79Die Tötung und die andere Straftat müssen zueinander nicht im Verhältnis der Tatmehrheit stehen, vielmehr können beide Taten ineinander übergehen. Demnach ist das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht auch dann erfüllt, wenn sich der Täter in dem Moment, in dem er auf das Opfer einschlägt, dazu entschließt, dieses zu töten, um nicht wegen Körperverletzung bestraft zu werden.[167] Ferner ist auch eine Tatbegehung durch Unterlassenmöglich, die sich typischerweise dadurch kennzeichnet, dass der Täter das Tatopfer bereits durch die zu verdeckende Straftat lebensbedrohlich (aber ohne Tötungsvorsatz) verletzt hat und sich nunmehr dazu entscheidet, keine ärztliche oder sonstige Hilfe herbeizurufen, um die Aufdeckung der ersten Tat zu verhindern.[168]
80Auch im Zusammenhang mit der Verdeckungsabsicht begegnet das Erfordernis der restriktiven Auslegungdes Mordtatbestandes in besonderer Schärfe. So erschiene die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe insbesondere dann unangemessen, wenn das Tatopfer selbst Verantwortung für die zu verdeckende Vortat trägt, die Tötung eine Panikreaktion auf eine vorherige Fahrlässigkeitstat darstellt, oder das Tatopfer den Täter aufgrund der zu verdeckenden Vortat massiv erpresst hat.[169] Sachgerechte Ergebnisse dürften in diesem Zusammenhang insbesondere dadurch zu erzielen sein, dass eine Mordstrafbarkeit trotz festgestellter Verdeckungsmotive verneint wird, wenn im konkreten Fall ausnahmsweise nicht die Voraussetzungen eines niedrigen Beweggrundes erfüllt sind.[170]
81 (3) Leitentscheidungen: BGHSt 41, 8, 9f.; Verdeckungsabsicht:Nachdem zwei Jugendliche gegenüber einem Bekannten wahrheitswidrig vorgegeben haben, diesem 5 kg Haschisch zu liefern, leistet der Bekannte eine Vorauszahlung von 5.000 € und fordert die Jugendlichen wiederholt dazu auf, das Rauschgift zu übergeben. Zwar gehen die Jugendlichen davon aus, dass der Bekannte sie nicht anzeigen wird, um sich nicht selbst einem Ermittlungsverfahren auszusetzen, sie befürchten aber, dass er sich an ihnen rächen könnte. Die Jugendlichen beschließen daher, den Bekannten zu töten, um diesem die 5.000 € nicht zurückzahlen zu müssen. Nachdem sie den Bekannten unter dem Vorwand, ihm das Haschisch übergeben zu wollen, an einen abseits gelegenen Ort gelockt haben, erschießen die Jugendlichen den arglosen Bekannten. – Durch die Ausnutzung |39|der Arg- und Wehrlosigkeit des Bekannten haben die Jugendlichen die Tötung heimtückisch begangen. Darüber hinaus bejahte der BGH das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht. Ein Handeln zum Zweck der Verdeckung einer Straftat setze nicht voraus, dass es dem Täter darum geht, sein vorangegangenes strafbares Tun gegenüber Strafverfolgungsbehörden zu verdecken. Da der Mord kein gegen Belange der Rechtspflege gerichtetes Delikt sei, könne die für die Verdeckungsmodalität erforderliche Verknüpfung von Unrecht mit weiterem Unrecht auch dann vorliegen, wenn der Täter einen anderen zur Vermeidung einer außerstrafrechtlichen Folge seiner Tat tötet. Da es den Jugendlichen darum ging, sich die aus einer vorangegangenen Straftat erlangte Beute zu erhalten, hätten sie in Verdeckungsabsicht gehandelt.
82 BGH NStZ 2011, 34; Verdeckungsabsicht:Zwei Freunde verbringen einen stark alkoholisierten Mann in einen Wald, wo sie ihm unter Anwendung von Gewalt sein gesamtes Bargeld abnehmen. Nachdem sich die Freunde vergewissert haben, dass der Mann sie nicht erkannt und das Kennzeichen ihres Fahrzeugs nicht gesehen hat, lassen sie ihn im Wald zurück. Hierbei sind die Freunde davon überzeugt, dass es dem Mann gelingen wird, das Waldstück aus eigener Kraft zu verlassen. Tatsächlich fällt dieser jedoch in einen Graben, wo er am nächsten Morgen gefunden und gerettet wird. Zur gleichen Zeit gelangen die Freunde zu der Einschätzung, dass der Mann doch schwerwiegend verletzt sein könnte und überlegen, nochmals in den Wald zu fahren, um nach ihm zu sehen. Sie entscheiden sich jedoch dagegen, da sie davon überzeugt sind, dass ohnehin niemand von dem Überfall erfahren wird. Beide halten es für möglich, dass der Mann noch am Leben ist, aber infolge seiner Verletzungen versterben könnte; dies nehmen sie billigend in Kauf. – Dadurch, dass sich die Freunde an dem Morgen dazu entschieden haben, nicht nach dem Mann zu sehen, obgleich sie dessen Tod nunmehr für möglich hielten und billigend in Kauf nahmen, haben sie sich wegen versuchten Totschlags in Mittäterschaft durch Unterlassen strafbar gemacht. Nicht erfüllt ist jedoch das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht. Zwar kann diese grundsätzlich auch dann vorliegen, wenn der Täter hinsichtlich des Todeseintritts nur mit bedingtem Vorsatz handelt, Voraussetzung ist aber stets, dass die Verdeckungshandlung selbst das Mittel der Verdeckung sein soll. Vorliegend gingen die Freunde aber davon auf, dass die von ihnen begangene Raubtat unabhängig davon, ob der Mann ums Leben kommt oder nicht, nicht entdeckt werden würde. Es fehlt damit an der erforderlichen (vorgestellten) Kausalität der verdeckenden Handlung für die Nichtaufdeckung der Raubtat.
c) Beteiligung
aa) Mittäterschaft
83Im Bereich der Mittäterschaft gelten im Ausgangspunkt keinerlei Besonderheiten. Liegen die Voraussetzungen von § 25 Abs. 2 StGB vor, setzt diese insbesondere nicht die eigenhändige Begehung durch jeden Beteiligten voraus, solange |40|nur ein die Tatherrschaft begründender wesentlicher Tatbeitrag vorliegt, der auch schon im Vorbereitungsstadiumgeleistet werden kann.[171] Mittäterschaft kann bei § 211 StGB ferner auch in der Form begegnen, dass auf Seiten der Mittäter unterschiedliche Mordmotive erfüllt sind.[172]
84Liegen hinsichtlich der zum Tode führenden Handlung die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 StGB vor, verwirklicht aber nur einer der Täter ein Mordmerkmal, ist es auf Grundlage der herrschenden Literaturansicht, die § 211 StGB als Qualifikation zu § 212 StGB betrachtet, ohne Weiteres möglich, den einen Tatbeteiligten wegen mittäterschaftlichen Totschlags und den anderen wegen mittäterschaftlichen Mordes zu bestrafen. Geht man mit dem BGH davon aus, dass es sich um selbständige Tatbestände handelt, ist dieser Weg demgegenüber nur gangbar, wenn man annimmt, § 25 Abs. 2 StGB setze nicht notwendig die Verletzung des gleichen Strafgesetzes voraus. Dies bejahte der 1. Strafsenat in einem Fall, in denen die Täter das Tatopfer gemeinschaftlich erschlugen, aber nur einer von ihnen aus Habgier handelte, während der andere kein Mordmerkmal erfüllte. Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei der »Verletzung unterschiedlicher Strafnormen […] um die gleiche Straftat [i.S.v. § 25 Abs. 2 StGB] handeln [könne], wenn von jenem die eine vollständig in der anderen enthalten ist, die Täter insoweit also (auch) gemeinsam einen identischen Straftatbestand verletzen. Wird der von beiden Beteiligten erfüllte Tatbestand bei einem Täter, dem zusätzliche Merkmale zuzurechnen sind, durch einen weitergehenden Tatbestand verdrängt, so [bedeute] das nicht, daß auch bezüglich des gemeinsam erfüllten Delikts verschiedene ›Straftaten‹ begangen worden [seien] – es [handle] sich vielmehr um einen Fall von Gesetzeskonkurrenz. Die in beiden Tatbeständen gleichermaßen enthaltene einheitliche Straftat [könne] demnach in Mittäterschaft begangen werden.«[173] Somit gelangen Literatur und Rechtsprechung in den einschlägigen Fallkonstellationen zu identischen Ergebnissen, jedoch fügt sich allein der dogmatische Ansatz der Literatur problemlos in den Wortlaut des § 25 Abs. 2 StGB ein, während die Rechtsprechung eines Kunstgriffs bedarf, nach dem eine einheitliche Straftat im Sinne der Vorschrift trotz Verwirklichung mehrerer Delikte sui generis auch dann vorliegen soll, wenn der eine Tatbestand vollständig in dem anderen enthalten ist.
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