Ein ganz besonders herzlicher Dank geht an Herrn Rechtsanwalt Günther Schmauß, dessen Kurzskript letztlich den Anstoß für das vorliegende Werk gegeben hat, das wir zunächst gemeinsam geplant hatten. Darüber hinaus gilt unser Dank Theranda Dobruna und Angelika Nemela für ein erstes „Gegenlesen“ und viele hilfreiche Anmerkungen aus studentischer Sicht.
Leider ist in Werken wie dem vorliegenden immer noch der Hinweis erforderlich, dass eine geschlechtsneutrale Sprache nicht durchzuhalten ist, wenn der Text noch prägnant und verständlich sein soll. Da der Gesetzgeber fast durchgängig die männliche Form für Rechtsbegriffe verwendet, legen auch wir diese zu Grunde und bitten, uns dies nachzusehen.
Rechtsstand ist Juli 2019.
München, im August 2019
Jörg Reinhardt und Daniel Klose
1Einführung in das Arbeitsrecht
Das Arbeitsrecht wird als „Sonderrecht der Arbeitnehmer“bezeichnet. Es umfasst alle rechtlichen Rahmenbedingungen, die für die Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen von Bedeutung sind und regelt alle durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Ziel des Arbeitsrechts ist es, einen angemessenen Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen von Arbeitgebern und dem in aller Regel vorhandenen sozialen Schutzbedarf und Sicherheitsinteresse der Arbeitnehmer zu schaffen.
Arbeitsverhältnisse können im Einzelfall eine ganze Reihe von Problemen aufwerfen. Beginnend mit der Frage, ob überhaupt ein Vertrag geschlossen wurde, über Fragen seines Inhalts (z. B. Aspekte des Einsatzorts, der Arbeitszeit, der Urlaubsansprüche, von Wochenenddiensten und Pausenregelungen) bis zu dessen Beendigung umfasst das Arbeitsrecht eine Vielzahl unterschiedlichster Regelungsfelder. Ganz grundsätzlich untergliedert sich das Arbeitsrecht dabei in zwei große Teilbereiche:
•das Individualarbeitsrecht, das die Rechte und Pflichten der einzelnen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Bezug auf ein konkretes, individuelles Arbeitsverhältnis festlegt, und
•das Kollektivarbeitsrecht, das die Rechte und Pflichten bestimmter arbeitsrechtlich relevanter Gruppen (z. B. der Tarifpartner oder von Betriebsräten) regelt. Hierzu gehören etwa das Tarifvertragsrecht, das Betriebsverfassungsrecht oder das Arbeitskampfrecht.
Das Arbeitsrecht ist als ein eigenständiges Rechtsgebiet anerkannt. Trotzdem sind alle bisherigen Gesetzgebungsinitiativen zur Schaffung eines einheitlichen „Arbeitsgesetzbuchs“ gescheitert. Das hängt auch mit rechtssystematischen Schwierigkeiten zusammen: Im Arbeitsrecht geht es vor allem um den Abschluss und die Abwicklung von Arbeitsverträgen (vgl. §§ 611a ff. BGB), was dem Zivilrechtzuzurechnen ist. Daneben beinhaltet das Arbeitsrecht aber auch Aspekte, die zum öffentlichen Rechtgehören: Gerade die Regelungen über den Arbeitsschutz oder die Beschäftigung schwerbehinderter Arbeitnehmer stellen öffentlich-rechtliche Regelungen dar, die ggf. (z. B. bei Verstößen gegen Beschäftigungsverbote) ein hoheitliches Einschreiten von Behörden (bspw. des Gesundheits-, des Integrations- oder des Gewerbeaufsichtsamts) nach sich ziehen können. Abbildung 1gibt einen Überblick über die Teilbereiche des Arbeitsrechts.
Abb. 1: Teilbereiche des Arbeitsrechts
1.1 Rechtsquellen im Arbeitsrecht
Da das Arbeitsrecht nicht in einem einheitlichen Gesetz zusammengefasst ist, stehen hier viele Rechtsquellen nebeneinander. Es ist daher immer sorgfältig zu prüfen, welche Regelung oder Rechtsnorm auf eine bestimmte Rechtsfrage anwendbar ist und welche eine andere verdrängt.
Beispiel
Erzieherin E will kündigen. Gilt die Kündigungsfrist aus dem Tarifvertag oder die des BGB?
Sozialarbeiterin A hat Urlaub beantragt. In ihrem Arbeitsvertrag sind 31 Urlaubstage pro Jahr vereinbart, im einschlägigen Tarifvertrag sind nur 29 Urlaubstage vorgesehen, im Bundesurlaubsgesetz sind es nur 24 Tage jährlich. Welche Rechtsquelle ist nun maßgeblich?
Arbeitsvertraglich relevante Regelungen können sich dabei aus folgenden Rechtsquellen ergeben.
1.1.1Internationales Recht
Im Rahmen des internationalen Rechts sind vor allem die Regelungen des Europarechtsvon erheblicher Bedeutung für das Arbeitsrecht.
Bereits der Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) enthält für das Arbeitsrecht so wichtige Grundfreiheiten wie die Arbeitnehmerfreizügigkeit(Art. 45 AEUV) und die Dienstleistungsfreiheit(Art. 56 AEUV). Diese schützen EU-Staatsangehörige vor Benachteiligungen, wenn sie grenzüberschreitend tätig sind. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist der in Art. 157 AEUV enthaltene Grundsatz der Entgeltgleichheit von Männern und Frauen, wenn diese gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten.
Im Rahmen des sog. sekundären Gemeinschaftsrechts unterscheidet man EU- Verordnungen, die – wie die vorgenannten Regelungen des AEUV – in den Mitgliedsstaaten unmittelbar und ohne weitere nationale Umsetzungsakte wirken (Art. 288 Abs. 2 AEUV), und Richtlinien, deren Vorgaben durch die Mitgliedsstaaten in deren nationales Recht zu übernehmen sind (Art. 288 Abs. 3 AEUV), die aber für sich keine unmittelbare Rechtswirkung auf den Bürger entfalten.
Die wichtigsten Beispiele für unmittelbar anwendbare EU-Verordnungen im Bereich des Arbeitsrechts sind die sog. „Freizügigkeitsverordnung“(VO Nr. 492 / 2011), die die in Art. 45 AEUV enthaltene Arbeitnehmerfreizügigkeit konkretisiert, und die Datenschutz-Grundverordnung(DSGVO). Diese regelt u. a. den Umgang mit personenbezogenen Daten von Arbeitnehmern (Kap. 3.5.1).
Im Bereich der Richtlinien gibt es eine ganze Reihe wichtiger Bestimmungen, die in das deutsche Arbeitsrecht übernommen wurden. Einige dieser Richtlinien dienen der Beseitigung von Diskriminierungen:
•Die Gleichbehandlungsrichtlinie(2006 / 54 / EG) soll die Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen sicherstellen, während die sog. „Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie“(2000 / 78 / EG) den Schutz vor Diskriminierungen wegen der Religion und Weltanschauung, aber auch wegen Behinderung, Alter oder der sexuellen Orientierung bezweckt. Die Vorgaben beider Richtlinien sind in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eingeflossen (Kap. 3.1.3 und 3.5.3).
•Mit der „Entsenderichtlinie“(1996 / 71 / EG) wird ausgeschlossen, dass die deutschen Arbeitsrechts- und Arbeitsschutzbestimmungen umgangen werden. Diese Richtlinie wird im Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) umgesetzt.
Im Bereich des Arbeitsvertragsrechtsexistiert eine ganze Reihe weiterer Richtlinien, die in das deutsche Recht überführt wurden. Diese zeigt Tabelle 1.
Tab. 1: EU-Richtlinien zum Arbeitsvertragsrecht
Richtlinie |
Ziel/Inhalt |
Umsetzung in |
Nachweisrichtlinie (1991/533/EWG) |
Pflicht der Arbeitgeber zur Unterrichtung ihrer Arbeitnehmer über die für deren Arbeitsverträge geltenden Bedingungen |
Nachweisgesetz (NachwG) |
Befristungsrichtlinie (1999/70/EG) |
Verhinderung der Aushöhlung des arbeitsrechtlichen Schutzes von Arbeitnehmern durch die Befristung von Arbeitsverhältnissen |
Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) |
Richtlinie über Teilzeitarbeit (1997/81/EG) |
Beseitigung von Diskriminierungen Teilzeitbeschäftigter; Förderung der Teilzeitarbeit und einer flexiblen Organisation der Arbeitszeit |
Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) |
Leiharbeitsrichtlinie (2008/104/EG) |
verbesserter Schutz von Leih- oder Zeitarbeitskräften (Grundsatz des „equal pay, equal treatment“) |
Arbeitnehmerüber lassungsgesetz (AÜG) |
Betriebsübergangs richtlinie (2001/23/EG) |
schützt die vertraglichen Rechte von Arbeitnehmern, wenn ein Betrieb oder ein Unternehmen verkauft wird und dadurch ein anderer Arbeitgeber an die Stelle des früheren tritt |
§ 613a BGB |
Besonders bedeutsam sind auch die im Bereich des Arbeitsschutzrechtsvorhandenen Richtlinien der EU, die in Tabelle 2genannt werden.
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