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Gewöhnlich beruht das Besitzmittlungsverhältnisauf einer besonderen Vereinbarung, woran es nichts ändert, dass entscheidend der effektive Wille desjenigen ist, der die tatsächliche Gewalt innehat, die Sache für den anderen zu besitzen[38]. Demgemäß wird die Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses oft nur als rechtsgeschäftsähnliche Handlung verstanden, während das zugrundeliegende Verhältnis, also etwa die Darlehensforderung, die durch eine Sicherungsübereignung gesichert werden soll, oder der Kaufvertrag, der durch diese Art der Übereignung erfüllt werden soll, schon rechtsgeschäftlicher Natur ist[39]. Jedenfalls kann aber das Besitzmittlungsverhältnis unabhängig von der Gültigkeit des Grundverhältnisses durch Änderung der tatsächlichen Willensrichtung des Besitzers beendet werden, was ihn schadenersatzpflichtig machen kann, aber einen einmal erfolgten Eigentumsübergang nicht rückgängig macht[40]. Das wird nicht beeinflusst durch den Grad der Konkretheitder von den Beteiligten vereinbarten auf die Sache bezogenen Rechte und Pflichten, obwohl die verbreitete Annahme, ein rein abstraktes, lediglich den Willen zur Besitzvermittlung zeigendes Verhalten reiche (für § 868 und damit für § 930) nicht aus[41], die Praxis etwa der Sicherungsübereignung nicht gehindert hat, auch Vertragsbestimmungen über den Inhalt des – etwa als Verwahrung oder Miete – bezeichneten Besitzkonstituts genügen zu lassen, die nicht wörtlich und ernsthaft im Sinne des in Bezug genommenen Schuldverhältnisses gemeint sind (näher Rn 177). Dazu passt, dass ein Besitzmittlungsverhältnis auch begründet werden kann, bevor der Veräußerer überhaupt die Sache erworben hat, die danach aber von der getroffenen Abrede über die Besitzverhältnisse erfasst wird ( vorweggenommenesoder antizipiertes Besitzkonstitut, näher Rn 124, 137).
4. Übergabeersatz gem. § 931
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Einen weiteren Fall des Übergabeersatzes normiert § 931; die Wirkungsweise zeigt Fall 7. Hier bestand Einigkeit über den Eigentumsübergang zwischen E und F. Eine Übergabe iSd § 929 S. 1 fand nicht statt, weil die Sache bei H blieb, wo sie schon vor der Einigung über den Eigentumsübergang war. In Betracht kommt aber eine Übereignung nach §§ 929, 931 durch Einigung und – als Übergabeersatz – einverständliche Abtretung des auf die Sache gerichteten Herausgabeanspruchs, §§ 398, 413, der sich aus dem namens des E mit H geschlossenen Werkvertrag ergab. Die Abtretung des Herausgabeanspruchs überträgt gemäß § 870 den mittelbaren Besitz; es ist also folgerichtig, wenn das Gesetz angesichts der grundsätzlichen Gleichbewertung von unmittelbarem und mittelbarem Besitz diese Übertragung des mittelbaren Besitzes der Übergabe des unmittelbaren Besitzes gleichstellt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen §§ 929 und 931 ergibt sich aber daraus, dass die Übergabe iSd § 929 den Besitz in nach außen erkennbarer Weise verändert, während die Abtretung des Herausgabeanspruchs in der schlichten Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber besteht (§ 398), also Dritten nicht erkennbar ist. Sogar dem unmittelbaren Besitzer – dem Schuldner des abzutretenden Herausgabeanspruchs – braucht die Abtretung nicht mitgeteilt zu werden, was der allgemeinen Regelung der Zession entspricht[42]. Während also § 929 eine „offenkundige“ Übertragung bedeutet, verzichten §§ 930, 931 auf jede Offenlegung. Für die Übergabe nach § 931 muss der Anspruch bestehen. Einredefreiheit ist nicht erforderlich; das ist wichtig, da dem Besitzer gem. § 986 Abs. 2 alle Einreden gegen den Erwerber erhalten bleiben. Abtretung und dingliche Einigung sind zwei selbstständige Teile der Übereignung. Hat der Veräußerer keinen mittelbaren Besitz, so kann er einen bloßen Herausgabeanspruch aus § 985, den er haben mag, nicht abtreten, da dieser vom Eigentum nicht getrennt werden kann; ein Bereicherungsanspruch würde aber für die Übereignung nach § 931 genügen[43].
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Im Fall 7besteht ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen E und H, aus dem E ein Herausgabeanspruch zustand. Dass H zumindest aus § 273 (wohl auch wegen seines Unternehmerpfandrechts nach § 647) ein Zurückbehaltungsrecht wegen seines Werklohns hatte, steht nicht entgegen. Diesen Herausgabeanspruch konnte E an F abtreten, selbst ohne den H zu verständigen (§ 398). Jedenfalls liegt aber in der Mitteilung an H vom Verkauf an F die schlüssige Abtretung, sodass in diesem Augenblick Eigentum übergegangen ist.
5. Übergabe nach § 929 S. 2
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Wenn es nicht nötig ist, die tatsächliche Sachherrschaft in Bezug auf die Sache zu verändern, weil diese schon beim Erwerber liegt, findet § 929 S. 2 Anwendung, der Fall der so genannten brevi manu traditiooder Übereignung „kurzer Hand“. Auch hierbei ist es bedeutungslos, ob der Erwerber unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer wird, nur dass der Veräußerer jede Besitzposition aufgeben muss.
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Ein Erwerb gem. § 929 S. 2 würde im Fall 7zum Zuge kommen, wenn sich die Stereoanlage noch bei F befunden hätte; dann genügt zum Eigentumsübergang von E auf F eine schlichte Einigung. Wenn F die Anlage im eigenen Namen zur Reparatur gegeben hatte, sodass nur er einen vertraglichen Herausgabeanspruch hatte, müsste wohl ebenso entschieden werden, wenn E sich mit F einigt. § 929 S. 2 ist bei mittelbarem Besitz des Erwerbers nur dann nicht erfüllt, wenn Besitzmittler des Erwerbers gerade der Veräußerer ist[44]. § 929 S. 2 kommt auch in Frage, wenn ein Gegenstand, der im Eigentum eines Ehegatten steht, aber von beiden Eheleuten benutzt wird, an den anderen übereignet werden soll[45]. Auch eine Übereignung „kurzer Hand“ kann aufgrund einer vorweggenommenen Einigung geschehen.
Teil II Der Eigentumserwerb an beweglichen Sachen› § 5 Erwerb durch Einigung und Übergabe nach §§ 929–931› II. Eigentums- und Besitzerwerb durch Vertreter und durch „mittelbare Stellvertretung“
II. Eigentums- und Besitzerwerb durch Vertreter und durch „mittelbare Stellvertretung“
1. Einschaltung eines Stellvertreters
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Wie schon der im vorigen Abschnitt behandelte Fall 9( Rn 121) zeigt, ist bei der Übereignung im Rahmen der dinglichen Einigung die Einschaltung eines Stellvertretersauf Veräußerer- oder Erwerberseite möglich und vielfach notwendig. Dies führt zu der Frage, ob auch der tatsächliche Übergabeakt durch Einschaltung von Mittelspersonen bewirkt werden kann. Die Regeln über die Vertretung sind hier nicht generell anwendbar, da sie nur auf rechtsgeschäftliches Handeln zugeschnitten sind[46]. Immerhin können somit die Übergabesurrogate gem. §§ 930, 931 durch einen Vertreter des Veräußerers vereinbart werden; dasselbe gilt für einen Besitzerwerb durch Einigung gem. § 854 Abs. 2 im Rahmen der Übereignung nach § 929 S. 2.
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a)Die ÜbergabeiSd § 929 ist dagegen kein Vertrag, bei ihr kommt es auf die tatsächliche Besitzveränderung an. Auch soweit dabei ein Wille bedeutsam ist – nur freiwilliges Geben und Nehmen des Besitzes ist Übergabe – handelt es sich nicht um einen rechtsgeschäftlichen, sondern um einen „tatsächlichen“ Willen, bei dem es keine Vertretung gibt. Immerhin kann durch die Ausdehnung des Besitzwillens auf eine Herrschaftssphäre[47] sowie durch die Einschaltung von Besitzdienern und Besitzmittlern ( Rn 32, 36) den tatsächlichen Gegebenheiten arbeitsteiligen Wirtschaftens auf Seiten eines Veräußerers und eines Erwerbers Rechnung getragen werden. Da mit der Übergabe an den Besitzdiener des Erwerbers nur der Erwerber als Besitzherr Besitzer wird, ist mit der Übergabe der Sachen an den Besitzdiener der Erwerber Besitzer; die Einigung als Willenserklärung kann der Besitzdiener als Vertreter vornehmen.
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