Wolfgang Fabian
HASSO - Legende von Mallorca
Todeszelle und Luxusvillen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Wolfgang Fabian HASSO - Legende von Mallorca Todeszelle und Luxusvillen Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Herkunft
2. Verrat und Folgen
3. Strafeinheiten für die Fronten
4. Fluchtwege
5. Festnahme
6. Erneute Flucht
7. Das Todesurteil
8. Marsch an die Westfront
9. Neues Zuhause
10. Erste Gaunereien
11. Wiedersehen mit der Mutter
12. Der große Schmuggel-Aufbruch
13. Das Geschäft boomt
14. Schweizer Kaffee und Gold
15. Neue Pläne im Gefängnis?
16. Geheime Vorbereitungen
17. Der Schmuggelbetrieb läuft an
18. Bubis Verbindung
19. Verbindungen nach Barcelona
20. Die Kripo der DDR riecht Lunte
21. Die Gang fliegt auf
22. Mallorcas neuer Unternehmer
23. Wildes Leben mit viel Geld
Zweiter Teil
24. Zwei alte Genießer
25. Beginn der Durchleuchtung
26. Des Mietwagenkönigs Biograf
27. Vertrauter und Mitarbeiter
28. Des Imperators Untertanen
29. Erzählpause nicht gewünscht.
30. Andere Verhaltensweisen
31. Intrigen und Verleumdungen alltäglich
32. Das Gedächtnis des Journalisten Steiner
33. Whisky und Unzuverlässigkeit
34. Der angebliche Literaturagent
35. Buchvorstellung und Buchvernichtung
36. Am Ende eines dunklen Weges
Impressum neobooks
Hasso Schützendorfs geschäftliche wie auch private, fast immer gewinnbringende Aktivitäten waren, beruhend auf einem unbeugsamen Willen, Merkmale, die allen Schützendorf-Generationen innewohnten. Offenheit und korrektes Verhalten in allen Bereichen sind bis auf eine lange zurückliegende Ausnahme die Tugenden aller Familienmitglieder gewesen. Hasso war mit seinen zwei Gesichtern, seiner seelischen Kälte und seinem Drang nach Publizität, die zweite Ausnahme. Seine Vorfahren hatten sich auch nie gescheut, sich vermeintlich hoheitlichen Bevormundungen zu widersetzen, auch Hasso war keine Ausnahme. Und ein weiteres bedeutendes Merkmal aller Schützendorfs ist nicht zu übergehen: sie alle waren, einschließlich Hasso, hochmusikalisch.
Die Geschichte seiner Vorfahren – ihre Heimat war seit Anbeginn das Gebiet an Rhein und Ruhr – soll hier nicht chronologisch aufgezeichnet werden, es würde zu weit führen. Einige frühe Beispiele schützendorfschen Eigensinns sollen jedoch einen gewissen Einblick gewähren:
Hassos Urgroßvater, geboren im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts, Erbe einer kleinen, aber sehr bekannten Kräuterschnapsdestille, bezahlte seine Unbeugsamkeit mit dem Tod. Er hatte die Annahme einer behördlichen Anordnung verweigert, indem er dem höfischen Gesandten, der ihn mit einer Verfügung vertraut machen wollte, nicht nur die kalte Schulter zeigte und ihn beschimpfte, sondern ihn obendrein verprügelte. Um der zu erwartenden Kerkerstrafe zu entgehen, raffte er in großer Eile bewegliches privates und geschäftliches Hab und Gut zusammen und floh samt Familie bei Nacht und Nebel auf einem Rheinfrachter, dessen Kapitän ihm freundlich gesonnen war, nach Holland, wo er unbedrängt von jeder Obrigkeit seinen Schnapsbetrieb neu aufbaute und das Produkt auch gut verkaufte. Nach über drei Jahren glaubte er an die Verjährung seiner Tat, zog ins heimatliche Rheinland zurück, wurde prompt verhaftet, verurteilt und in den Kerker geworfen. Nun waren die damaligen Gefängnisse nicht mit den heutigen Knast-Hotels zu vergleichen, sodass sich der Mann in seiner feuchtkalten Zelle eine Lungenentzündung zuzog und daran starb. Bis der Sohn alt genug und in der Lage war, den für eine lange Zeit ruhenden Betrieb neu zu organisieren und gewinnbringend zu führen, lebte die Witwe, keine Ahnung von der Schnapsherstellung und vom Geschäftsleben, mit Sohn und einer Tochter in Armut. Glücklicherweise entwickelte der Sohn den bekannten schützendorfschen Geschäftssinn, mit dem er einen Neubeginn konsequent anzugehen wusste und die alte Kundschaft zurückgewann.
Dieser Sohn war Hassos Großvater. Er sorgte für einen neuen Wohlstand in der Familie. Als der Mann alt geworden und gestorben war, musste seine Witwe das Unternehmen in fremde Hände legen, obwohl sie auf sieben erwachsene Söhne hätte zurückgreifen können. Doch jeder von ihnen hatte seinen eigenen Kopf, seine eigenen beruflichen Vorstellungen. Immerhin hatte der älteste der Brüder, als der Verkauf bereits abgemachte Sache war, sich um die abschließenden Geschäfte gekümmert, aber vollkommen interesselos; er verkehrte lieber und häufig in verrufenen Schenken und auch Freudenhäusern im Lande. Unter vorgehaltener Hand hatte es obendrein geheißen, er habe sich mit zweifelhaften Geschäften abgegeben, wofür er mit Gefängnis bestraft worden sei. Dieser Mann war die anfangs angesprochene Ausnahme unter den Schützendorfs, nun ja, bis viele Jahre später Hasso das Treiben seines aus der Art geschlagenen Onkels weit in den Schatten stellen sollte.
Ein weiteres Beispiel ist eine Komödie und nicht minder bezeichnend: Es war im Jahr 1886. Nach der Geburt des Jüngsten der sieben Brüder ließ der eigenwillige Vater auch die letzte kirchliche Aufforderung, den neuen Erdenbürger endlich taufen zu lassen, absichtlich außer Acht. Er hatte dem Säugling den Namen Leo gegeben, worin an sich kein Problem zu erkennen gewesen wäre. Dass er aber öffentlich verlangte, nur den Papst, nämlich den damaligen Papst Leo XIII., als Taufpaten anzuerkennen, ging dem örtlichen Klerus zu weit. Also wurde der Heilige Vater von dem höchst ungebührlichen und verwerflichen Verhalten eines seiner Schäfchen unterrichtet, mit der Bitte, anzuordnen, diesen anmaßenden Menschen aus der Gemeinschaft der Gläubigen auszuschließen, falls er sein unverschämtes Verhalten nicht widerrufe und bereue. Nun, der Heilige Vater wohnte der bald anberaumten Taufe nicht persönlich bei, ließ aber eine Urkunde präsentieren, selbstverständlich mit Siegel und Unterschrift, aus der hervorging, dass man ihn, Papst Leo XIII., als Taufpaten des Knaben Leo anzuerkennen und dieses auch zu dokumentieren habe.
Nun endlich konnte der kleine Leo die Taufe über sich ergehen lassen, und zwar in einem nachempfundenen Papstgewand, was den Pfarrer erneut bedenklich stimmte. Doch mit einer Bekleidungsvorschrift für Täuflinge konnte er nicht aufwarten.
Sagen wir noch etwas zu den sieben Brüdern Schützendorf. Der ungewisse Verbleib des Ältesten ist angesprochen worden. Und auch keiner der anderen Brüder ist, wie gesagt, bereit gewesen, den guten Magenbitter weiterhin zu produzieren und zu vertreiben. Dennoch sollte zukünftig der Name Schützendorf in vieler Munde und vor allem Ohren sein und bleiben und für Qualität bürgen. Denn für fünf der Brüder führte ihr ererbtes musikalisches Talent zur Berufung. Alfons, Gustav, Guido und Leo stiegen als Baritons und Bass-Baritons zu gefragten Opern- und Konzertsängern auf und wirkten in vielen bedeutenden Opernhäusern der Welt. Leo erlangte von ihnen den höchsten Ruhm; aber er starb früh, 1931, nicht einmal sechsundvierzig Jahre alt. Hassos Vater Eugen, gleichfalls gesegnet mit einer entwicklungsfähigen Stimme, gesundheitlich aber oft angeschlagen, brachte nicht die physische Kraft auf, sich singend sein Brot zu verdienen. Doch die Musik sollte auch für ihn ansehnlicher Broterwerb werden. Als Klaviervirtuose und -lehrer begleitete er, wenngleich sehr selten, den einen oder anderen seiner singenden Brüder, wenn Konzertabende angesagt waren. Ein einmaliges Ereignis war es, als die vier Brüder 1915 im Stadttheater Bremen gemeinsam auf der Opernbühne wirkten; einmalig, denn einzuhaltende Verträge gestatteten sehr selten Besonderheiten; familiäre Zusammenkünfte zählten dazu.
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