präsidenten, der die Ausgliederung angeht.
Plötzlich ist es still. Schindelmeiser steht am Rednerpult. Ganz locker. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, der obere Knopf offen. Die rechte Hand am Pult, die Linke in die Hüfte gestützt. Schaut taxierend ins Publikum – und schweigt erst mal zehn Sekunden lang. Dann fragt er: „Ernsthaft?“ Er fängt die Leute ein wie ein Volkstribun. Wir wollen doch über Fußball reden, nicht über Satzungen und Paragrafen, Finanzinvestoren und Entlastung. Mit dieser Devise kriegt der ehemalige Hoffenheimer Geschäftsführer Sport die Halle in den Griff. „Der VfB muss wieder ein Magnet für die besten Talente werden“, fordert Schindelmeiser. „Sie können heute die Weichen stellen. Lassen Sie uns gemeinsam die Voraussetzungen dafür schaffen, um wieder oben anzugreifen.“ Mit dem Appell, „gemeinsam kriegen wir das hin“, beschließt der studierte Betriebswirt seine Rede. Die Stimmung hat sich gedreht. Gegen 17.30 Uhr kürt die Mitgliederversammlung Wolfgang Dietrich zum Präsidenten des VfB Stuttgart. Mit einem Votum von 57,2 Prozent, wie gehabt ohne Gegenkandidaten. Etwas schlechter als Mäuser, dem 2011 58,7 Prozent ihre Stimme schenkten, schneidet der Mann ab, der direkt im Anschluss schwört: „Ich verspreche, Präsident auch derjenigen zu sein, die mich heute einen Spalter nennen.“
Wie das aussieht, bekommen diejenigen direkt zu spüren. Chefkritiker Prechtl gibt sich nach der Wahl versöhnlich, reicht nach eigener Darstellung Dietrich die Hand, um zu gratulieren. Doch der Präsident aller habe entgegnet, so schreibt Prechtl in seinem Blog: „Von einem Drecksack wie Ihnen nehme ich das nicht an.“ 11
Hat er das wirklich gesagt? Unmittelbar nach dieser denkbar knappen Wahl? Prechtls Behauptung ist bis heute unwidersprochen. Ehrenpräsident Staudt, der in der Nähe saß, will nicht gehört haben, was da so gesprochen wurde zwischen Dietrich und Prechtl, der keinen Anlass sieht, vom Geschriebenen abzurücken. Der Verein lässt damals über einen Sprecher mitteilen: „Wolfgang Dietrich wird der Präsident aller VfBler sein, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“ Bliebe doch noch etwas zu sagen: Die erste Partie nach Dietrichs Inthronisierung verliert die junge Truppe, und zwar mit Pauken und Trompeten, 0:5 gegen Dynamo Dresden. Man stelle sich vor, die MV hätte danach stattgefunden.
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