Zum Aufstieg des römischen Bischofes zum Papst – der Titel begann sich gegen Ende des 4. Jahrhunderts einzubürgern – trug wesentlich der Fall des Imperium Romanum im 5. Jahrhundert bei. Der römische BischofBischof als PapstDie römische Kirche stieß in das Vakuum, das der Staat hinterlassen hatte, indem sie sich sozial engagierte, und eine Form der Rechtsnachfolge, die Translatio Imperii , antrat. In dieser Zeit war BischofBischof Leo I.$Leo I., Pontifikat 440–461, römischer Bischof, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 440–461) der wichtigste Papst. Er griff den Titel des Pontifex maximus auf, der bereits von den römischen Kaisern benutzt wurde, und bekräftigte die Leitlinien der bischöflichen Politik, wie sie schon Damasus$Damasus, Pontifikat 366–384, römischer Bischof entwickelt hatte. Nach seiner Deutung war das KonzilKonzil / Konziliarismus von Chalcedon rechtgläubig, weil er es bestätigt hatte.
Augustin
Theologisch stand der Westen lange Zeit im Schatten der östlichen Kirche, von der er die wesentlichen Impulse für die ersten dogmatischen Festlegungen, z.B. der Trinitätslehre TrinitätTrinitätslehre, empfing. Neben Ambrosius von Mailand$Ambrosius von Mailand, 339–397, Bischof, Kirchenvater (339–397) und Hieronymus$Hieronymus (Sophronius Eusebius), 347–420, Theologe, Kirchenvater (347–420) war BischofBischof Augustin von Hippo$Augustin von Hippo, 354–430, Bischof, Kirchenvater (354–430) der herausragende Theologe, der im Westen ein eigenständiges Konzept der Theologie entwarf und dabei der westlichen Kirche wesentliche Impulse gab. Als gebildeter Philosoph und Rhetor gelang es ihm, die frühe christliche Überlieferung mit der griechischen PhilosophiePhilosophie zu verbinden. Er nahm entscheidende Weichenstellungen hinsichtlich verschiedener theologischer Themen vor. Gegenüber den sogenannten donatistischen Positionen, die die Gültigkeit der SakramenteSakrament mit der Würde des Sakramentspenders verknüpften, argumentierte er, dass das Sakrament durch seinen Vollzug in der wahren Kirche gültig sei. Christus selbst handle im Sakrament, nicht der menschliche Spender. Die Wirkung der TaufeTaufe werde nicht durch den Taufenden bestimmt, sondern dadurch, dass sie in rechter Weise im Namen der Dreieinigkeit und auf sie hinausgeführt werde. In der späteren mittelalterlichen Scholastik wurde das als Wirksamkeit des Sakraments ex opere operato bezeichnet, da die Handlung selbst das Wesentliche sei.
Weiterhin behandelte Augustin das Verhältnis von Kirche und Staat, das im Westen eines der beherrschenden Themen der Kirchengeschichte werden sollte. In seiner Schrift „De civitate Dei“ („Vom Gottesstaat“), die er zwischen 413 und 426 verfasste, entwickelte er die Vorstellung eines Gottesstaates , der zum irdischen Staat in einem dauerhaften Gegensatz steht. Er sah in der Kirche das Reich Gottes, gegenüber dem der Staat die Aufgabe des Schutzes habe. Der Staat bewahrt nach Augustin die Kirche in Frieden und Freiheit und darf aufgrund seiner Funktion für sie nicht absolut gesetzt werden. Zwar ist er als Folge des menschlichen Sündenfalls und da er dem Chaos und Unrecht wehrt nötig, doch kommt ihm in göttlicher Hinsicht keine Qualität zu. Ebenso wie der Staat nicht absolut gesetzt werden kann, darf es auch die irdische Kirche nicht. Sie ist nicht das Reich Gottes. Innerhalb der Kirche ist keine perfekte Gesellschaft anzutreffen, sondern es muss zwischen Wölfen und Schafen unterschieden werden. Nur Gott allein kennt die Gläubigen der wahren Kirche. Die irdische Kirche aber ist ein Mischgebilde zwischen Gläubigen und Sündern. Mit diesem Thema griff Augustin die Frage auf, was Kirche in dieser Welt sein kann und wo ihre Grenzen liegen.
Papst Gelasius$Gelasius, Pontifikat 492–496, römischer Bischof, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 492–496) setzte die Erkenntnisse Augustins in die Praxis um. Er verlangte, dass sich die Geistlichen in irdischen Dingen zwar dem Kaiser verpflichteten, dass es aber umgekehrt die Pflicht des Kaisers sei, sich in kirchlichen Angelegenheiten dem Papst zu beugen.
Erbsünde und GnadeGnadeDurch die Konfrontation mit dem britischen Mönch Pelagius$Pelagius, um 350/360-um 419, Prediger, Theologe, Laienmönch (um 350/360-um 419) [→ Anglikanische Gemeinschaft] erwuchs Augustin ein weiteres großes Thema.
Pelagius$Pelagius, um 350/360-um 419, Prediger, Theologe, Laienmönch war von dem moralisch zweifelhaften Lebensstil der römischen Bischöfe beunruhigt und hielt ihnen vor, billige Gnade Gnade zu predigen und die Moral zu missachten. Ihm lag daran, die persönliche Schuld des Menschen aufzuweisen. Deshalb wandte er sich gegen die Annahme, dass es eine erbliche Übertragung der Sünde gebe, die an den Fortpflanzungsprozess gebunden sei. Sünde sei vielmehr eine freiwillige Nachahmung der Übertretung Adams, keine angeborene Schuld. Augustin argumentierte gegen diese Position und vertrat die Ansicht, dass in der NaturNatur des Menschen die Erbsünde angelegt wäre. Der Mensch sei von Geburt nur durch die Gnade Gottes fähig, das Gute zu tun. Die Gnade aber gewähre von Gott bestimmten Menschen den Weg zum Heil. Der Mensch bedürfe der Gnade Gottes unbedingt. Sie sei eine Kraft, die für ihn unwiderstehlich sei. Augustin betonte mit dieser Lehre, dass der Mensch von Anfang an auf Gottes Gnade angewiesen sei. Kein menschlicher Wille könne die Erlösung des Menschen unabhängig von Gott herbeiführen. Nur durch das Wirken des Geistes könne der Mensch seinen Willen auf ein moralisch gutes Leben ausrichten.
Besonderheiten der Entwicklungen im Mittelalter
Der BischofBischof von Rom blieb in der Zeit der Völkerwanderung, des Zusammenbruchs des römischen Reichs und des Übergangs von der Antike zum Mittelalter eine Konstante. Als Papst versuchte er, seinen Primatsanspruchauf das ganze Reich auszudehnen.
Während die östliche Tradition Tradition eine Harmonie, die SymphoniaSymphonia, zwischen Staat und Kirche herzustellen suchte [→ Orthodoxe Kirchen], kontrastrierte Papst Gelasius$Gelasius, Pontifikat 492–496, römischer Bischof, römisch-katholischer Papst I. (Pontifikat: 492–496) die weltliche Macht durch die kirchliche und wies der kirchlichen eine größere Macht zu.
Der wichtigste Papst dieser Zeit war Gregor I. (der Große; Pontifikat: 590–604)$Gregor I. (der Große), Pontifikat 590–604, römisch-katholischer Papst, der als Mönch Papst wurde und dem es gelang, das Ideal des Hirten seiner Gemeinde zu verkörpern. Er verlangte von den Klerikern, dass sie ihr Leben als christliches Vorbild führen sollten. Die Bischöfe rief er zur Solidarität untereinander auf. Für die Stadt Rom war er bedeutend, da er nach dem Untergang des Reichs mit sozialen Leistungen die Not der Bevölkerung zu lindern versuchte. Außerdem unternahm er vermehrt missionarische Anstrengungen, z.B. unter den Goten und den Angelsachsen.
Entfremdung zwischen Ost und WestIm Frühmittelalter verschlechterten sich die Beziehungen zwischen der West- und Ostkirche des Reichs. Der Einfluss Ostroms wurde schwächer und die Päpste begannen, sich mit großem Selbstbewusstsein in die Belange der östlichen Kirche einzumischen. So widersetzte sich Papst Gregor II. (Pontifikat: 715–731)$Gregor II., Pontifikat 715–731, römisch-katholischer Papst den Steuerpflichten, die ihm vom oströmischen Kaiser auferlegt waren und widersprach ihm im Bilderstreit.
Er weihte den Angelsachsen Wynfreth$Bonifatius (Wynfreth), 653–755, Missionar, römisch-katholischer Bischof von Mainz und Utrecht (673–755) zu BischofBischof Bonifatius und gab ihm missionarische Vollmachten in Mitteleuropa. Bonifatius war direkt dem Papst unterstellt und wurde zum Bischof geweiht, ohne dass er ein Bistum erhielt. Er erhielt vielmehr die Aufgabe, Volksstämme wie die Friesen oder die Hessen zu missionieren. Bonifatius ging rigoros gegen heidnische Götter vor und ließ z.B. 723 in der Nähe von Geismar im heutigen Hessen eine dem Gott Donar (Thor) geweihte Eiche, ein germanisches Heiligtum, fällen, um die Ohnmacht der germanischen Götter zu beweisen. 732 wurde Bonifatius zum ErzbischofBischofErzbischof erhoben und zum Legaten für Germanien bestellt. Der Missionar wurde damit zum Organisator einer neuen Kirchenprovinz. Er gründete Klöster und unterstellte sie der Mönchsregel Benedikts von Nursia$Benedikt von Nursia, 480–547, römisch-katholischer Ordensgründer (480–547), der 529 die Abtei Montecassino gegründet hatte, die Keimzelle des Benediktinerordens. Das Wirken des Bonifatius markierte den Weg des PapsttumsPapsttum in den Westen.
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