Mit den letzten Worten näherte er sich meinem Gesicht, wich nach rechts aus und biss sacht in mein Ohrläppchen. Sein Atem kitzelte in meinem Ohr und es schoss mir schon wieder heiß in den Schoß. Mit etwas Willenskraft unterdrückte ich aber gerade noch ein Stöhnen und rückte dann wieder ein Stück von ihm ab. Weil mir nichts Besseres einfiel, kam nur ein gekrächztes:
„Und, mundet es?“
Er leckte sich amüsiert über die Lippen und fuhr dann fort, als wäre nichts gewesen. Sein Blick richtete sich wieder über die Stadt und er zeigte nach links.
„Dann gibt es die grüne Zone. Dort ist es sehr viel freizügiger. Die rote Zone solltest du vielleicht am Anfang noch nicht erkunden. Die ist wirklich nichts für kleine Welpen, die noch keine Blicke in die menschlichen Abgründen geworfen haben.“
Er redete mir weiterhin noch viel zu sehr in Rätseln. Das und dieses Ohrenknabbern hatten mich aber so durcheinander gebracht, dass ich nicht imstande war, eine Frage diesbezüglich zu formulieren.
Er sah mich wieder an. Seine Augen fixierten eine Haarsträhne von mir. Er nahm sie in die Hand und spielte verträumt mit ihr. Dann ging ein Ruck durch ihn und er ließ sie abrupt los. Er sah fast schon entsetzt auf seine Hand, als hätte er sich gerade an meinem Haar verbrannt.
Ich fand diesen Bürgermeister immer eigenartiger. Fast schon skurril.
Er drehte sich weg von mir und wirkte deutlich kühler und distanzierter.
„Falls du noch mehr Fragen zu den Zonen hast, musst du deinen Buddy fragen. Er kann dir dazu mehr sagen. Ich kenne die momentanen Richtlinien nicht, wann was wie gesagt werden soll.“
Er sah über die Stadt und schwieg. Nach einer Minute hatte ich mich an der Aussicht sattgesehen und meine Augen richteten sich auf sein Profil. Die Sonne schien auf sein blondes Haar und ließ es fast golden wirken. Er wirkte ruhig und irgendwie faszinierte mich diese Ruhe.
Natürlich bemerkte er meinen Blick und das Grinsen erschien wieder auf seinem Gesicht.
„Fasziniert von dem Bürgermeister dieser Stadt? Ja, nicht jeder hat das Privileg, am zweiten Tag ein Schwätzchen mit dem höchsten Tier der Stadt zu halten.“
Keine Ahnung warum, aber mir stieg die Röte ins Gesicht. Ich fühlte mich ertappt und sah wieder auf die Stadt.
Das Telefonklingeln riss mich aus meinen Gedanken. Herr Eichenschild drehte sich um und nahm ab. Ich störte mich etwas an diesem Namen, er klang so ritterlich und das passte so gar nicht zu ihm. Ich beschloss, ihn in Gedanken weiterhin Bürgermeister zu nennen.
Er meldete sich natürlich mit seinem Namen und hielt inne. Er lauschte ein paar Sekunden und nickte dann. Nach dem Versprechen gleich vorbeizukommen, verabschiedete er sich und legte auf.
Dann drehte er sich zu mir, sagte im Geschäftston, dass es schön war, mich in der Stadt begrüßen zu dürfen und komplimentierte mich mit einer Entschuldigung hinaus. Er folgte mir und schloss die Tür ab, sobald ich sein Büro verlassen hatte. Dann verschwand er schnurstracks durch den Flur und hinterließ gefühlt eine Staubwolke hinter sich. Ich blieb völlig verblüfft und überrumpelt stehen. Das nannte der Herr also „Neugier befriedigen“. Er hatte mich mit mehr Fragen zurück gelassen, als ich beim Herkommen hatte.
Mit dem leichten Gefühl, einfach nur ein kleines Spielchen für den Bürgermeister gewesen zu sein, verließ ich das Stockwerk und das Rathaus.
Kapitel 3
Als ich wieder an meine U-Bahnstation ankam, war es schon fast so weit, mich mit James zu treffen. Der Rückweg war unspektakulär. Es gab kaum Fahrgäste. Die Rush Hour musste schon vorbei gewesen sein. Ich setzte mich wieder in das Café und stellte fest, dass es gut wäre, wenn ich James’ Telefonnummer hätte. Dann könnte ich jetzt Bescheid geben, dass ich eine halbe Stunde zu früh war. So sah ich aus dem Fenster und träumte vor mich hin.
Nach fünf Minuten setzte sich jemand zu mir und ich schaute in der Erwartung, James zu sehen nach oben.
Umfrage 3: Wen traf ich als Nächstes? Das stand zur Auswahl:
1 Eine atemberaubende Schönheit mit rotem welligem Haar, die mich strahlend ansah.
2 Den Mann von gestern, der mit seiner Freundin in der Toilette rumgemacht hatte.
3 Den Kellner, der mich fragte, ob er seine Pause mit mir verbringen dürfe.Kapitel 3 – Hättest du genauso gewählt wie die meisten?
Außerdem durften die Leser Namensvorschläge für unsere Protagonistin vorschlagen und dann darüber gemeinschaftlich abstimmen. Sie haben sich für Luca entschieden.
Ich sah eine atemberaubende Schönheit mit rotem, welligen Haar, die mich strahlend ansah. Sie störte sich nicht an meinem irritierten Blick und deutete auf mein Armband.
„Du bist auch neu hier oder? Ich bin seit zwei Wochen hier. Und du? Ach, wo bleiben meine Manieren? Ich heiße Samira Hain.“
Sie hielt mir ihre Hand hin. Nachdem ich sie ein paar Sekunden perplex angesehen hatte, ergriff ich eher aus Routine, denn aus Überzeugung ihre Hand.
„ Mein Name ist Luca Cobalt.“
Sie schüttelte heftig meine Hand.
„Schön dich kennenzulernen!“
Sie strahlte mich immer noch an und ich fuhr verwirrt fort.
„Ich bin seit gestern hier.“
Sie sah mich erstaunt an.
„Wow, du sitzt hier so entspannt und ausgeglichen, da dachte ich, du bist schon länger hier. Oder weißt du etwa noch nichts über die Stadt?“
Mein Gesicht verfinsterte sich. Wurde ich eigentlich immer für ein naives, kleines Mädchen gehalten? Ich seufzte.
„Über die Zonen weiß ich einigermaßen Bescheid und ich habe sogar schon mit dem Bürgermeister gesprochen.“
Ihre Augen wurden groß.
„Wirklich? Er soll ja ein sehr … charismatisches Stadtoberhaupt sein.“
Sie rückte noch näher an mich heran. Langsam schon zu nah. Kannte hier niemand in dieser Stadt das Wort Distanzzone? Jedenfalls schien es niemanden zu interessieren, wenn man in fremde eindrang.
„Ja, eben gerade, um ehrlich zu sein. Charismatisch ist jetzt nicht der erste Begriff, der mir zu ihm eingefallen wäre …“
Sie sah mich erst irritiert an, lachte dann aber plötzlich schallend so laut los, dass ich zusammen zuckte und mich umsah. Aber niemand schaute zu uns.
„Haha, ja, ich habe auch gehört, dass er ein wenig merkwürdig sein soll. Klasse, dass du am zweiten Tag schon so einen Promi triffst. Ich hatte recht damit, mich zu dir zu setzen. Du sahst interessant aus und ich langweile mich sehr schnell. Ich wollte neue Kontakte knüpfen, aber die meisten Neulinge sind immer gleich so verschreckt.“
Bei ihrer Art war das kein Wunder, dachte ich. Aber irgendwie mochte ich sie. Das Wort, das mir zu ihr einfiel, war „Wirbelwind“.Trotzdem passte sie irgendwie nicht in diese Stadt. Ich schüttelte den Gedanken ab. Eigentlich war es doch gut, gleich eine Freundin hier zu finden. James war ja ganz nett, aber naja, ob ich mit ihm warm werden würde, da war ich mir sehr unsicher. Aber mit Samira konnte das ganz witzig werden.
Ich nickte und lächelte sie an und sie belohnte mich wieder mit einem wunderschönen Strahlen.
„Hast du Lust, heute Abend ein wenig tanzen zu gehen? Ich kenne schon ein,zwei Tanzschuppen, die ich ganz nett finde.“
Ich legte den Kopf schief.
„In der blauen Zone?“
Sie lachte.
„Das ist eine sehr gute Frage für einen Neuling. Ja, einer ist auch in der gelben, aber da müssen wir ja nicht hin, wenn du nicht willst.“
Ich grübelte kurz und nickte wieder.
„Nein, eigentlich bin ich neugierig, mich würde auch der in der gelben Zone interessieren.“
Sie schenkte mir schon wieder dieses mitreißende, begeisternde Strahlen. Meine Laune wurde immer besser. Und ich mochte sie gerade deswegen immer mehr.
„Oh, du gefällst mir jetzt schon. Mutig und offen. Ich freue mich auf heute Abend. Ich wollte noch einkaufen gehen, willst du mitkommen?“
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