„Welche Schuhe hast du dazu?“
Wieder machte sich ein wunderschönes Lächeln auf ihrem Gesicht breit – so als würde sie mich für jede Frage belohnen. Auch ihre nächsten Worte erweckten diesen Eindruck.
„Das ist eine gute Frage! Wenn man nicht die passenden Schuhe zu einem Kleid hat, kann man das ganze Outfit ruinieren! Du scheinst ja eine richtige Kennerin zu sein.“
Für mich war das die normalste Frage der Welt und das Lob machte mich fast verlegener als ihr nackter Körper. Sie ging auf mich zu und ich durfte diesen Anblick nochmal von Nahem bestaunen. Dann schritt sie an mir vorbei und zu ihrem Schuhschrank. Wider Erwarten waren es keine 100 Schuhe, die sie hatte, sondern nur an die 20. Mein Blick wanderte ein paar mal zwischen Schuhen und Kleidern hin und her, dann zeigte ich auf das rote Kleid und schwarze halb offene Stiefel, die perfekt zu den Strapsen passen würden.
Sie nickte begeistert.
„Gut, dass ich mir noch keinen BH angezogen hab, der würde bei diesem Kleid den schönen Rücken nur zerstören.“
Sie zog sich Kleid und Stiefel an, stellte sich prüfend vor den Spiegel und dann vor mich.
„Wie sehe ich aus?“
„Perfekt.“, sagte ich. Sie freute sich sehr. Und ich musste neidlos zugeben, dass das Kleid sich wirklich wunderbar an ihre Kurven anschmiegte. Mit diesem Outfit und ihren roten Haaren würde sie sicher auffallen. Das war okay, denn ich mochte es nicht, die ganze Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber Samira würde ein paar Männer anziehen und man konnte so gut ins Gespräch kommen.
Wir gingen los. Sie fragte mich, ob ich schon eine Bahnkarte hätte und als ich verneinte, beschlossen wir einfach, die zwei Stationen zu Fuß zu laufen. Es war jetzt schon nach 20 Uhr und die Straßen waren relativ leer. Samira erklärte mir, dass die blaue Zone eher am Tag gut besucht war, weil es hier viele schöne Einkaufsmöglichkeiten und Cafés gab. Die ganzen Nacht-Locations und Bars gab es eher in den anderen Zonen.
Zu so früher Stunde war der erste Laden auch noch sehr leer. Es war am Tag ein Restaurant und abends öffnete man ab 20 Uhr die Treppe nach unten zu dem sehr geräumigen Tanz- und Barbereich. Ich fragte mich, wieso wir nicht gleich hier gegessen hatten, aber Samira meinte, dass es sehr teuer sei. Auch die Getränkekarte wies für Alkohol stolze Preise aus. Trotzdem bestellte ich mir erst einmal ein Bier. Samira fing gleich mit einem Cocktail an und schwärmte von der Barkeeperin und ihren Kreationen. Ich hatte bemerkt, dass sie mit der Blondine gleich auf Tuchfühlung gegangen war und sie sich mit Wangenküsschen und Umarmung herzlich begrüßt hatten. Sie wechselten noch ein paar Worte, während ich mir den Keller etwas genauer ansah. Es gab mehrere Bereiche mit Stühlen und Tischen oder Sitzsäcken, eine Ecke mit Fernseher und eine große Tanzfläche mit DJ-Pult. Aber ein DJ war noch nicht da. Bisher spielte nur eine Anlage vorher abgemischte Songs. Ein Poster an der Wand pries DJane Adina Lyn mit ihrem besten Mix, der aus den vergangenen fünf Jahrzehnten zusammengestellt war. Als Samira wieder zu mir stieß, erklärte sie, dass der Club von Frauen betrieben werde. Das fände wohl guten Anklang und locke daher auch Männer aus anderen Zonen hierher.
Samira zeigte auf eine Couch. Wir gingen gemeinsam hin und machten es uns bequem. Mit einem Wink auf das Poster sagte sie, Adina Lyn werde heute ab 21 Uhr auflegen, wir müssten uns also noch ein wenig gedulden.
„ Der Schuppen hat übrigens nur bis Mitternacht auf. Wenn du dich dann noch frisch fühlst, können wir in die Disko in der gelben Zone. Von hier aus ist das nur zehn Minuten Laufweg entfernt.“
Ich nickte. Ich war zwar schon seit 6 Uhr wach, aber an sich war der Tag ja nicht so anstrengend gewesen. Mich interessierte aber eine andere Frage, die mir gerade in den Sinn gekommen war.
„ Was machst du eigentlich beruflich in der Stadt hier?“
Sie schien überrascht über meine Frage.
„Ich war früher Radiomoderatorin bei einem kleinen lokalen Sender. Hier will ich mir meinen Traum erfüllen und mein eigenes Tanzstudio eröffnen. Ich will Kurse für Samba und lateinamerikanische Tänze anbieten. Aber zuerst muss ich mich für eine Location entscheiden und bin mir noch nicht ganz sicher. Ich will erst noch ein wenig die Stadt und die Leute kennenlernen, bis ich mich entscheide, wo es mich hin verschlagen soll. Bis dahin kellnere ich in einer Kneipe nicht weit von hier.“
Ich riss erstaunt die Augen auf. Na, da ist es ja kein Wunder, dass sie mich zum Tanzen eingeladen hatte. Jetzt war ich natürlich noch gespannter, wie sie sich wohl auf der Tanzfläche bewegen würde.
Mit solch großen Träumen wie Samira bin ich nicht hierhergekommen. Ich fand es gerade reizvoll, dass man mir einen Beruf zuweisen würde und ich aus meinem alten Milieu herauskam.
„Was hast du vorher gemacht?“
Ich sah verlegen zur Seite.
„Ich habe in einem Striptease-Club gearbeitet. Aber nur als stellvertretende Geschäftsführerin. Also ich hab da nicht selbst getanzt.“
Jetzt ließ sie einen erstaunten Pfiff hören.
„Wow, also kennst du dich mit Geschäftsführung und so was aus. Da kann ich mir ja vielleicht ein paar Tipps von dir holen, wenn ich mein Tanzstudio gründe.“
„Klar, gerne, auch wenn ich nicht weiß, ob ich dir da viel helfen kann.“
Samiras Blick richtete sich auf einen neuen Gast, der soeben die Kellertreppe hinunter kam. Wieder staunte ich nicht schlecht, ich hatte bisher noch nicht eine hässliche Frau auf den Straßen gesehen. Auch diese dunkelhäutige Dame mit vollen schwarzen Locken war wirklich sehr hübsch anzusehen. Ihre kurzen Shorts und das zerrissene T-Shirt zeigten viel Haut und man sah ihren sehr reizvollen spitzenbesetzten BH durchschimmern. Auch das störte mich wenig. Ich war zwar perplex gewesen aufgrund der selbstverständlichen Freizügigkeit von Samira bei ihr zu Hause, aber nur, solch ein Auftreten in privaten Räumen nicht kannte. Dieser freizügige Disko-Stil jedoch war mir geläufig durch meinen vorherigen Arbeitsplatz vertraut.
Samira sprang auf und begrüßte auch die Neuangekommenen überschwänglich. Das schien sie ja echt mit jeder zu machen, die sie kannte. Sie zog sie zu unserem Tisch und stellte uns einander vor. Das war also die DJane für den heutigen Abend, ich war sehr erfreut. Adina Lyn machte sich dann auch gleich auf den Weg zu Ihrem Pult und bereitete ihre Sachen vor. Langsam kamen auch mehr Gäste die Treppe herunter und gefühlt bei jeder dritten Person sprang Samira auf und begrüßte sie herzlich. Mir schwirrten mit der Zeit immer mehr Namen durch den Kopf. Nachdem Adina Lyn fertig war mit ihren Vorbereitungen und die Gäste begrüßt hatte, ging ich auch Richtung Tanzfläche, um mich ein bisschen zu bewegen und den Kopf frei zu bekommen.
Die Musikauswahl von ihr gefiel mir ganz gut und so tanzte ich die ersten Songs fast alleine auf der Tanzfläche – mit halb geschlossenen Augen ganz in meiner Welt. Beim dritten Stück gesellte sich Samira zu mir und schrie mir – wegen der Lautstärke – anerkennend ins Ohr, dass ihr mein Tanzstil gefiele. Ich freute mich. Sie beobachtete mich noch eine Weile und tanzte dabei recht normal. Beim Song danach ging sie dann richtig ab. Sie bewegte sich wie in Trance und benutzte den Platz, der noch auf der Tanzfläche war, für weite und schwungvolle Moves. Ich sah ihr fasziniert zu und vergaß fast selbst zu tanzen. Nach dem Lied war ihr Kopf so rot vor Anstrengung; sie tanzte dann wieder ruhiger. Dabei beobachtete sie mich ganz genau und passte sich meinem Stil an. Das gefiel mir gut und ich traute mich, noch mehr aus mir herauszukommen. Sie motivierte mich dazu, noch gewagter zu tanzen, sodass ich sogar ein paar Bewegungen, die ich bei meinen Ex-Kolleginnen gesehen hatte, einfließen ließ. Dadurch wurde mein Tanz ein wenig erotischer und Samira stieg sofort mit ein. Wir tanzten uns an, flirteten und lachten dabei. Unsere Bewegungen waren wie ein Balztanz. Wir berührten uns, waren uns ganz nah mit den Gesichtern, stießen uns wieder weg. Wir umtänzelten uns und schmiegten unsere Körper aneinander, nur um im nächsten Moment auf Abstand zu gehen und den Raum wieder mehr auszufüllen. Sie strich an meinem Körper hinunter und ich vergrub meine Hände in ihrem Haarschopf. Als sie ganz nah vor meinem Gesicht auftauchte und mir fast schon einen Kuss auf die Lippen hauchen wollte, drückte ich sie zärtlich weg. Es war ein Spiel und es machte mir echt Spaß. Ich bemerkte die Leute um uns herum gar nicht Aus diesem Gefühl wurde ich nach dem Song herausgerissen. Um Samira und mich war eine Traube entstanden von begeisterten Leuten, die uns applaudierten. Um Samira scharten sich gleich mehrere Frauen und Männer, aber auch mit mir tanzten beim nächsten Lied gleich drei Männer und versuchten, mich in ihren Tanz einzubeziehen.
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