Fabian Wolbring - Sprachbewusste Gedichtanalyse
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Funktionen eines Gedichtes
Man könnte die Bedeutung von Dickis Versen an ihrer Funktion festmachen. Etwa indem man sagt, sie dienten als Provokation der Mutter. Eine solche Funktion hängt dabei gar nicht notwendigerweise von den expressis verbis behandelten Inhalten oder vom Sprachgebrauch ab, sondern wohl eher an der kommunikativen Absicht des Äußerungssubjektes. Tatsächlich sind auch einige der gängigen Bestimmungsversuche von Gedichten in dieser Art und Weise funktionsorientiert. Die Selbstaussprache gilt dabei als besonders typische Funktion eines Gedichtes, 28selbst wenn der Text die Emotionen und Gefühle nicht explizit erwähnt. Dickis stoische Coolness ließe sich daher vielleicht als bewusst ausgestellter Anti-Affekt interpretieren bzw. als Beleg von Affektkontrolle, als Ausdruck von Langeweile oder als rebellischer Akt gegenüber der biederen, aufoktroyierten Weihnachtsidylle. Dass Sprechakte – also durch sprachliche Äußerungen vollzogene Handlungen – das Wesen von Gedichten bestimmen, ist seit Heinz Schlaffers einflussreichem Aufsatz SPRECHAKTE DER LYRIK eine verbreitete Annahme der Lyriktheorie (siehe Kap. 5). Gedichte dienten etwa dem Loben, Klagen, Mahnen, Danken, usw. Allerdings liest man auch, dass sie als „Performativitätsfiktionen“ 29lediglich der Ausstellung oder literarischen Fingierung von Sprechakten dienten. Aber welchen Sprechakt stellt Dicki hier eigentlich aus? Eine genaue Bestimmung scheint schwierig.
Exponierung der Sprache
Mancher erkennt das Wesen des Gedichts denn auch in dessen Absichts- und Funktionslosigkeit. 30Es sei „entpragmatisiert“ und diene folglich – anders als ein Sach- oder Alltagstext – nicht der unmittelbaren Vermittlung von Informationen oder der Referenz eines lebenswirklichen Sachbestandes und auch nicht dem Vollzug eines lebenspraktischen Sprechaktes. Auf Dickis Nonsense-Verse könnte dies durchaus zutreffen. Allerdings erweist sich die Funktionslosigkeit von Gedichten bei näherer Betrachtung zumeist gar nicht als funktionslos. So dient sie dem Literaturwissenschaftler Jonathan Culler zufolge dem foregrounding der Sprache, also ihrer Exponierung als Medium (siehe Kap. 2). 31Damit schließt Culler seinerseits an Überlegungen des Strukturalisten Roman Jakobson an, der verschiedene Funktionen sprachlicher Äußerungen unterschieden und untersucht hat. Als poetische Funktion der Sprache bestimmt er dabei diejenige, bei der die „Einstellung auf die Nachricht als solche, die Zentrierung auf die Nachricht um ihrer selbst willen“ 32dominiert. Bezogen auf unser Beispiel hieße das, Dickis Verse sind vor allem ästhetischer Selbstzweck. Sie werden gesprochen weil sie „gut“ klingen. Durch Rhythmus und Reim werde das Wortmaterial selbst in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, also seine Lauteigenschaften und spezifische Anordnung.
rituelle Texte
In vielerlei Hinsicht entsprechen Dickis Verse somit auch einem Ideal, nach dem ein Gedicht stets für den mündlichen Vortrag 33oder gar für den Gesang bestimmt ist. Schließlich wird der „Zicke, Zacke!“-Schlachtruf auch in Fußballstadien skandiert. Allerdings kursiert auch ein anderes Gedichtideal, nach dem Gedichte dezidiert Schriftprodukte sein sollten, die geschrieben und gelesen werden müssten. 34Ursprünglich wurden Gedichte wohl vor allem als Bestandteil von Ritualen realisiert, d. h. dass die frühesten Gedichte womöglich zeremonielle Texte wie Gebete, Zaubersprüche oder Beschwörungsformeln waren. Dickis Verse könnten als typische Auszähl- oder Spottverse betrachtet werden, wie sie vielfach Kinderspiele begleiten. Die Komik des Sketches erklärt sich dann daraus, dass das Weihnachtsfest einen ganz anderen Typ von zeremoniellem Begleitgedicht erwarten lässt.
Mit Blick auf modernere Ausprägungen der Lyrik wird inzwischen auch die Meinung vertreten, dass es letztlich nur der Kontext und die Rahmung sei, die aus einem Text (oder womöglich auch jeder anderen Daseinsform) ein Gedicht machten. 35Ein Text, der in einer Lyrik-Anthologie erscheint, auf einer als Dichterlesung deklarierten Veranstaltung deklamiert oder in einem Lyrikseminar präsentiert wird, würde demnach als Gedicht rezipiert, auch wenn er kein einziges der bisher erwähnten Kriterien erfüllt. In Dickis Fall hieße das, dass die Ankündigung der Mutter alleine jede Äußerung Dickis als Gedicht erscheinen lassen würde. Wenn Dicki allerdings erwidert hätte: „Nee, kein Bock!“, hätte das wohl niemand als Gedicht interpretiert, oder?
Kontext und Rahmung
Wäre der Satz in Peter Handkes Gedichtband DIE INNENWELT DER AUSSENWELT DER INNENWELT erschienen, vermutlich schon. Diesem entstammt nämlich das beliebteste Beispiel für ein einzig durch den Kontext erkennbares „ready-made“-Gedicht DIE AUFSTELLUNG DES 1. FC NÜRNBERG VOM 27.1.1968:
Wabra
LeupoldPopp
Ludwig MüllerWenauerBlankenburg
StarekStrehlBrungsHeinz MüllerVolkert
Spielbeginn:
15 Uhr
Anscheinend handelt es sich hierbei um einen ursprünglich literaturfernen Gebrauchstext, womöglich aus einer Sportzeitschrift, die lediglich über die Aufstellung einer Fußballmannschaft informieren will und dabei keine poetischen Absichten verfolgt. Aber erfüllt er nicht doch wesentliche Kriterien eines Gedichtes? Zumindest ließen sich die einzelnen Zeilen durchaus als Verse auffassen. Auch das Kriterium der Kürze ist erfüllt. Und die Worte „Starek“ und „Strehl“ sind doch alliterierend, oder nicht?
Hypothesenbildung
Allerdings muss ich mir eingestehen, dass mir diese Kennzeichen ohne die Klassifizierung als Gedicht gar nicht aufgefallen wären. Offensichtlich verändert der Status Gedicht meinen Umgang mit dem Text. In jedem Detail wittere ich nun potentielle Bedeutung 36und ich versuche, aus meinen Teilbeobachtungen Hypothesen für eine übergeordnete „Gesamtbedeutung“ oder eine mögliche kommunikative Absicht zu erstellen. Solche Zweitbedeutungen, die über das basale Verständnis des Textes als Mannschaftsaufstellung hinausgehen, lassen sich mit Klaus Weimar als ein Verstehen zweiten Grades bestimmen, d. h. als „Antwort auf die Frage, als was etwas sehr wohl Verstandenes sonst noch zu verstehen sei“ 37. Dabei kann es durchaus unterschiedliche plausible Zweitbedeutungen für diese exponierte Aufstellung geben. 38Ist es womöglich eine Hommage des Fußballenthusiasten Handke an die legendäre Mannschaft? Oder im Gegenteil eher eine kritische Thematisierung der allgegenwärtigen Fußballmanie, die womöglich die Kunst und Literatur zu verdrängen sucht? Oder aber die bewusste Unterwanderung der Unterscheidung von Kunst und Alltagsdiskurs? Spielt Handke womöglich auf irgendein historisches Ereignis an? Will er die Entindividualisierung des Menschen durch eine Listenrhetorik vor Augen führen? Geht es womöglich in irgendeiner Art sogar um die Nürnberger Prozesse? Gerade das symbolische Ausdeuten des Textes gilt schließlich als typischer „Modus der Interpretation“ 39bei Gedichten. Oder geht es hier gerade um die Dokumentation unmittelbarer Gegenwart, also jenen Moment im Jahr 1968, an dem das große Spiel begann?
Plötzlich ergeben sich Fragen zur genauen Anordnung der Spielernamen: Hat die Pyramidenform irgendeine Bedeutung? Oder vielleicht die Wortanzahl in den jeweiligen Zeilen (1/2/4/6)? Warum wurde die gegnerische Mannschaft nicht aufgeführt? Wer sich eingehender mit der Referenz-Partie befasst (etwa indem er – wie auch ich – den entsprechenden Wikipedia-Artikel liest), lernt dann auch, dass das Spiel eigentlich bereits um 14 Uhr begann, und zwar mit Helmut Hilpert statt Horst Leupold in der Innenverteidigung. Wozu dienen diese Änderungen? Oder waren das einfach Transkriptionsfehler Handkes?
Die Literaturwissenschaftler Alwin Binder und Heinrich Richartz gehen in ihrer Einführung in die Gedichtanalyse davon aus, dass eben jene Analyse zwingend voraussetzt, dem Text zu unterstellen, dass er „künstlerisch vollendet“ sei und somit „nichts Zufälliges, sondern nur ‚Bedeutendes‘“ 40enthalte. Alle Beobachtungen werden folglich „semantisiert“ und „funktionalisiert“ 41. Bemerkenswerterweise hatte ich bei Dickis Versen – die ja viel eher die gängigen Kriterien eines Gedichtes erfüllen als Handkes Text – ursprünglich keinen starken Impuls, ihn auf mögliche Bedeutungsdimensionen hin abzuklopfen. Vermutlich weil er mir bei aller Merkwürdigkeit in seiner Funktion bzw. Funktionslosigkeit relativ eindeutig erschien. Durch die genaue Beobachtung habe ich aber auch hier ein durchaus tieferes Verständnis gewonnen. Wie bei vielen Kindergedichten wird ein semantisch vager, aber unstrittig derber Inhalt in ein durch Reim und Rhythmus streng geordnetes Versgewand gekleidet, durch das der „anarchische Quatsch“ wie lautlich legitimiert wirkt. 42Dickis Gedicht wirkt dabei tatsächlich invariant, d. h. formvollendet. Würde man auch nur eine Silbe verändern, verlöre es wohl seine freche Ausdrucksstärke.
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