Die Unterbringung ist insbesondere von der freiheitsentziehenden Maßnahme abzugrenzen. Streng genommen müsste es »sonstige freiheitsentziehende Maßnahme heißen, da die Unterbringung per Definition die Fortbewegungsfreiheit ebenfalls einschränkt.
2.1.1 Rechtliche Grundlagen
Die Unterbringung stellt einen intensiven Grundrechtseingriff dar und bedarf daher einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.
Die Unterbringung erfolgt entweder als
• zivilrechtliche Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB (bei Kindern nach § 1631b BGB) oder als
• öffentlich-rechtliche Unterbringung nach dem einschlägigen Landesgesetz über die öffentlich-rechtliche Unterbringung psychisch Kranker.
Die Unterbringung ist zukünftig in § 1831 BGB n. F. geregelt.
Details zum Verfahren und rechtlichen Regelungen sind einem separaten Kapitel vorbehalten (
Kap. 4,
Kap. 6).
2.1.2 Statistische Relevanz
Die Zahl der zivilrechtlichen Unterbringungen nach dem bürgerlichem Recht hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Im Jahr 1992 wurde 31.044 Personen nach § 1906 Abs. 1 BGB untergebracht (Deinert 2015), im Jahr 2016 waren es bereits 56.048 Unterbringungen (Deinert 2018).
Es werden nach wie vor mehr Menschen nach den Landesgesetzen über die öffentlich-rechtliche Unterbringung von psychisch Kranken untergebracht. Von 52.191 öffentlich-rechtlichen Unterbringungen im Jahr 1992 ist die Anzahl auf 82.435 im Jahre 2013 angestiegen (Deinert 2015).
2.2 Freiheitsentziehende Maßnahmen
Auch innerhalb »offener« Einrichtungen gibt es Maßnahmen, die die Bewegungsfreiheit des Betroffenen nicht weniger beschränken als eine Unterbringung. Dies sind die freiheitsentziehenden Maßnahmen (BTDrs. 11/4528, S. 148). Daher bedürfen die unterbringungsähnlichen Maßnahmen – im Folgenden freiheitsentziehende Maßnahmen genannt – ebenso wie eine Unterbringung – der Genehmigung des Betreuungsgerichts, § 1906 Abs. 4 BGB.
Anstatt des Begriffs »unterbringungsähnliche Maßnahme« wird oftmals auch der Begriff »freiheitsentziehende« oder »freiheitsbeschränkende Maßnahme« verwendet (Müller-Engels 2020 BGB § 1906 Rn. 24).
Typische Fallgruppen sind die Fixierung, eine wie eine Fixierung wirkende Maßnahme oder das Ruhigstellen von Patienten mit Arzneimittel (BTDrs. 11/4528, S. 148).
Freiheitsentziehende Maßnahmen sind auch bei Untergebrachten denkbar. Dabei wird deren Bewegungsfreiheit innerhalb der Unterbringungseinheit weiter beschränkt.
2.2.1 Rechtliche Grundlagen
Sowohl § 1906 Abs. 4 BGB als auch die Landesgesetze über die öffentlich-rechtliche Unterbringung psychisch Kranker treffen Regelungen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen.
Für Personen, die aufgrund § 1906 Abs. 1 BGB untergebracht wurden, ist eine weitere richterliche Genehmigung für freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 1906 Abs. 4 BGB notwendig (Dodegge und Zimmermann 2011, Teil A Rn. 300). Dasselbe gilt für Personen, welche sich (freiwillig oder aufgrund einer Entscheidung des Vorsorgebevollmächtigten oder des Betreuers) im Krankenhaus, einem Heim oder einer »sonstigen Einrichtung« aufhält.
Die Regelungen des § 1906 BGB werden sich ab 2023 in § 1831 BGB n. F. unverändert wiederfinden.
Für Personen, die aufgrund der Landesgesetze über die Unterbringung psychisch Kranker untergebracht sind, gilt nicht § 1906 Abs. 4 BGB. Stattdessen ist die Grundlageeine sog. Besonderen Sicherungsmaßnahmen. So werden die freiheitsentziehenden Maßnahmen in den Landesgesetzen genannt. Diese können sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden.
Details zum Verfahren und rechtlichen Regelungen sind einem separaten Kapitel vorbehalten (
Kap. 4,
Kap. 7).
2.2.2 Statistische Relevanz
Die Anzahl der gerichtlichen Genehmigungen von unterbringungsähnlichen Maßnahmen nach § 1906 Abs. 4 BGB hat in den letzten 20 Jahren einen rasanten Anstieg zu verzeichnen. Im Jahr 1992 wurde 9.923 Genehmigungen erteilt (Deinert 2015), 2016 waren es bereits 51.097 (Deinert 2018). Im Vergleich zu 2013 mit 75.727 (Deinert 2015) ist das zwar ein Rückgang, es liegt jedoch die Vermutung nahe, dass in Zukunft ein starker Anstieg zu erwarten ist. Die Rechtsprechung hat klare Vorgaben entwickelt, in welchen Fällen ein entsprechender Antrag zu stellen ist und hat Konsequenzen an Verstöße gekoppelt (BVerfG, Urt. v. 24.07.2018 – 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16, NJW 2018, 2618). Deshalb ist mit einem Anstieg der Verfahren zu rechnen.
Leider fehlt eine bundesweite Erhebung der Anzahl der besonderen Sicherungsmaßnahmen, die aufgrund der Landesgesetze über die Unterbringung psychisch Kranker durchgeführt wurden. Vor diesem Hintergrund ist unbekannt, wie viele besondere Sicherungsmaßnahmen tatsächlich durchgeführt werden.
2.3 Ärztliche Zwangsmaßnahmen
Eine weitere Art der Zwangsmaßnahme stellt die ärztliche Zwangsbehandlung dar.
Zwangsbehandlung ist eine diagnostische oder therapeutische Maßnahme eines Arztes ohne oder gegen den Willen des Betroffenen. Dies ist der Fall, wenn der einwilligungsfähige Betroffene die Einwilligung verweigert, bei einem nicht einwilligungsfähigen Betroffenen die Einwilligung eines Bevollmächtigen, Betreuers oder Sorgerechtsinhabers fehlt (sofern dieser über die Maßnahme entscheiden darf (§ 1904 Abs. 1 S. 1 BGB) und auch eine mutmaßliche Einwilligung des Betroffenen in eine Notfallbehandlung nicht anzunehmen ist (Werner 2020, Zwangsbehandlung).
2.3.1 Rechtliche Grundlagen
Die ärztliche Zwangsbehandlung stellt einen sehr intensiven Grundrechtseingriff dar und bedarf daher einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Diese schließt zugleich bestimmte Zwangsbehandlungen aus.
Die Grundlage kann sich aus § 1904 BGB ergeben. Sie steht dann immer im Zusammenhang mit der Bestellung eines Betreuers.
Die Regelungen werden sich ab 2023 unverändert in § 1832 BGB n. F. befinden.
In Fällen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung gelten zudem Regelungen nach dem einschlägigen Landesgesetz über die öffentlich-rechtliche Unterbringung psychisch Kranker.
Details zum Verfahren und rechtlichen Regelungen sind einem separaten Kapitel vorbehalten (
Kap. 4,
Kap. 8.2).
2.3.2 Statistische Relevanz
Die Zahl der genehmigten gefährlichen Heilmaßnahmen nach § 1904 BGB ist 2013 gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Im Jahr 2013 wurden 1922 und im Jahr 2012 nur 1712 Eingriffe pro Jahr gerichtlich genehmigt. Statistisch nicht erfasst ist, ob es sich um Genehmigungen aufgrund einer gefährlichen Behandlung oder der Beendigung bzw. Nichteinleitung lebenserhaltender Maßnahmen handelt. Die Genehmigungsquote von Anträgen nach § 1904 BGB betrug 2012 bundesweit 86,95 %. Im Jahre 2013 waren von den Genehmigungsverfahren nach § 1904 BGB 470 (= 22,19 %) nicht von den Betreuern, sondern von Bevollmächtigten initiiert worden (Deinert 2015). Derzeit ist eine leichte Abnahme auf 990 Genehmigungen in 2016 zu verzeichnen (Deinert 2018). Wie bei den freiheitsentziehenden Maßnahmen, ist mit einem Anstieg in den nächsten Jahren zu rechnen.
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