Kartellrechtliche
Schadensersatzklagen
Herausgegeben von
Prof. Dr. Fabian Stancke
Brunswick European Law School
Dr. Georg Weidenbach
Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
Prof. Dr. Rüdiger Lahme
Rechtsanwalt, Hamburg
Mit Beiträgen von
Robert Bäuerle; Dr. Niklas Brüggemann; Dr. Sascha Dethof;
Dr. Felix Dörfelt; Dr. René Grafunder; Anne Haas; Dr. Josef Hainz;
Dr. Sebastian Max Hauser; Nils von Hinten-Reed; Dr. Norman Hölzel;
Dr. Jörg Karenfort; Dr. Gerhard Klumpe; Dr. Tobias Kruis;
Dr. Tilman Makatsch; Prof. Dr. Bernd Rohlfing; Dr. Andreas Ruster;
Immo Schuler; Dr. Malte Stübinger; Dr. Thomas Thiede;
Dr. Frederick Wandschneider; Dr. Sung-Kyung Yi
2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2021
Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main
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ISBN: 978-3-8005-1713-8
© 2021 Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, Frankfurt am Main
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Printed in Germany
Schadensersatzklagen gehören in Deutschland zu den dynamischsten Themen des Kartellrechts. Etwa dreieinhalb Jahre sind vergangen, seit wir das Vorwort zur ersten Auflage schrieben. Seitdem hat sich viel getan. Der Bundesgerichtshof erließ die grundlegenden Entscheidungen Grauzementkartell II, Schienenkartell I bis V und zuletzt LKW-Kartell. Insbesondere der seit Herbst 2019 neu eingerichtete ständige Kartellsenat versah die Entscheidungen mit „Segelanweisungen“, die dem kartellrechtlichen Schadensersatzrecht Struktur verleihen. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union prägt die private Kartellrechtsdurchsetzung weiter mit Entscheidungen wie u.a. Otis, Skanska, Cogeco und Tibor-Trans. Der deutsche Gesetzgeber ist ebenfalls nicht untätig geblieben und hat nach den großen Änderungen der 9. Novelle mit der 10. GWB-Novelle in Teilbereichen der privaten Rechtsdurchsetzung nachjustiert.
Angesichts dieser Entwicklungen und der sehr erfreulichen Aufnahme der ersten Auflage haben wir uns entschlossen, eine zweite, deutlich erweiterte Auflage des Handbuchs zu verfassen. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Kartellsenats seit der Schienenkartell II-Entscheidung haben wir die Struktur angepasst und stellen die Tatbestandsvoraussetzungen des Schadensersatzanspruchs in zwei getrennten Kapiteln dar: Die Haftung dem Grunde nach (Kapitel H) und die Haftung der Höhe nach (Kapitel I). Die Amtshaftungsklage der BayWA gegen das Bundeskartellamt hat uns zudem bewogen, das Kapitel Amtshaftung und Kartellrecht (Kapitel O) aufzunehmen. Als Autor dieses Kapitels zeichnet sich Rechtsanwalt Prof. Dr. Bernd Rohlfing verantwortlich. Des Weiteren konnten wir den Vorsitzenden Richter der Kartellkammer am Landgericht Dortmund, Dr. Gerhard Klumpe sowie Rechtsanwalt Dr. Thomas Thiede als weitere Autoren gewinnen. Sie haben die Neugliederung des Kapitels I begleitet und verantworten nun dort zusammen mit Rechtsanwalt Dr. Sascha Dethof die Ausführungen zur Kartellbefangenheit. Dr. Niklas Brüggemann unterstützt Dr. Sung-Kyung Yi schließlich beim Kapitel Rechtswidrigkeit und Verschulden.
Wir haben versucht, auch in der zweiten Auflage unserem praxisorientierten Ansatz treu zu bleiben und das Buch weder aus Klägersicht noch aus Beklagtensicht „einzufärben“. Fast alle Verfasser sind auf beiden Seiten des Rubrums tätig. Zudem finden sich unter den Autoren nicht nur Anwälte, sondern auch spezialisierte Unternehmensjuristen, Richter und Ökonomen.
Wir sind überzeugt, dass die Entwicklung der kartellrechtlichen Schadensersatzklagen noch nicht an ihr Ende gelangt ist. Wir rechnen mit weiteren Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs. Die Bedeutung des Gerichtshofs der Europäischen Union wird infolge der umgesetzten Schadensersatzrichtlinie weiter zunehmen. Schließlich erwarten wir weitere gesetzgeberische Initiativen aus Brüssel und Berlin. Das große Thema der Zukunft dürfte der kollektive Rechtsschutz werden. Leser, die in der Zwischenzeit auf dem Laufenden bleiben und in die Diskussion mit den Autoren eintreten möchten, sind herzlich eingeladen, sich beim Competition Litigation Forum (www.c-l-f.eu) zu engagieren. Das C-L-F ist eine Plattform für alle am zivilen Kartellrecht Interessierten. Es wurde u.a. von den Herausgebern gegründet; nahezu alle Autoren sind Mitglieder.
Die Bearbeitung befindet sich auf dem Stand von Januar 2021.
Für Hinweise, Anregungen und Kritik sind wir dankbar.
Hamburg und Frankfurt, im Januar 2021 |
Fabian Stancke |
Georg Weidenbach |
Rüdiger Lahme |
Literatur: Alexander , Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht: Privatrechtliche Sanktionierungsinstrumente zum Schutz individueller und überindividueller Interessen im Wettbewerb, S. 299; Böge/Ost , Up and Running, or is it? Private enforcement – the Situation in Germany and Policy Perspectives, ECLR 2006, 197; Rengier , Cartel Damages Actions in German Courts: What the Statistics Tell Us, JECLAP Volume 11 (2020), Issue 1–2, S. 72; Stancke , Zu den Pflichten und Abwägungskriterien hinsichtlich der Durchsetzung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche, WuW 2015, 822.
Übersicht
I. Der privatrechtliche Geltungsanspruch des Kartellrechts
II. Praktische Relevanz kartellrechtlicher Schadensersatzklagen
III. Gesetzeshistorie
I. Der privatrechtliche Geltungsanspruch des Kartellrechts
1
Die Wettbewerbsregeln des deutschen und europäischen, aber auch des außereuropäischen, Kartellrechts betreffen ganz überwiegend Rechtsverhältnisse auf der Ebene des Privatrechts.1 Der privatrechtliche Geltungsanspruch, der nebendie Sanktionskompetenzen der Wettbewerbsbehörden tritt,2 bedarf daher einer rechtlichen Absicherung. Das gilt zum einen für die Gewährung materieller Ansprüche bei Rechtsverstößen, zum anderen aber auch hinsichtlich der Regelung der Zuständigkeiten und Verfahren zur Durchsetzung privatrechtlicher Rechtsfolgen.
2
Das europäische Wettbewerbsrecht als maßgeblicher Orientierungspunkt des Kartellrechts hält dabei nur wenige direkt anwendbare Regelungen bereit. Die materiell-rechtliche Anordnung der Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen nach Art. 101 Abs. 2 AEUV ist die einzige direkt anwendbare privatrechtliche Regelung für die Anwendung der Wettbewerbsregeln.3 Die Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte zur Anwendung der Wettbewerbsregeln ist in Art. 6 VO 1/2003 normiert. Weiter untermauert hat diesen unionsprivatrechtlichen Geltungsanspruch die Rechtsprechung des EuGH, der in seinen berühmten Entscheidungen in den Rechtssachen „Courage“4 und „Manfredi“5 postuliert hat, dass „Jedermann“ nach nationalem Recht die Möglichkeit haben muss, einen Schadensersatzanspruch effektiv geltend zu machen, der sich aus einem Verstoß gegen EU-Wettbewerbsrecht ergibt.6 Das Verfahren zur Durchsetzung dieser Rechte unterliegt – in den allgemeinen Grenzen des Unionsrechts (insbesondere Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz) – dem nationalen Recht, da es im Unionsrecht keine direkt anwendbaren besonderen Regelungen dazu gibt.7 Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz bedeuten: Die dafür maßgeblichen Bedingungen dürfen nicht ungünstiger ausgestaltet sein als für gleichartige Klagen des innerstaatlichen Rechts und sie dürfen den Schutz der unionsrechtlich gewährten Rechte des Einzelnen nicht erschweren oder unmöglich machen.8
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