Gleichwohl hinterließ er mit der Schrift „Dictatus Papae“ von 1075 ein eindrückliches Dokument für das päpstliche Selbstbewusstsein der Zeit. Der Lehr- und Jurisdiktionsprimat des römischen BischofsBischof wurden darin bereits vorformuliert und die Vorrangstellung der römischen Kirche deutlich unterstrichen.
Erst unter Papst Calixt II.$Calixt II., Pontifikat 1119–1124, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1119–1124) erfolgte 1122 die Beilegung des Investiturstreits mit der Unterzeichnung des Wormser Konkordats . Darin wurde festgelegt, dass die Bischöfe durch das Domkapitel in Anwesenheit kaiserlicher Beauftragter gewählt werden. Der Kaiser verzichtete auf die grundsätzliche Investitur und war verpflichtet, die Wahl zu akzeptieren. Ihm blieb es überlassen, den Gewählten mit der Verwaltung kaiserlicher Hoheitsrechte zu beauftragen.
Das IV. LaterankonzilKonzil / KonziliarismusIV. LaterankonzilDas IV. LaterankonzilKonzil / KonziliarismusIV. Laterankonzil von 1215 war das bedeutendste und folgenreichste KonzilKonzil / Konziliarismus des Mittelalters, da es wesentliche Glaubenselemente verbindlich verkündete. Beichte und Kommunion wurden vorgeschrieben, die Trinitätslehre TrinitätTrinitätslehre bestätigt und die Transsubstantiationslehre zum adäquaten Verständnismodell der EucharistieEucharistie erklärt. Die Lehre von der realen Wandlung von Brot und Wein dauerhaft in Blut und Leib Christi wurde manifestiert.
Darüber hinaus erließ Papst Innozenz III.$Innozenz III., Pontifikat 1198 bis 1216, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1198 bis 1216) eine Fülle weiterer Canones, die das Leben der Kirche in Bezug auf die Kleriker und Laien prägten.
Thomas von Aquin$Thomas von Aquin, 1225–1274, Theologe, Dominikanermönch
Der Dominikaner Thomas von Aquin$Thomas von Aquin, 1225–1274, Theologe, Dominikanermönch (1225–1274) war einer der bedeutendsten Lehrer der katholischen Kirche und einer der wichtigsten Theologen des Mittelalters. In Anknüpfung an den griechischen Philosophen Aristoteles$Aristoteles, 384 v. Chr.-322 v. Chr., Philosoph, Wissenschaftsbegründer beschäftigte er sich mit dem Verhältnis von Glaube und Vernunft bzw. Theologie und PhilosophiePhilosophie. In seinen beiden Hauptwerken „Summa theologiae“ und „Summa contra gentiles“ unterschied er beide Disziplinen und grenzte sie klar voneinander ab, verband sie aber in einem gemeinsamen System. Während die Theologie das Verhältnis zu Gott thematisiert, untersucht die Philosophie nach Thomas, wie sich Dinge zu sich und in sich verhalten. Die Theologie erklärt die Welt von Gott, also ihrer ersten Ursache her. Die Philosophie befasst sich mit Ursache und Wirkung der Dinge. Der Erkenntnisweg der Theologie führt vom Schöpfer zur Schöpfung, der der Philosophie von der Schöpfung zum Schöpfer.
Die Frage nach dem Sein
Die Frage nach dem Sein führte Thomas zu der Frage nach dem höchsten Sein, das für ihn Gott war. Die Vernunft bestätigt in der Vorstellung von Thomas von Aquin$Thomas von Aquin, 1225–1274, Theologe, Dominikanermönch die OffenbarungOffenbarung Gottes, die wiederum die Vernunft in ihrem Erkenntnisdrang unterstützt. Ausgehend von der Betrachtung der NaturNatur kam er zu dem Schluss, dass Gott das absolute Sein selbst darstellt, das höchste Wesen, die erste Ursache, der erste Beweger der Welt.
Über die Systematisierung von Theologie und PhilosophiePhilosophie hinausgehend erarbeitete Thomas Überlegungen zur göttlichen GnadeGnade und ihrer Wirkung. Die Gnade Gottes führt die natürliche Erkenntnis über die menschlichen Möglichkeiten hinaus. Sie bewirkt, dass der Mensch eine Wirklichkeit über der natürlichen erkennt. Damit begründete Thomas den Unterschied zwischen NaturNatur und Gnade. Die Gnade rüstet den Menschen mit einem übernatürlichen Habitus aus, die Gnade „erhöht“ die geschöpfliche Natur des Menschen. Gott kommt dabei dem menschlichen Willen zur Erkenntnis unterstützend entgegen. In den SakramentenSakrament erlangt der Mensch ZugangZugang zur Gnade.
Die babylonische Gefangenschaft der KircheBabylonische Gefangenschaft der Kirche (1309–1376)Der Jurist Benedetto Caetani veranlasste 1294 Papst Coelestin$Coelestin V., Pontifikat Juli-Dezember 1294, römisch-katholischer Papst V. (Pontifikat: Juli-Dezember 1294) zum Rücktritt und konnte dadurch dessen Nachfolge antreten. Als Papst Bonifatius VIII.$Bonifatius VIII., Pontifikat 1294–1303, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1294–1303) beanspruchte er die volle Verfügungsgewalt über alle kirchlichen ÄmterAmt und geriet darüber in Konflikt mit dem französischen König Philipp IV., dem Schönen$Philipp I. von Hessen, (der Großmütige), 1504–1567, Landgraf von Hessen (1268–1314; König 1285–1314), der den französischen Klerikern verbot, Gelder aus Frankreich nach Rom abzuführen. 1302 erließ Bonifatius mit „ Unam Sanctam“ die wohl berühmteste päpstliche Bulle , d.h. ,Urkunde‘, des Mittelalters. Der Text beginnt mit der Feststellung:
Eine heilige katholische und ebenso apostolische Kirche zu glauben und festzuhalten, werden wir auf Drängen des Glaubens gezwungen, und diese glauben wir fest und bekennen wir aufrichtig, außerhalb derer weder Heil noch Vergebung der Sünden ist. (DH 870)
Dieser Kirche gebühre der Vorrang vor allen anderen Machtansprüchen. Das geistliche Schwert stehe über dem weltlichen und dieses habe sich der Kirche nicht nur zu beugen, sondern ihr auch zu dienen:
Beide also sind in der Gewalt der Kirche, nämlich das geistliche Schwert und das materielle. Jedoch ist dieses für die Kirche, jenes aber von der Kirche zu handhaben. (DH 873)
Außerdem stehe der geistlichen Macht zu, über die weltliche zu richten:
Wenn also die irdische Gewalt abirrt, dann wird sie von der geistlichen Gewalt gerichtet werden; wenn aber eine niedrigere geistliche abirrt, dann von ihrer höheren; wenn aber die höchste, dann wird sie allein von Gott, nicht vom Menschen gerichtet werden können. (DH 873)
Konzentriert formuliert die Bulle diesen Machtanspruch in dem Satz:
Wir erklären, sagen und definieren nun aber, daß es für jedes menschliche Geschöpf unbedingt notwendig zum Heil ist, dem Römischen BischofBischof unterworfen zu sein. (DH 875)
Damit hatte das PapsttumPapsttum zumindest ideell den Zenit seiner Macht erreicht. Faktisch konnte Bonifatius$Bonifatius VIII., Pontifikat 1294–1303, römisch-katholischer Papst den französischen König mit der Bulle allerdings nicht in die Schranken weisen. Vielmehr demütigte Philipp IV.$Philipp IV., (der Schöne), 1268–1314, König von Frankreich, als Philipp I. König von Navarra den Papst 1303, indem er ihn in der päpstlichen Sommerresidenz in Anagni festnehmen ließ. Wenige Wochen danach starb Bonifatius.
1309 verlegte Papst Clemens V. (Pontifikat: 1305–1314)$Clemens V., Pontifikat 1305–1314, römisch-katholischer Papst, der ehemalige ErzbischofBischofErzbischof von Bordeaux, unter Einfluss der französischen Krone den Sitz der päpstlichen Kurie nach Avignon. In den folgenden Jahrzehnten wurde das PapsttumPapsttum zum Spielball der französischen Könige. Die babylonische Gefangenschaft der Kirche Babylonische Gefangenschaft der Kirche, so die nachträgliche Bezeichnung in Anlehnung an das Exil Israels in Babylonien, endete erst 1377 mit der Rückverlegung der päpstlichen Residenz nach Rom durch Gregor XI. (Pontifikat: 1370–1378)$Gregor XI., Pontifikat 1370–1378, römisch-katholischer Papst.
Das Abendländische SchismaSchismaAbendländischesAbendländisches SchismaDie Epoche der babylonischen Gefangenschaft der Kirch e hatte dem von Frankreich abhängigen PapsttumPapsttum schweren Schaden zugefügt. Die weiteren Papstwahlen waren vor diesem Hintergrund problematisch, geprägt von Interessenkonflikten und Machtkämpfen. Das Ergebnis wurde von der jeweils unterlegenen Seite meist angezweifelt. Papst Urban VI.$Urban VI., Pontifikat 1378–1389, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1378–1389), der die Macht der französischen Kardinäle im Kardinalskollegium zu brechen versuchte, sah sich 1378 mit einem von eben den französischen Kardinälen erhobenen Gegenpapst konfrontiert. Damit war ein SchismaSchisma vollzogen. Der Gegenpapst residierte in Avignon, Urban VI. in Rom. Beide Päpste fanden Nachfolger im AmtAmt, sodass das Schisma aufrecht erhalten blieb, die Kirche zwei Päpste hatte und das westliche Christentum in zwei Lager geteilt wurde. Auf einem KonzilKonzil / Konziliarismus 1409 in Pisa versuchten die Konzilsteilnehmer das Problem zu lösen, indem sie die beiden zu der Zeit amtierenden Päpste für abgesetzt erklärten und einen neuen Papst wählten. Die anderen Päpste akzeptierten dieses Vorgehen und ihre Absetzung nicht, was dazu führte, dass nun drei Päpste den Stuhl Petri für sich beanspruchten. Das Vertrauen in das Papsttum war zerrüttet und die Zeit gekommen, dass eine andere Institution an die Spitze der Kirche trat.
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