Nach zehn Minuten war der Spaß leider wieder vorbei. Ein Handwerker kam mit einem Werkzeugkasten und drehte das Wasser ab. Frauen wie Männer seufzten enttäuscht auf. Mittlerweile war die ganze Straße nass und jeder, der ein weißes oder gelbes Shirt trug, bot nun ungehinderte Einblicke auf mehr oder weniger nackte Haut. Aber das störte – wie mittlerweile von mir erwartet –niemanden. Die Leute lachten und redeten einfach weiter, ohne darauf zu achten. Ich bemerkte viele grinsende Männergesichter, die sich ungeniert das Ergebnis des unfreiwilligen Wet-T-Shirt-Contests bei den Frauen ansahen. Aber irgendwie war die ganze Szenerie eher lustig, als vulgär.
Ich machte noch ein paar Fotos von der nassen Straße und einer tropfenden alten Laterne im strahlenden Sonnenschein und ging dann weiter. Auch meine Kleidung war trotz aller Vorsicht ein wenig nass geworden und da ich eh nichts Passendes für das Konzert im Schrank hatte, beschloss ich mir ein Outfit zu kaufen. In der nächsten Mall gab es ein paar Kleidergeschäfte und ich überlegte, wie ich den Abend angehen wollte.
Umfrage 6-2: Wie soll Luca den Abend angehen? Das stand zur Auswahl:
1 Beobachten, ein düsteres und distanziertes Outfit wäre perfekt.
2 Tanzen, saufen und Spaß haben! Ein bequemer und ausgefallener Stil wäre am besten.
3 Flirten! Ein sexy Outfit musste her!Kapitel 6-2 – Wäre das auch deine Wahl gewesen?
Ich entschied mich dafür nur zu beobachten. Ein düsteres, verschlossenes Outfit wäre dafür bestens geeignet. Zu Hause hatte ich ein schwarzes Oberteil im Gothic-Stil. Den passenden Rock fand ich im dritten Geschäft. Der würde perfekt zu meinem Vorhaben abrunden und zudem hatte ich nicht zu viel Geld ausgegeben für einen Abend. Die passenden Schuhe würde ich bestimmt in einer Kiste finden. Noch schöne schwarze durchscheinende Strumpfhosen und schon war das Outfit perfekt. Naja, ich würde noch roten Lippenstift brauchen, damit meine langen, rotbraunen Haare gut zur Geltung kamen. Während ich noch überlegte, ob ich ihnen mit Locken noch ein bisschen Pep verleihen sollte, blieb ich vor einem Supermarkt stehen. Ich beschloss, die Restaurant-Idee in den Wind zu schießen und gleich einen Großeinkauf zu machen. Ich war zwar eine Weile gelaufen, aber vor dem Supermarkt war gleich eine U-Bahnstation. Somit würde ich mit meinen Einkäufen schnell wieder nach Hause kommen und konnte gleich meine neue Card ausprobieren.
Gesagt, getan. Drei Tüten und drei U-Bahnstationen später fand ich mich wieder vor meiner Haustür. Nachdem ich alles eingeräumt hatte, kochte ich mir etwas Schnelles zu Mittag. Da das heute wohl wieder ein langer Abend werden würde, entschloss ich mich zu einer Runde Schlaf.
Als ich aufwachte, erschrak ich: Es war schon nach 18 Uhr. Ich schüttelte den Kopf, mein Tag-Nacht-Rhythmus kam immer mehr durcheinander. Ich hoffte, dass ich bei meinem neuen Job keine ungünstigen Arbeitszeiten haben würde. Ich stand auf und machte mir noch eine Kleinigkeit zum Abendbrot, denn ich wollte nicht nüchtern zum Konzert. Dann duschte ich ausgiebig, bevor ich mich langsam fertig machte. Der Abend konnte kommen.
Kapitel 7
Pünktlich fünf Minuten nach 22 Uhr klingelte es an meiner Tür. Ich öffnete sie und eine sehr rockig wirkende Samira trat herein. Ich ließ einen kleinen Pfiff ertönen. Ihr Outfit war heiß. Sie hatte sich für ein schwarz-weißes Top entschieden und einen dazu passenden Minirock gewählt. Mein Rock war doppelt so lang. Aber ich wollte diesmal ja auch nicht so sehr auffallen. Trotz allem ergänzten sich unsere Stile ganz gut und mir gefiel ihr Geschmack sehr. Auch sie machte eine Bemerkung in diese Richtung, drängte aber gleich darauf, dass wir losgingen. Ich nahm noch schnell meine Kamera, dann machten wir uns auf den Weg.
Als ich ihr sagte, dass ich unerwartet meine Bahn-Card schon bekommen hatte, war sie erst überrascht. Aber dann fand sie es einfach nur noch praktisch und wir fuhren mit der U-Bahn los, in der die Atmosphäre ganz anders war als am Tag. Wieder fiel mir auf, dass die Leute gleich anders gekleidet waren, nachdem wir die blaue Zone verlassen hatten. Aber mir fiel auch sofort auf, dass wir wohl nicht die einzigen waren, die zum Konzert fuhren. Ich sah viele verschiedene Stile, aber alle waren ausnahmslos sehr individuell. Manche hatten sogar richtigen Cosplay-Charakter, so als wären die Kostüme eigens für dieses Event angefertigt worden. Diesmal fiel ich nicht wegen meiner Kleidung auf, aber viele starrten meine Kamera an. Deswegen traute ich mich nicht, die ausgefallenen Outfits zu fotografieren und bedauerte langsam, dass ich keine geeignete Kameratasche mitgenommen hatte. Ich hoffte, dass ich mit der Kamera in den Club hinein kam. Als ich meine Sorge mit Samira teilte, winkte sie aber ab. Sie kannte ja die Besitzerin, das würde kein Problem sein. Das hatte ich ja schon fast wieder vergessen – Samira und ihre Kontakte.
Wir stiegen aus und gingen zur Bar. Sie sah eher wie ein Club aus und wir stellten uns in der kurzen Warteschlange an.
Eins fiel mir auf, während ich mir die Leute so ansah, die vor und hinter uns standen: Sie trugen sehr unterschiedliche Kleidungsstile. Ich wusste also nicht, welche Art von Konzert mich erwartete. Die unterschiedlichen Kleidungsstile waren keiner bestimmten Musikrichtung zuzuordnen. Eigentlich wollte ich mich überraschen lassen, aber die Neugier siegte.„Was für eine Band ist das eigentlich und was singen sie so?“ , fragte ich Samira.
Obwohl ich dachte, ich hätte die Frage recht leise gestellt, sahen die zwei Mädels vor uns plötzlich mit sehr skeptischem und fast schon angewidertem Blick zu mir. War wohl ungewöhnlich, wenn man hier anstand und kein Fan war.
Samira grinste aber nur und antwortete fröhlich wie immer.
„Ui, die Band ist wirklich sehr cool. Witzig und sehr, sehr heiß. Der Sänger ist der Oberhammer und der Bassist sehr lecker. Aber auch die Schlagzeugerin ist hammersexy. Alle sind immer mega gut drauf. Du wirst dich ganz sicher amüsieren. Ich finde sie so klasse, weil sie immer das Publikum gut einbinden. Man hat immer jede Menge Spaß mit der Band.“Jetzt wusste ich zwar ein wenig mehr über die Band, aber nicht über deren Musikstil. Als Samira meinen immer noch neugierigen Blick bemerkte, ergänzte sie lachend:„ Ach so, der Musikstil. Das ist schwierig zu beschreiben. Ich finde, aus fast jeder Musikrichtung ist etwas dabei. Sie haben viele rockige, punkige Lieder. Aber auch Balladen, jazzige oder Elektro-Elemente. Viel Beat und Gefühl. Und meistens haben die Texte was Zweideutiges. Aber nicht unbedingt sexuell, meistens eher witzig oder keine Ahnung … mehrdeutig halt. Du findest dich oft wieder in den Texten und musst einfach loslachen. Jedes Lied kann man meistens auf verschiedene Situationen oder Lebensphasen anwenden und deswegen sind sie so toll.“
Langsam merkte ich, dass Samira wohl auch ein Fan von der Band war. Sie schwärmte jedenfalls sehr stark, auch für ihre Verhältnisse. So reife Worte hatte ich noch nie von ihr gehört. Da fiel mir wieder meine Frage zu ihrem Alter ein. Aber ich fand den Moment gerade unpassend und verkniff mir die Frage.
Der Einlass hatte vor ein paar Minuten begonnen und endlich setzte sich die Schlange in Bewegung. Weil wir recht früh angekommen waren, passierten wir den Eingang innerhalb weniger Minuten. Samira zog mich Richtung Tribüne, aber ich wollte vorher noch ein Bier haben, bevor die Bar völlig voll war. Außerdem konnte ich später kaum noch etwas trinken, da brauchte ich ja beide Hände zum Fotografieren. Sie nickte widerwillig, aber sie wollte schon zur Bühne vorgehen. Ihre Vorfreude war wohl sehr groß, oder sie wollte noch sehen, ob Bekannte da waren. Jedenfalls machte sie sich schon auf den Weg. Ich holte mir einen Becher Bier, Gläser wurden hier nicht verteilt. Dann sah ich mir den Saal genauer an. Er war ziemlich groß für eine Bar. Es glich auch mehr einer Konzerthalle. Links und rechts waren Tresen aufgebaut für die Bewirtung, vorne in der Mitte die Bühne. Ich schätzte, dass hier ungefähr 200 bis 300 Leute hinein passen würden. Ich war gespannt, ob es wirklich so voll werden würde heute Abend. Links und rechts von der Mitte der Halle aus gesehen gab es mehrere kleine Erhöhungen. Einige hatten Pole-Dance-Stangen. Sie erinnerten mich an meinen früheren Laden. Ich vermutete, sie waren auch dazu da, damit die Fans rauf springen konnten, ein wenig Spaß hatten und als kleinen Bonus eine bessere Sicht über Publikum und Bühne bekamen. Wenn ich auf eine der Erhöhungenhinaufkam während des Konzerts, müssten das supergute Fotos abgeben. Aber keine Ahnung, ob ich dazu eine Chance bekam, ich vermutete, dass die Stangen wohl immer gut besetzt sein würden.
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